FiBS-Studie: Bildungsreformen lohnen sich pädagogisch und fiskalisch

FiBS, das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie hat erstmalig die Kosten umfassender qualitätsverbessernder Reformen im Berliner Schulsystem und die damit verbundenen Effizienz- und Kostensenkungspotenziale ermittelt. Das heute veröffentlichte Gutachten für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus kommt zu dem Ergebnis, dass sich höhere Kosten für Bildung in Kita und Schule bereits amortisieren, wenn vergleichsweise geringe Erfolgsquoten erreicht werden.

„Umfassende Bildungsreformen lohnen sich,“ so fasst Dr. Dieter Dohmen, der Leiter des FiBS, das eindeutige Ergebnis der Studie zusammen. „Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass nicht nur zusätzliche Finanzen, sondern eben auch strukturelle, personelle und motivationale Veränderungen in Schulen und bei den Lehrkräften erforderlich sind. Ähnliches gilt für den Kita-Bereich. Mehr Geld alleine reicht nicht aus.“

Insgesamt belaufen sich die jährlichen Kosten der verschiedenen Maßnahmen, die das FiBS empfiehlt, auf rund € 117 Mio.; hinzu kommen € 20 Mio. an einmaligen Aufwendungen. Hierbei ist die Sicherstellung einer Vollversorgung im Kita-Bereich bei den 3- bis 6-Jährigen mit rund € 43 Mio. der höchste Einzelposten. Die Veränderungen im Schulbereich kosten rund € 94 Mio.

Die Maßnahmen und ihre Kosten im Einzelnen zeigt folgende Übersicht:

Vollständige Deckung des Bedarfs an Kinderbetreuungsplätzen: € 42,8 Mio.
Flexibilisierung der Klassenfrequenzen in der Grundschule: € 8,6 Mio.
Verhinderung des Unterrichtsausfalls: € 25,0 Mio.
Ausweitung der Lehrerfortbildung (1 Woche je Lehrer und Schuljahr): € 10,4 Mio.
Einstellung zusätzlichen Personals zur Förderung schwacher Schüler: € 22,2 Mio.
Präsenzarbeitsplätze für Lehrer: € 3,3 Mio.
Wartungskosten für Computer: € 1,7 Mio.
Einrichtung Bibliotheksarbeitsplätze € 1,8 Mio.
Aktualisierungskosten Bibliotheken: € 1,2 Mio.
Jährliche Gesamtkosten der Reformmaßnahmen: € 117,0 Mio.
Darüber hinaus wären einige einmalige Anschaffungen notwendig:
Anschaffung von 7.000 neuen PCs: € 3,3 Mio.
Aufrüstung der bestehenden PCs: € 4,2 Mio.
Bibliotheksprogramm (Verbesserung der Grundausstattung): € 12,6 Mio.
Summe der einmaligen Kosten: € 20,1 Mio.
Mit diesen Mehrausgaben muss aber auch die Forderung nach pädagogischen Veränderungen verbunden sein. So erlauben flexible Klassengrößen eine bessere Anpassung an Erfordernisse der jeweiligen Klasse bzw. der Schüler. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist eine qualifizierte Fortbildung der Lehrkräfte, damit sie ihren Unterricht auf die unterschiedlichen Zielgruppen und Schüler ausrichten können, Schwächen diagnostizieren und geeignete Förderstrategien, auch in Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern und Psychologen entwickeln können. Zudem sollten die Schulen besser mit Büchern und Computern ausgestattet werden. Diese Veränderungen lassen – selbst bei vorsichtig angesetzten Erfolgsquoten – mittelfristig folgende Kostensenkungspotenziale erwarten:
Reduktion des Sitzenbleibens (Annahme: 10 % der Wiederholungen führen zu Klassenteilungen und Einstellungsbedarf an Lehrkräften): € 62,0 Mio.
Senkung des Nachqualifizierungsbedarfs um 30 %: € 34,8 Mio.
Senkung der Jugendhilfekosten um 10 %: € 33,0 Mio.
Senkung der Jugendarbeitslosigkeit um 10 %: € 9,0 Mio.
Reduzierung der Straftaten durch Jugendliche um 20 %: € 1,2 Mio.
Summe der Effizienzsteigerung/Kostensenkung: € 140,0 Mio.
Nicht einbezogen in diese Übersicht, sondern nur nachrichtlich erwähnt werden sollen die Kostenreduktionen von € 30,5 Mio., die sich ergeben würden, wenn die heutigen Hauptschüler erfolgreich in die Gesamtschulen integriert werden könnten und damit die Kosten je Schüler von € 9.800 auf € 7.600 reduziert werden könnten. Weitere Einsparungen in einer Größenordnung von rund € 7,0 Mio. könnten erreicht werden, wenn sich die Zahl der Schüler, die an Förderschulen für Lernbehinderte verwiesen werden, um 1.000 reduziert werden könnte. Dies setzt natürlich voraus, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen besser und individuell gefördert werden. Dazu soll die Bereitstellung zusätzlichen Personals (Sozialarbeiter, Psychologen o.ä.) sowie eine entsprechend veränderte Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte beitragen.

„Unsere Berechnungen zeigen sehr deutlich, das sich zusätzliche Finanzmittel, die für pädagogische Reformen und verbesserte Förderung in den Berliner Schulen eingesetzt werden, zu erheblichen Effizienzverbesserungen und Kostensenkungspotenzialen im Landeshaushalt führen können,“ erklärt Dr. Dieter Dohmen. Dabei kann, nach Auffassung des Bildungsökonomen, die Tatsache nicht hoch genug bewertet werden, dass sich dieses positive Ergebnis bereits bei eher moderaten Erfolgsquoten einstellen würde.

Würden die Reformen zu einem richtigen Erfolgsprogramm, so könnten sich die Kostensenkungspotenziale auf mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr belaufen, wodurch weitere Verbesserungen möglich würden. Die Folge wäre, dass sich die entsprechenden Maßnahmen nach wenigen Jahren nicht nur pädagogisch, sozial- und bildungspolitisch, sondern eben auch finanzpolitisch mehr als rentierten. „Gefordert sind nun neben den Bildungspolitikern vor allem auch der Finanzsenator und die Haushaltspolitiker der Fraktionen,“ so Dohmen weiter. „Denn nur wenn sie bereit sind in Vorleistung zu treten, können die Reformen umgesetzt werden. Gefordert sind aber auch erhebliche Veränderungen vor allem in den Schulen, bei Lehrkräften, Schulleitungen, Schülern und ihren Eltern.“

Die Studie ist im Internet auf den Seiten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus sowie als FiBS-Forum Nr. 33 auf der Homepage (FiBS) zugänglich.

Kontakt:
Birgitt A. Cleuvers (FiBS)
Tel. 02 21 / 550 95 16, b.cleuvers@fibs-koeln.de
FiBS – Platenstr. 39, 50825 Köln – Marienstr. 29, 10117 Berlin

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Weitere Informationen:

http://www.fibs-koeln.de/

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