EU-Studie: Ökologische Effizienz von Unternehmen in Euro gemessen

Studie über die Umweltleistung von 65 europäischen Industrieunternehmen heute in Frankfurt/Main vorgestellt. Ein neuer Bewertungsansatz wendet die Logik des Kapitalmarktes auf den Einsatz ökologischer Ressourcen an. Ein Unternehmen schafft dann Wert, wenn es eine ökologische Ressource effizienter als die Vergleichsgruppe einsetzt. Auch elf deutsche Unternehmen sind im Ranking enthalten. Die Studie steht zum kostenlosen Download bereit.

BMW und FIAT, BP und Shell – aussagekräftige Ergebnisse

BMW setzt seine Umweltressourcen siebenmal effizienter ein als FIAT. Die Heidelberger Druckmaschinen AG wirtschaftet immerhin über zweieinhalb Mal öko-effizienter als der schwedische Maschinenbauer SKF. Die Mineralölkonzerne BP und Shell erreichen dagegen nicht einmal ein Fünftel der Effizienz, mit der die Umweltressourcen in den 15 alten EU-Mitgliedsstaaten (EU 15) durchschnittlich eingesetzt werden. Oder anders ausgedrückt: Mit den Umweltressourcen von BP oder Shell würden selbst durchschnittlich öko-effiziente Unternehmen in der EU 15 jedes Jahr über 100 Mrd. Euro mehr Bruttoinlandsprodukt erzielen.

Zu solch klaren monetären Aussagen über die Umweltleistung von Industrieunternehmen kommt die von der EU kofinanzierte ADVANCE-Studie, die heute in Frankfurt/Main vorgestellt wurde. Denn erstmals ist es Wissenschaftlern gelungen, die Umweltperformance von Unternehmen genauso in Geldgrößen auszudrücken, wie es bei der Wirtschafts- und Finanzleistung seit Jahrzehnten üblich ist.

Internationales Forschungsprojekt arbeitet mit neuer Methode

Das ADVANCE-Projekt wurde vom IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin zusammen mit dem Sustainable Development Research Centre (SDRC) im schottischen Forres und vier europäischen Öko-Rating Agenturen, darunter scoris aus Hannover, durchgeführt. Forscher und Rater bewerteten dafür die Umweltleistung von 65 europäischen Industrieunternehmen mit dem Sustainable-Value-Ansatz. Dieser Ansatz hat zwei Besonderheiten: Erstens bewertet er die Umweltleistung von Unternehmen monetär, d.h. in Euro. Zweitens folgt er der Bewertungslogik der Finanzmärkte und übersetzt so die Umweltleistung von Unternehmen in die Sprache von Investoren und Managern.

Der Sustainable-Value-Ansatz wurde gemeinsam von den beiden am ADVANCE-Projekt beteiligten Wissenschaftlern, dem Umweltwissenschaftler Dr. Tobias Hahn (IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin) und dem Ökonomen Prof. Dr. Frank Figge (SDRC Forres, Schottland) entwickelt. Im ADVANCE-Projekt gelang es ihnen erstmals, ihren Ansatz in der Breite anzuwenden. Die grundlegende Logik des Sustainable-Value-Ansatzes ist einfach: „Ein Unternehmen schafft mit einer ökologischen Ressource, wie z.B. Wasser, nur dann Wert, wenn es mit der eingesetzten Ressourcenmenge mehr Ertrag erzielt als andere Unternehmen“, erläutert der Umweltwissenschaftler Tobias Hahn. Ein Beispiel: Henkel setzte im Jahr 2003 rund 9,3 Mio. m³ Wasser ein und erzielte damit eine Bruttowertschöpfung von rund 2,9 Mrd. Euro. Unternehmen der EU 15 im Durchschnitt hätten mit dieser Menge Wasser nur eine Bruttowertschöpfung von rund 380 Mio. Euro erzielt. Im Vergleich zum EU-15-Durchschnitt schafft Henkel daher einen Mehrwert von rund 2,5 Mrd. Euro.

11 deutsche Unternehmen in der Bewertung

Unter den 65 bewerteten Unternehmen sind 11 deutsche Unternehmen. So ist BMW der öko-effizienteste Automobilhersteller in Europa und schaffte im Jahr 2003 einen Sustainable Value von rund 9,5 Mrd. Euro. BMW setzt seine Umweltressourcen fast viermal effizienter ein als die EU 15 im Durchschnitt. Volkswagen dagegen wirtschaftet nur knapp öko-effizienter als der EU-15-Durchschnitt. Damit landet VW innerhalb des Automobilsektors auf dem vorletzten Platz.

Andere deutsche Unternehmen schneiden in der Untersuchung recht gut ab. Schering wirtschaftet mit seinen ökologischen Ressourcen ähnlich effizient wie BMW und setzt diese fast viermal effizienter ein als der EU-15-Durchschnitt. Die Heidelberger Druckmaschinen AG liegt an der Spitze der untersuchten Maschinenbauunternehmen. Aber auch die MAN AG erzielt ein positives Ergebnis, da sie im Jahr 2003 mit ihren Umweltressourcen einen positiven Sustainable Value von rund 2,9 Mrd. Euro schaffte. Es erbringen jedoch nicht alle untersuchten deutschen Unternehmen einen positiven Sustainable Value. BASF erzielte im Jahr 2003 z.B. einen negativen Sustainable Value von -13,9 Mrd. Euro und setzte seine Umweltressourcen nur etwa halb so effizient ein wie der EU-15-Durchschnitt. Hier schlägt sich nieder, dass die Chemiebranche sehr ressourcenintensiv ist. Im Vergleich mit BASF stehen andere europäische Chemieunternehmen wie z.B. die deutsche Celanese AG oder Kemira aus Finnland noch deutlich schlechter da. Das Unternehmen, das insgesamt seine Umweltressourcen im Jahr 2003 am effizientesten einsetzte, ist Airbus – nämlich viereinhalb mal effizienter als die EU 15 im Durchschnitt. Dies betrifft jedoch nur die Herstellung und nicht die Nutzung von Flugzeugen. Die schlechtesten Ergebnisse erzielen durchweg Unternehmen aus den Bereichen Energieversorgung und Öl & Gas wie die eingangs erwähnten Konzerne BP und Shell.

Sieben Umweltkennzahlen liegen der Bewertung zugrunde

Die ADVANCE-Untersuchung basiert auf den folgenden sieben Umweltkennzahlen, welche viele Unternehmen heute schon auf freiwilliger Basis veröffentlichen: Wasserverbrauch, Gesamtabfallmenge und Emissionen von Kohlendioxid, Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden sowie von flüchtigen organischen Verbindungen und Methan. Frank Figge, Professor im schottischen Forres, betont: „Die Ergebnisse der Studie sind nach einem transparenten Verfahren zustande gekommen und zeigen deutlich, welche Unternehmen unsere knappen Umweltressourcen so einsetzen, dass aus der Umweltbelastung möglichst viel Wirtschaftsleistung erzielt werden kann. Die beträchtlichen Unterschiede innerhalb der Branchen machen offenkundig, welche Unternehmen beim Umgang mit ökologischen Ressourcen großen Nachholbedarf haben.“

Die Autoren der Studie kamen unfreiwillig noch zu einem weiteren Ergebnis. Dazu Dr. Tobias Hahn: „Die Zahl der europäischen Industrieunternehmen, die überhaupt verlässliche Umweltzahlen veröffentlichen, ist immer noch erschreckend gering.“

Rating-Agentur erprobte den neuen Ansatz

Der Sustainable-Value-Ansatz wendet die Logik der Finanzanalyse an, um die Umweltleistung von Unternehmen in Euro zu bewerten. Dadurch unterscheidet er sich von der bisherigen Praxis der ökologischen Unternehmensbewertung, die sich im wesentlichen auf Fragebogenerhebungen stützt. Mit der ADVANCE-Studie konnte nun die Praxistauglichkeit des Sustainable-Value-Ansatzes gezeigt werden. Axel Wilhelm, Geschäftsführer der am Projekt beteiligten Nachhaltigkeits-Rating-Agentur scoris aus Hannover meint dazu: „Der Sustainable-Value-Ansatz ist ein ganz wichtiger methodischer Schritt. Wir zeigen damit, dass wir unsere Ratingergebnisse auch mit Euro-Größen untermauern können. Aus unserer Sicht ist der Sustainable-Value-Ansatz ein Meilenstein in der Verknüpfung von ökologischer Unternehmensbewertung und Finanzmarkt.“

KONTAKTE:
Pressestelle IZT:
· Barbara Debus, IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Schopenhauerstr. 26, D-14129 Berlin, E-Mail: b.debus@izt.de, Tel.: +49-30-803088-45, Fax: +49-30-803088-88
Fachliche Ansprechpartner:
· Dr. Tobias Hahn, IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin, E-Mail: t.hahn@izt.de, Tel.: +49-30-803088-24, Fax: +49-30-803088-88
· Prof. Dr. Frank Figge, University of St Andrews & Sustainable Development Research Centre (SDRC), Forres, E-Mail: figge@sustainablevalue.com, Tel.: +44-1309-678113, Fax: +44-1309-678114
· Axel Wilhelm, scoris Sustainable Investment Research International, Hannover, E-Mail: wilhelm@scoris.de, Tel.: +49-511-270 898-17, Fax: +49-511-270 898-27

Materialien:
· Kurzfassungen der Studie ADVANCE (PDF-Dokument, deutsch und englisch)
· Langfassung der Studie ADVANCE (PDF-Dokument, englisch)
Beides steht zum kostenlosen Download bereit unter:
http://www.advance-project.org/survey/download/index.html

Weitere Informationen zum ADVANCE Projekt und zum Sustainable-Value-Ansatz unter:
http://www.advance-project.org
http://www.sustainablevalue.com

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