Wachstumsbranche Biotechnologie: Grosse Unternehmen sind der Motor

Bestandsaufnahme zur medizinischen Biotechnologie in Deutschland

Die forschenden Pharmaunternehmen leisten einen entscheidenden Beitrag zur deutschen Biotechnologie-Branche. Im Jahr 2005 erzielten die 20 groessten Unternehmen, die in der medizinischen Biotechnologie aktiv sind, mehr als zwei Drittel der Umsaetze mit Biopharmazeutika und zeigen damit, dass die Biotechnologie nicht nur eine Domaene kleiner Start-Ups ist. Biopharmazeutika tragen mit etwa 2,7 Milliarden Euro zum Umsatz der 20 Grossen bei. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) fuer VFA Bio, die neu eingerichtete Interessengruppe fuer Biotechnologie in der Medizin im Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA). Die Analysen zur Lage der Biotechnologie im Bereich Medizin in Deutschland wurden am 27. April in Berlin vorgestellt.

„Medizinische Biotechnologie wird von der Politik in Deutschland vielfach nur mit Blick auf Start-Ups wahrgenommen“, erklaerte Cornelia Yzer, Hauptgeschaeftsfuehrerin des VFA. „Dabei sind gerade etablierte Unternehmen durch ihre Investitionstaetigkeit und ihre Bereitschaft, mit kleinen innovativen Unternehmen und Grundlagenforschern zu kooperieren, ein wesentlicher Motor der Wachstumsbranche Biotechnologie in Deutschland.“ Mit der Gruendung von VFA Bio habe der VFA eine neue Kraft fuer die Biotechnologie geschaffen, die Entwicklungsmoeglichkeiten und politische Imperative fuer den Standort Deutschland aus dieser Gesamtsicht ableite. Derzeit engagierten sich 15 von 39 VFA-Mitgliedern in dieser Interessengruppe.

Dr. Frank Mathias, Vorsitzender von VFA Bio und Geschaeftsfuehrer der Amgen Deutschland GmbH, betonte die weit ueber oekonomische Aspekte hinausgehende Bedeutung der Biotechnologie: „Die Biotechnologie bietet schon heute neue Therapiechancen fuer schwere Krankheiten wie verschiedene Arten von Krebs, Multiple Sklerose und Stoffwechselstoerungen und ist deshalb ein Hoffnungstraeger fuer viele Patienten.“ Gerade deshalb sei es zu begruessen, dass Deutschland auf diesem wichtigen Gebiet „auf einem guten Weg“ sei.

Innerhalb der Pharma- und Biotechindustrie sind Biopharmazeutika – also Medikamente, die mit Mitteln der Gentechnik produziert werden oder entwickelt wurden – ein Wachstumssegment, in dem auch in Deutschland von 2001 bis 2005 ueberdurchschnittliche Steigerungen von 10 Prozent pro Jahr erzielt wurden. Wichtigstes Geschaeftsfeld seien dabei die Stoffwechselerkrankungen (vor allem Diabetes), auf die mehr als ein Viertel der Umsaetze mit Biopharmazeutika entfielen; hier seien insbesondere die etablierten Unternehmen taetig. „Allerdings duerfte sich mittelfristig die Onkologie zum dominanten Therapiegebiet fuer Biopharmazeutika entwickeln“, erlaeuterte Mathias. „Denn von den Biopharmazeutika in den Entwicklungspipelines der untersuchten Firmen richten sich heute 30 Prozent gegen Krebs, gefolgt von 20 Prozent zur Infektionsbekaempfung.“

Die Studie zeigt ferner, in welchem Masse der Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsstandort Deutschland im Bereich Biotechnologie von den Investitionen der grossen forschenden Pharmaunternehmen profitiert. Nur diese Unternehmen sind in der Lage, die erforderlichen Einzelinvestitionen zu leisten, die sich auf mehr als 400 Millionen Euro pro Anlage belaufen koennen. Ein Resultat der anhaltenden Investitionstaetigkeit grosser Unternehmen in der Biotechnologie ist, dass Deutschland bei der Produktion gentechnischer Arzneimittel in so genannten Fermenteranlagen weltweit nach den USA auf Platz zwei liegt.

Im vergangenen Jahr gaben die 83 etablierten und aufstrebenden Unternehmen in Deutschland mehr als 950 Millionen Euro fuer Forschung und Entwicklung (F&E) in der Biotechnologie aus und schufen dabei insbesondere Arbeitsplaetze fuer die Forschungselite. 26.420 Beschaeftigte arbeiten in Deutschland in der Biotechnologie – darunter besonders viele Akademiker, aber auch Techniker in anspruchsvollen Ausbildungsberufen. „Um viel versprechende Substanzen weiter erforschen zu koennen, profitieren gerade die jungen Biotech-Start-Ups von Kooperationen und der Unterstuetzung der groesseren Arzneimittelunternehmen“, betonte Mathias.

Nun, so Mathias, gehe es um den Ausbau der deutschen Biotechnologie. „Dieser ist von doppelter Bedeutung: Die Patienten koennen noch staerker am therapeutischen Fortschritt teilhaben, waehrend der Standort vom Wirtschaftswachstum in Verbindung mit neuen Arbeitsplaetzen profitiert. Damit Deutschland weltweit auch in Zukunft eine wichtige Rolle im Wachstumssektor Biotechnologie spielt, sind allerdings weitere Reformanstrengungen notwendig.“ Dafuer haelt VFA Bio folgende Aenderungen an den branchenspezifischen Rahmenbedingungen fuer erforderlich:

Gesetzliche Rahmenbedingungen verbessern: Die Entwicklung innovativer Wirkstoffe ist risikoreich, teuer und vor allem langwierig: Auch bei erfolgreichen Projekten vergehen in der Regel 12 Jahre von der Idee bis zum zugelassenen Medikament. Deshalb sind Planungssicherheit und eine abgestimmte Forschungs-, Wirtschafts- und Gesundheitspolitik fuer die Arzneimittelhersteller besonders wichtig.

Zugang zu therapeutischem Fortschritt gewaehrleisten: Viele moderne Therapien und Arzneimittel sind ein Ergebnis der Biotechnologie. Dank der Forschungserfolge haben beispielsweise viele Krebspatienten deutlich bessere Ueberlebenschancen. Bei der Verordnung moderner Krebstherapeutika liegt Deutschland im europaeischen Vergleich aber lediglich im Mittelfeld. Damit Patienten in Deutschland auch kuenftig am therapeutischen Fortschritt teilhaben, sollte der Fokus der Gesundheitspolitik nicht allein auf Kosteneinsparungen liegen, sondern ebenso die Qualitaet sicherstellen.

Forschung staerker foerdern: In Schweden investieren Stiftungen und die oeffentliche Hand umgerechnet 78,30 Euro pro Einwohner in F&E in der Biomedizin. Die Forschungsgelder sind in Deutschland mit 50 Euro pro Einwohner um ein Drittel geringer. VFA Bio empfiehlt, die oeffentlichen F&E-Ausgaben zumindest auf das USA-Niveau von 60 Euro pro Kopf anzuheben. Aber finanzielle Foerderung allein reicht nicht aus, auch buerokratische Huerden muessten ueberwunden werden.

Finanzielle Rahmenbedingungen verbessern. Der Transfer von der Forschung zum marktreifen Produkt funktioniert noch nicht zufrieden stellend. Finanzierungshuerden sind ein Grund dafuer, dass die Umsetzung von Wissen in unternehmerischen Erfolg „made in Germany“ noch immer zu selten gelingt: Deutsche Biotechnologieunternehmen benoetigen Wagniskapital, das Kapitalgeber bevorzugt mit Blick auf einen spaeteren Boersengang zur Verfuegung stellen.

VFA Bio vertritt die Biotechnologie im Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA), der 39 weltweit fuehrende Hersteller in Belangen der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik vertritt. VFA Bio setzt sich dafuer ein, das medizinische und wirtschaftliche Potenzial der Biotechnologie zu nutzen und Deutschland zum fuehrenden Biotechnologiestandort Europas zu machen.

Media Contact

Dr. Rolf Hoemke VFA Bio

Weitere Informationen:

http://www.vfa-bio.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen

Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer