Kopfschmerz in Deutschland: Fakten statt Schätzungen

Jede dritte Frau und fast jeder fünfte Mann hat in Deutschland mehr als einmal im Monat Kopfschmerzen. Doch es gibt nicht nur geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Häufigkeit von Kopfweh generell und den verschiedenen Kopfschmerzformen im Besonderen. Auffallend sind regionale Unterschiede. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft präsentierte am 25. November 2005 erste Ergebnisse der bislang größten deutschen Studie zum Thema Kopfschmerz auf einer Pressekonferenz in München.


Erstmals liefert in Deutschland eine epidemiologische Studie mit über 7000 Erwachsenen und mehr als 3000 Jugendlichen genaue Informationen, wie viele Menschen an Kopfschmerzen leiden – Migräne, Spannungskopfschmerz oder Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch.

Die Untersuchung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft gehört international zu den größten und gibt auch Einblicke in die Versorgungssituation und die Therapie. Erfasst wurden auch die Lebensumstände und die Lebensqualität der betroffenen Patientinnen und Patienten. Experten haben die Daten in drei Regionen erhoben: Stadt und Umland von Augsburg, der Großstadt Dortmund und der Region Vorpommern mit Stralsund und Greifswald als grössten Städten.

Kopfschmerzen zählen zu den häufigsten Schmerzsyndromen. Im Laufe eines Jahres erlebt der grösste Teil aller Deutschen eine oder mehrere Kopfschmerzattacken. Zahlen zur Häufigkeit der Kopfschmerzerkrankungen Migräne und Spannungskopfschmerz fehlen aber weitgehend in Deutschland. Um endlich Schätzungen und Vermutungen durch Fakten und Wissen zu ersetzen, hat die DMKG darum eine halbe Million Euro für eine Studie zusammen mit ihren fördernden Mitgliedern aufgebracht. „Die Mitglieder des Industriekonsortiums haben jedoch keinerlei Einfluss auf das Studiendesign und die Auswertung der Studie“, betont DMKG-Präsident Professor Stefan Evers von der Universitätsklinik Münster.

„Die DMKG-Studie ist eingebunden in drei bereits laufende epidemiologische Studien“, erläutert Professor Klaus Berger, der Projektleiter vom Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin des Universitätsklinikums Münster. Dabei handelt es sich um die „Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA)“, um die „Dortmunder Gesundheitsstudie“ und die kurz SHIP genannte Studie „Leben und Gesundheit in Vorpommern“, an der neben 1926 Erwachsenen auch 3321 Schulkinder teilnehmen.

„Die Häufigkeit der verschiedenen Kopfschmerzformen ist in Deutschland regional sehr unterschiedlich“, resümmiert der Münchener Neurologe Dr. Volker Pfaffenrath. So ist der Spannungskopfschmerz bei den Augsburger Studienteilnehmern am höchsten. Auch bei der Migräne führen die Augsburgerinnen das Ranking an. Dafür leiden Dortmunds Männer häufiger unter Migräne als ihre Geschlechtsgenossen in Augsburg oder Vorpommern. „Woran diese Unterschiede liegen“, so der Studienverantwortliche der DMKG weiter, „kann jedoch im Rahmen einer Querschnittstudie nicht geklärt werden.“

Spannungskopfschmerz am häufigsten.

In allen drei Regionen ist der Spannungskopfschmerz bei Männern und Frauen am häufigsten. Bei Frauen variiert der Prozentsatz zwischen 17,4 (Dortmund) und 24,2 Prozent (Augsburg). Bei den Männern sind zwischen 13 (Vorpommern) und 25 Prozent (Augsburg) betroffen.

Die Migräne ist weniger häufig – und erwartungsgemäß leiden Frauen öfter an ihr als Männer. Unter den anfallsartigen Kopfschmerzattacken leiden 13,8 Prozent der Augsburgerinnen, 13,1 Prozent der Dortmunderinnen und 9,1 Prozent der Frauen in Vorpommern.

In allen drei Regionen klagen hingegen nur wenige Männer über die quälenden Schmerzattacken. Die Häufigkeit variiert zwischen 2,4 Prozent in Vorpommern und 4,6 Prozent in Dortmund.

Schmerzmittelkopfschmerz ist bei den Frauen in allen Studienregionen etwa gleich häufig: Bei etwa 1,4 Prozent ist der Übergebrauch von Analgetika und/oder Migränemitteln Ursache täglicher Kopfschmerzen. Bei Männern liegt die Prävalenz in Augsburg und Dortmund unter einem Prozent. „Aber“, so Pfaffenrath, „aufgrund der geringen Fallzahlen sind diese Ergebnisse mit Bedacht zu interpretieren.“

Lichtblick ab 45.

Die tröstende Nachricht: die Häufigkeit von Kopfschmerzen sinkt bei Männern und Frauen mit steigendem Alter. In jüngeren Jahren ist die Varianz bei den Häufigkeiten der verschiedenen Kopfschmerzformen zwischen den einzelnen Studienregionen ausgeprägt. Danach gleicht sich der Trend nach unten in den Regionen einander an.

Den Gipfel der Häufigkeit des Spannungskopfschmerzes haben die Frauen in allen Studienregionen schon bis zum 44. Lebensjahr überschritten: Die Zahlen sinken, verharren aber ab Mitte fünfzig auf einem gleichbleibendem Niveau. Bei den Männern sinkt die Häufigkeit von Spannungskopfschmerz abgesehen von kleinen Schwankungen bereits ab 25 Jahren kontinuierlich. Mit 75 kennt nur noch jeder Zehnte das Drücken im Kopf.

Auch die Migräneattacken nehmen bei den Frauen ab 45 Jahren in allen Regionen kontinuierlich ab. Bei den Männern sinkt die Häufigkeit ebenfalls gleichmäßig in den Regionen ab dem 45. Lebensjahr auf zwei bis vier Prozent.

Etwa 2,3 Prozent der Frauen haben ihre Migräneattacken regelmäßig in Zusammenhang mit ihrer Monatsregel, bei 4,8 Prozent wirkt das hormonelle Auf und Ab des Monatszyklus gelegentlich als Triggerfaktor.

Die Mehrzahl der Migränepatientinnen hat eine bis drei Attacken pro Monat, während ihre männlichen Leidensgenossen häufiger mit weniger als einem Anfall davon kommen. Ausgeglichener ist hingegen das Geschlechterverhältnis beim Spannungskopfschmerz: Hier berichtet die Mehrzahl der Frauen und Männer gleichermaßen, dass die Beschwerden ein bis drei Mal pro Monat auftreten.

Beeinträchtigte Lebensqualität.

Untersucht haben die Forscher auch unter anderem die Lebensqualität der Kopfschmerzpatienten. Diese ist deutlich schlechter als jene der Menschen, die keine Kopfschmerzen haben. „Die Migräne beeinträchtigt etwa das körperliche Wohlbefinden stärker als Spannungskopfschmerzen und die größten Einbußen haben Patientinnen und Patienten, die unter medikamenteninduziertem Kopfschmerz leiden“, stellt Professor Klaus Berger fest.

Ähnlich sind auch die Ergebnisse bei der Erhebung des psychischen Wohlbefindens. Wenn die Forscher die verschiedenen Aspekte der gesundheitsbezogenen Lebensqualität untersuchen, etwa die körperliche und soziale Funktionsfähigkeit, die Vitalität, die allgemeine Gesundheit, den körperlichen Schmerz und das psychische Wohlbefinden, zeigt auch die Analyse bei Patienten, die keine Kopfschmerzen haben, Parallelen zur Lebensqualität der Kopfschmerzpatienten, etwa bei der Vitalität, wobei die Lebensqualität der Kopfschmerzpatienten in allen Dimensionen schlechter ist. Auffallend ist die besonders stark beeinträchtigte Lebensqualität der Probanden mit medikamenteninduziertem Kopfschmerz in allen Dimensionen. „Diese liegt weit unter jener derjenigen der anderen Kopfschmerzprobanden“, sagt Professor Berger und damit in Bereichen wie sie beispielsweise schwer kranke Krebspatienten oder Patienten mit anderen stark limitierenden Erkrankungen angeben.

Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V.
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