Untersuchung der wirtschaftlichen Folgen von Naturkatastrophen

Im Rahmen eines Pressegesprächs präsentierten heute Vormittag Wissenschafter am Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz die Ergebnisse ihrer Studie über extreme Wetterereignisse und deren wirtschaftliche Folgen. Die Forscher zeigten darüber hinaus auf, wie sich besonders gefährdete Branchen schützen können und wo die Politik gefordert ist, unterstützend einzugreifen.

Die Studie ist kürzlich im Springer Verlag erschienen:K. Steininger, C. Steinreiber, C. Ritz (Hrsg.), Extreme Wetterereignisse und ihre wirtschaftlichen Folgen – Anpassung, Auswege und politische Forderungen betroffener Wirtschaftsbranchen, Springer, 2005.

Klimawandel

„Die Sommertemperaturen sind etwa in den letzten 40 Jahren um drei Grad Celsius gestiegen“, berichtete Dr. Ulrich Foelsche vom Institut für Physik der Uni Graz. In der südöstlichen Steiermark sei dieser Klimawandel besonders stark zu spüren, so der Forscher. Naturkatastrophen scheinen sich in den letzten Jahren zu häufen: Hochwasser und Vermurungen 2005, Dürresommer 2003, Hochwasser 2002, Lawinenwinter 1999/2000, Wintersturm Lothar 1999: „Die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse hat sich erhöht und wird es weiter tun“, machte Foelsche deutlich, betonte aber zugleich auch, dass einzelne solcher vergleichsweise seltenen und unregelmäßig auftretenden Ereignisse nicht als Indikator für den Klimawandel gesehen werden können. Untersuchungen anhand von Klimamodellen lassen allerdings befürchten, dass das Wetter vermehrt „verrückt spielen“ wird, sofern es nicht gelingt, die globalen Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Was das im Bezug auf die Niederschlagsmenge in bestimmten Regionen, wie beispielsweise der Südoststeiermark, bedeutet, dazu werden die Forschungen am Wegener Zentrum in den kommenden Jahren wertvolle Erkenntnisse liefern.

Reform des Katastrophenfonds

In Österreich wurde angesichts des Hochwassers vom Sommer 2005 Kritik an der relativ geringen und je nach Bundesland unterschiedlichen (25 bis 50 Prozent) Schadenersatzhöhe durch die öffentliche Hand, sprich den Katastrophenfonds laut. Dr. Franz Prettenthaler, Umweltsystemwissenschafter an der Karl-Franzens-Universität sowie Leiter des Instituts für Technologie- und Regionalpolitik bei Joanneum Research in Graz, plädierte im Bezug auf anstehende Reformen für die Entschädigung aller ÖsterreicherInnen zu gleichen Prozentsätzen, da sie denselben Anteil ihres Einkommens in den Fonds einzahlen. „BürgerInnen aus Bundesländern mit geringerer Landesunterstützung sollten nicht – wie durch die bisher geltende aliquote Auszahlungsregelung – auch noch von Seiten des Bundes benachteiligt werden.“ Weiters forderte Prettenthaler die Gleichbehandlung von versicherten und nichtversicherten Haushalten: “ Die gängige Praxis in allen Ländern außer Wien, Versicherungsleistungen vor der Berechnung der Beihilfe aus dem Katastrophenfonds abzuziehen, sollte eingestellt werden.“

Zugleich riet er dringend zur Kooperation mit den privaten Versicherern, um die Eigenvorsorge zu stärken. „Spezielle Finanzprodukte, so genannte ,Wetterderivate’, könnten klimabedingte Ertragsschwankungen ausgleichen.“ Ein Beispiel: Vermehrter Niederschlag, vor allem im Sommer, bedeutet für den Tourismus eine mittlere Katastrophe, wogegen die Elektrizitätswirtschaft mit ihren Wasserkraftwerken vom vielen Regen profitiert. Hier könnte von Branche zu Branche ein Risikoausgleich geschaffen werden.

Vorsorge-Maßnahmen

Möglichkeiten, wie einzelne Branchen Schäden beziehungsweise deren finanziellen Folgen vorbeugen können, zeigte Ao.Univ.-Prof. Dr. Karl Steininger vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Uni Graz auf. Dass Vorsorge-Maßnahmen dringend notwendig sind, beweisen die österreichischen Erfahrungen, wie beispielsweise das Hochwasser vom August 2002, als die Schadenssumme das Wirtschaftswachstum des gesamten Jahres übertraf.

„Das Ziel ist die Reduktion der Risiken auf ein erträgliches Maß“, so Steininger. „Es braucht ein integriertes Risikomanagement, das Technik, Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft mit einbezieht.“ Die reine Gefahrenabwehr müsse durch eine „moderne Risikokultur“ ersetzt werden. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen unter anderem die Förderung von Forschung und Entwicklung, Gefahrenvoraussage, Frühwarnsysteme und der Ausbau der Vorsorgungsnetze, beispielsweise in der Energie- und Wasserwirtschaft.

Dialog von Wissenschaft und Gesellschaft

Dr. Christoph Ritz, Leiter des Forums der Schweizer Klima- und Global-Change-Forschung ProClim und Mitherausgeber der Studie, unterstrich die Bedeutung der Zusammenarbeit von Bevölkerung, Politik, Wirtschaft und Medien angesichts der drohenden Klimaveränderung. Alle hätten ihren Beitrag zu leisten. „Wird nichts unternommen, so könnten Umweltkatastrophen und die daraus resultierenden Schäden zum Regelfall werden, deren enorme Kosten die Gesellschaft zu tragen hat.“ Ritz forderte neben dem Beitrag jedes und jeder Einzelnen zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen den Dialog der Forschung mit EntscheidungsträgerInnen aus Politik und Wirtschaft, wie diesen ProClim, eine Plattform der Naturwissenschaften in der Schweiz aktiv betreibt.

Kontakt:
Ao.Univ.-Prof. Dr. Karl Steininger
Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel
Universität Graz
Tel. 0316/380-8441/-3451
E-Mail: karl.steininger@uni-graz.at

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Gudrun Pichler idw

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