Studie zur Zukunft der Automobilindustrie in Russland

  • Autoboom: Zahl der Neufahrzeuge in Russland steigt bis 2014 um sechs Prozent pro Jahr
  • Internationale Hersteller profitieren besonders
  • Zahl der ausländischen Zulieferer steigt stark
  • Wirtschaftliche Rahmenbedingungen entscheidend

    Der russische Automobilmarkt wird sich binnen zehn Jahren zu einem der wachstumsstärksten Fahrzeugmärkte der Welt entwickeln. So lautet ein zentrales Ergebnis einer Gemeinschaftsstudie von Roland Berger Strategy Consultants, dem Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft und dem Verband der Automobilindustrie (VDA), an der 55 führende internationale Automobilunternehmen teilnahmen. Der Studie zufolge wird die Zahl der Neufahrzeuge in Russland von 1,3 Millionen im Jahr 2004 auf 2,3 Millionen 2014 steigen. Dies entspricht einem jährlichen Zuwachs von sechs Prozent. Das Wachstum wird vor allem internationalen Herstellern zugute kommen: So klettern die Neuwagen-Importe nach Russland von 300.000 im Jahr 2004 auf 700.000 Fahrzeuge 2014. Die Zahl der in Russland montierten ausländischen Neuwagen springt im gleichen Zeitraum von 100.000 auf 800.000. Auch die internationalen Zulieferer werden von dem Boom profitieren: 43 Prozent planen, ihr Russland-Engagement in den nächsten drei Jahren auszubauen. Wie schnell sich der russische Fahrzeugmarkt dem westlichen Standard nähern wird, hängt entscheidend von den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ab.

    Im Rahmen der Studie wurden im ersten Quartal 2005 55 internationale, auch russische Automobilhersteller und Zulieferer sowie politische Entscheidungsträger in persönlichen Interviews zur künftigen Entwicklung des russischen Automobilsektors befragt.

    Zukunftsmarkt Russland

    Russland zählt nach China zu den wachstumsstärksten Automärkten der Welt. Von 2004 bis 2014 werden dort der Studie zufolge jährlich rund 100.000 Neufahrzeuge mehr zugelassen als im Vorjahr, der Saldo steigt von 1,3 Millionen Neuwagen 2004 auf 2,3 Millionen im Jahr 2014 (sechs Prozent p.a.). Immer mehr Russen steigen auf westliche Automarken um: Decken russische Autobauer derzeit noch 70 Prozent der Nachfrage, werden bis 2014 rund 60 Prozent der Neuwagenkäufe auf internationale Hersteller entfallen. Davon werden 700.000 PKW importiert, 800.000 in Russland montiert. Die Zahl russischer Neuwagen wird dagegen von 900.000 im Jahr 2004 auf 800.000 2014 zurückgehen.

    „Die russische Automobilindustrie steht vor einer umfassenden Transformation“, sagt Jürgen Reers, Partner im Competence Center Automotive bei Roland Berger Strategy Consultants. „Marktstrukturen, Prozesse und nicht zuletzt die Fahrzeuge werden sich westlichen Standards angleichen. Deutsche und internationale Hersteller können davon besonders profitieren, weil die russischen Konsumenten mit steigendem Einkommen auch höhere Ansprüche an Komfort und Sicherheit ihrer Autos stellen. Allerdings gilt: Wer in Russland Erfolg haben will, muss bereits heute marktgerechte Fahrzeugtypen mit attraktiven Preisen entwickeln.“

    Perspektiven für Zulieferer

    Auch die Zulieferunternehmen können von der boomenden Autokonjunktur in Russland profitieren. Derzeit unterhalten die 20 weltgrößten Zulieferer rund 150 Produktionsstandorte in Osteuropa. Erst sechs Unternehmen sind mit insgesamt acht Niederlassungen in Russland vertreten.

    Der Studie zufolge werden die Automobilhersteller ihre Zulieferer künftig stärker an der Wertschöpfung beteiligen. So wird der Anteil der Zulieferfirmen an der Wertschöpfung russischer Fahrzeugbauer von 26 Prozent im Jahr 2004 ansteigen auf 43 Prozent im Jahr 2010. Bei internationalen Herstellern vergrößert sich der ohnehin schon hohe Anteil von 66 Prozent 2004 bis 2010 auf 70 Prozent.

    Hinzu kommt, dass die internationalen Automobilproduzenten ihre Beschaffung bei lokal angesiedelten Zulieferern verdreifachen werden, um die Nachfrage in Russland bedienen zu können. Der Anteil des lokalen Einkaufsvolumens schnellt demzufolge von 12 Prozent 2004 auf 36 Prozent 2014.

    Laut Studie wird die Expansion der internationalen Hersteller in Russland bis 2014 die Entwicklung einer leistungsfähigen Zulieferindustrie nach sich ziehen.

    Modernisierung russischer Automobilfirmen

    Auch für die russischen Hersteller und Zulieferbetriebe eröffnet die Transformation der Branche neue Chancen. Doch müssen sich die heimischen Autobauer und Zulieferer konsequent um Modernisierung ihrer Abläufe und Produkte bemühen. Dabei bieten Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen für die Zulieferer eine exzellente Möglichkeit, um zügig zu internationalen Standards aufzuschließen. 72 Prozent der befragten Firmen glauben, dass westliche Unternehmensbeteiligungen notwendig sind, um die russische Zulieferbranche zu modernisieren. Diese Joint Ventures können beiden Seiten nutzen: Die russischen Zulieferer übernehmen westliche Technologie, werden in effizientere Produktionsprozesse eingebunden und können ein modernes Qualitätsmanagement einführen. Ihre internationalen Partner erhalten Zugang zu russischen Kunden, lokalen Behörden sowie zu bestehenden Marktstrukturen.

    Wie nötig die umfassende Modernisierung des russischen Automobilsektors ist, verdeutlicht die im internationalen Vergleich niedrige Investitionsquote: Während in Deutschland 2002 jedes produzierte Auto Investitionen in Höhe von 2.343 Euro verbuchte, investierten russische Hersteller lediglich 465 Euro pro Fahrzeug. Andere Länder Osteuropas wiesen ebenfalls eine deutlich höhere Investitionsquote auf: die Tschechische Republik kam auf 1.922 Euro je Fahrzeug, Polen auf 1.606 Euro, die Slowakei auf 1.190 Euro. „Während die russischen Hersteller weniger als ein Prozent ihrer Umsätze für Forschung und Entwicklung ausgeben, investieren internationale Hersteller hier fünf oder mehr Prozent ihres Umsatzes“, erläutert Dr. Uwe Kumm, Leiter des Moskauer Büros von Roland Berger Strategy Consultants.

    Schreitet die Modernisierung zügig voran, wird sich Russland der Studie zufolge nicht nur als wachstumsstarker Absatzmarkt, sondern auch als attraktiver Fertigungsstandort etablieren.

    Die russische Politik muss handeln

    Den Anschluss an den Automobilweltmarkt wird Russland jedoch nur finden, wenn die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sich weiter verbessern. Dazu zählen die Teilnehmer der Studie niedrigere Einfuhrzölle auf Komponenten für die Fahrzeug- und Modulmontage. Zudem sollen technische Normen verschärft werden, um die Produktstandards zu heben. Überdies müssen ausländische Investitionen in Russland stärker gefördert werden, etwa durch Investmentagenturen oder Sonderwirtschaftszonen.

    „Die russische Wirtschaftspolitik steht hier in der Pflicht“, sagt Dr. Klaus Mangold, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. „Sie kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Automobilindustrie durch rasches Handeln nachhaltig verbessern. Dadurch würde die gesamte russische Volkswirtschaft gestärkt.“

    Der Studie zufolge würde eine moderne, international wettbewerbsfähige Automobilindustrie in Russland rund 66 Millionen Arbeitsplätze schaffen.

    Media Contact

    Susanne Horstmann presseportal

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