Zahlreiche Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten in der Altenpflege

Wenn Angehörige ihre älteren Familienmitglieder in stationäre Pflege geben, hört man oft die pauschale Aussage, es gäbe in den Heimen nur noch wenig deutsches Personal. Doch stimmt dieser Eindruck eigentlich? Und wenn ja: Was bedeutet dies für die Altenpflege? Das Projekt „MigA – Migrant/inn/en in der Altenpflege – Bestandsaufnahme, Personalgewinnung und Qualifizierungen in NRW“, durchgeführt vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE), Bonn, untersucht diese Fragen seit Ende 2004 im Auftrag des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen.

Die ersten Ergebnisse einer Befragung der Leitungen von 100 Altenpflegeeinrichtungen liegen nun vor und zeigen, dass rund 28% der Pflegemitarbeiter/innen einen Migrationshintergrund haben. Das sind bei den 75.000 Pflegekräften in NRW, die vom statistischen Bundesamt ausgewiesen werden, immerhin mehr als 20.000 Menschen. Dabei sind die Beschäftigten der hauswirtschaftlichen und reinigenden Dienste nicht berücksichtigt.

Die Pflegeeinrichtungen haben bereits in den 70er Jahren und verstärkt mit den Grenzöffnungen ab 1989 viele Migrant/inn/en eingestellt. Am häufigsten kommen die Pflegekräfte mit Migrationshintergrund heute aus Polen, Russland bzw. den Nachfolgestaaten der UdSSR und dem ehemaligen Jugoslawien. Mehr als 50% sind Aussiedler/innen. Fragt man nach der Integration dieser Menschen ins Pflegeteam, so wird mehrheitlich sehr positiv geantwortet. Wahrscheinlich verbirgt sich in der Altenpflege eine Erfolgsgeschichte gelungener Integration, sind doch die meisten Mitarbeiter schon seit 4-6 Jahren in den Betrieben beschäftigt und verfügen zu 48% über eine dreijährige Pflegeausbildung. Erfreulich ist auch der Sachverhalt, dass immer mehr Zuwanderer und Zuwanderinnen der zweiten Generation den Pflegeberuf ergreifen, denn in Zukunft werden auch mehr ältere Migrant/inn/en Unterstützung benötigen.

Doch die Bestandsaufnahme zeigt auch drängende Probleme auf, die sich auf die Qualität der Pflege auswirken können. An erster Stelle: die fehlenden Deutschkenntnisse. Fähigkeiten im schriftlichen Ausdruck werden gerade einmal mit der Note ausreichend bewertet, was eine gute Dokumentation einschränkt. Mündlich werden die Kenntnisse mit befriedend eingeschätzt, was aber nicht viel ist, wenn man die zentrale Bedeutung der Kommunikation in der Altenpflege bedenkt. Im Hintergrund existieren tiefer gehende Probleme im Bereich des so genannten Pflege- und Kulturverständnisses. Fragt man nach den beruflichen Stärken der Pflegekräfte mit Migrationshintergrund, wird von den Einrichtungsleitungen in erster Linie die hohe Lern- und Einsatzbereitschaft genannt. Schwächen werden bei der Sprache und danach bei der Kenntnis deutscher Geschichte und Kultur gesehen. Mitarbeiter/innen mit Migrationhintergrund, so heißt es, sind häufiger an den körpernahen und medizinischen Pflegeaufgaben orientiert, weniger an der fördernde Pflege und Betreuung.

Diese ersten Ergebnisse bestätigen sich in den zurzeit laufenden Interviews mit deutschen Pflegedienstleitungen und Pflegekräften, die selbst einen Migrationshintergrund haben. Nur kann man Pflegemitarbeiter/inne/n, die in einem anderen Land aufgewachsenen sind oder deren Muttersprache nicht deutsch war, ihre fehlenden Kenntnisse nicht vorwerfen. Begleitende Fortbildungsangebote, z. B. zur kultursensiblen Pflege oder Deutsch am Arbeitsplatz, gab es bisher wenig. Gleichzeitig mussten sich die Mitarbeiter/innen in einem sehr schwierigen Arbeitsfeld zurechtfinden, in dem die Gefahr eines Burn-out immer noch sehr groß ist. Im Rahmen des Projektes MigA will das DIE daher geeignete Qualifizierungskonzepte entwickeln und in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern aus der Altenhilfe und Pflege bzw. ihrer Spitzenverbände erproben.

Informationen:

Dr. Jens Friebe
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Programm „Lehre in der Weiterbildung“
Friedrich-Ebert-Allee 38
D 53113 Bonn
T +49 (0)228 3294-330
F +49 (0)228 3294-4330
friebe@die-bonn.de

Media Contact

Marianne Massing idw

Weitere Informationen:

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