Dringender Handlungsbedarf in der Gesundheitsvorsorge

Expertenstudie: Allein bei Diabetes sind Kostensenkungen von bis zu 27 Milliarden Euro pro Jahr möglich / Schlechte Koordination und unzureichende gesetzliche Rahmenbedingungen verhindern erfolgreiche Prävention in Deutschland

Gesundheitsvorsorge wird in Deutschland nur mangelhaft umgesetzt. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Felix Burda Stiftung und der internationalen Management- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton, an der mehr als 40 führende Präventionsexperten in Deutschland mitgewirkt haben. Schlechte Beurteilungen geben die Experten vor allem der Vorsorge bei Krebs (Darm, Prostata, Haut und Brust) sowie der allgemeinen Gesundheitsförderung – die übergreifende Schulnote lautet hierbei im Vergleich zu anderen Industrieländern „mangelhaft“. Lediglich die Schwangerschaftsvorsorge und die Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter werden im internationalen Vergleich als „gut“ bis „sehr gut“ bewertet.

Die Studie zeigt am Beispiel Diabetes mellitus Typ 2 (Zuckerkrankheit) eindrucksvoll das Verhältnis zwischen Kostenexplosion und mangelhafter Prävention. So belaufen sich die Kosten für die Behandlung der Zuckerkrankheit und dadurch ausgelöste Folgeleiden in Deutschland jährlich auf 30 Milliarden Euro. Laut Studie werden die Behandlungskosten für diese Volkskrankheit in Deutschland innerhalb der nächsten 15 Jahre explodieren und sich die Anzahl der Erkrankten bis 2020 von derzeit rund 6 Millionen auf 10 bis 11 Millionen fast verdoppeln. Eine gesunde Lebensweise reduziert nachweislich die Anzahl der jährlichen Diabetesneuerkrankungen in der Normalbevölkerung um 3 Prozent – konservativ gerechnet. Bei jährlich rund 250.000 Neuerkrankungen und durchschnittlichen Behandlungskosten von 5.000 Euro pro Patient, können pro Jahr kurzfristig rund 40 Millionen Euro Ausgaben vermieden werden. Fachexperten gehen sogar davon aus, dass langfristig bis zu 90 Prozent aller Diabetesfälle durch einfache präventive Maßnahmen wie gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung vermieden werden könnten. Allein in Deutschland ist dadurch ein Einsparungspotenzial von 27 Milliarden Euro pro Jahr realisierbar.

Großer Handlungsbedarf besteht ebenfalls bei der Krebsvorsorge, obwohl auch hier ausreichend gesicherte medizinische Daten für den Erfolg von Prävention vorliegen. Am Beispiel Darmkrebsvorsorge zeigt sich das Potenzial: Bei rechtzeitiger Früherkennung könnte die Sterblichkeit dieser Erkrankung um mehr als 90 Prozent gesenkt werden. Jährlich erkranken in Deutschland rund 66.000 Menschen an Darmkrebs. Wie die Studie zeigt, sind die wirtschaftlichen Konsequenzen einer guten Prävention enorm: Im Frühstadium kostet eine Behandlung pro Patient rund 36.000 Euro bei sehr guten Heilungschancen. Im fortgeschrittenen Stadium müssen für eine Behandlung etwa 200.000 Euro angesetzt werden, wobei von geringen Erfolgsaussichten ausgegangen werden muss. Dieser Effekt wird bei anderen Krebsvorsorgeuntersuchungen ähnlich hoch eingeschätzt – würden sie in Deutschland effektiver und effizienter laufen.

Als Hauptursachen für die mangelnde Prävention in Deutschland identifiziert die Studie eine schlechte Koordination bestehender Programme und Akteure, die unzureichenden gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen sowie das Fehlen einer allgemeinen „Präventionskultur“. Bei den genannten Punkten wird der Handlungsbedarf als „dringend“ eingeschätzt. Die Studie fordert von der Politik, Prävention in Deutschland durchgängig in allen Bereichen der Gesellschaft zu verankern. Gesundheitsvorsorge darf nicht als alleinige Aufgabe der Krankenkassen verstanden werden, sondern sollte alle Bereiche des Lebens einbeziehen. „Bildung und Medien müssen den Präventionsgedanken in stärkerem Maße fördern. Zudem sollten Datenschutz, Lebensmittelrecht und Steuergesetzgebung eine effektive Prävention unterstützen“, so Dr. René Perillieux von Booz Allen Hamilton. Messinstrumente zur Erfolgsevaluation müssen implementiert und konkrete Maßnahmenkataloge aufgesetzt werden.

Die Studie zeigt auf, wie wichtig eine Belohnung der Bürger für die Inanspruchnahme von Präventionsmaßnahmen und die zielgruppenspezifische Konzeption der Programme ist. Außerdem sollten Ärzte im Hinblick auf Gesundheitsvorsorge besser ausgebildet werden. „Dass Präventionsinitiativen erfolgreich von den Bürgern angenommen werden, hat die Verbesserung der Darmkrebsvorsorge in Deutschland gezeigt“, so Dr. Christa Maar, Vorsitzende der Felix Burda Stiftung. Geplante nächste Schritte beinhalten die Zusammenarbeit mit einer weiteren führenden Stiftung sowie die Diskussion verschiedener Koordinierungs- und „Governance“-Modelle durch ein zusätzliches Expertenforum. Diese Ergebnisse werden im Herbst veröffentlicht.

Die von Booz Allen Hamilton pro-bono realisierte Studie basiert auf einer ausführlichen Bestandsaufnahme und Bewertung von Prävention und Gesundheitsvorsorge in Deutschland. Erstmalig haben über 40 führende Vertreter aus den Bereichen Medizin, Präventionsforschung, Krankenkassen und Gesundheitspolitik gemeinsam mit den Initiatoren Felix Burda Stiftung und Booz Allen Hamilton die Gesundheitsvorsorge in Deutschland analysiert.

Mit rund 16.600 Mitarbeitern und Büros auf sechs Kontinenten zählt Booz Allen Hamilton zu den weltweit führenden Management- und Technologieberatungen. Das Unternehmen befindet sich im Besitz seiner 250 aktiven Partner. Sechs Büros sind im deutschsprachigen Raum: Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, München, Wien und Zürich. Im vergangenen Geschäftsjahr belief sich der Umsatz weltweit auf 3,3 Mrd. US$, im deutschsprachigen Raum auf 190 Mio. Euro.

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Sabine Reihle presseportal

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