Studie: Neue Therapie bei akuter Hepatitis-C-Infektion

Wissenschaftler tauschen Ergebnisse auf Symposium aus – Modellregion Nord des Kompetenznetz Hepatitis (Hep-Net) stellt sich vor


Mehr als 300 Experten aus ganz Europa treffen sich am 3. und 4. Juni 2005 beim zweiten Jahressymposium des Kompetenznetz Hepatitis (Hep-Net) in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Ärztinnen und Ärzte aus Kliniken und Praxen sowie Selbsthilfegruppen werden sich über neue Therapien und Ergebnisse aus der Grundlagen-Forschung austauschen. Kongress-Highlights sind eine neue Therapie bei akuter Hepatitis-C-Infektion und die Rolle des Immunsystems bei Leberentzündungen. Zudem stellt sich die Hep-Net-Modellregion Nord vor.

Studie: Neue Therapie bei akuter Hepatitis-C-Infektion

Auf dem Symposium werden Privatdozent Dr. Heiner Wedemeyer, MHH, und Dr. Johannes Wiegand, Universitätsklinikum Leipzig, die Studienergebnisse zu einer neuen Therapie bei akuter Hepatitis C vorstellen. „Aus einer vorangegangenen Untersuchung wissen wir, dass eine Behandlung mit dem Immun-Botenstoff Interferon-alfa-2b bei 98 Prozent der Patienten das Virus auslöscht. Jetzt wollten wir erfahren, ob ein abgewandelter Wirkstoff, das so genannte pegylierte Interferon, ebenfalls hilft – die Substanz wird bereits erfolgreich bei chronischen Infektionen eingesetzt“, sagt Professor Dr. Michael P. Manns, Direktor der MHH-Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie und Sprecher des Hep-Net.

89 Patienten aus 53 verschiedenen deutschen Zentren erhielten 24 Wochen lang das pegylierte Interferon. Am Ende der Therapie war das Virus bei 94 Prozent nicht mehr nachweisbar, nach weiteren 24 Wochen lag die Zahl bei immerhin noch 89 Prozent. „Dies zeigt, dass die Therapie mit dem pegylierten Interferon auch bei der akuten Infektion sinnvoll ist“, sagt Dr. Wedemeyer. Deutlicher Vorteil: der neue Wirkstoff muss nur einmal pro Woche unter die Haut gespritzt werden und nicht wie Interferon-alfa-2b dreimal. „Mit dieser Studie sind wir weltweit führend in der Hepatitisforschung“, sagt Professor Manns.

Nach wie vor diskutieren die Experten eine frühzeitige Therapie der Hepatitis-C-Infektion. „Weil eine akute Infektion bei mindestens der Hälfte der Patienten zu einer chronischen Infektion wird, plädieren wir für eine frühe Therapie“, sagt Dr. Wedemeyer. Allerdings können Ärzte die akute Infektion nicht immer erkennen, weil die Symptome oft nicht sehr ausgeprägt sind. Und aus der Behandlung der chronischen Infektion weiß man, dass nur die Hälfte der Patienten von einer Gabe des pegylierten Interferon profitieren. „Unser Ziel ist es deshalb, die Erkrankung so früh wie möglich zu erkennen, um eine Chronifizierung zu vermeiden. Dieses Ziel möchten wir auch in der neu gegründeten Modellregion Nord verfolgen“, sagt Dr. Wedemeyer.

Wie reagiert das Immunsystem auf die Virusinfektion?

Ein zweiter Schwerpunkt des Jahressymposiums: der Zusammenhang zwischen Virusinfektion und Immunsystem. Unter anderen wird Professor Dr. Jörg Reimann, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Immunologie der Universität Ulm, ein Mausmodell zur Hepatitis B vorstellen. „Damit können wir besser verstehen, wie Virus und Immunsystem in Wechselwirkung treten und welche Mechanismen bei der Erkrankung eine Rolle spielen. Dies ist auch wichtig, um Ansätze für neue Therapien zu finden“, sagt Privatdozent Dr. Heiner Wedemeyer.

Und der Arbeitsgruppe um Privatdozent Dr. Helmut Diepolder, Medizinische Klinik und Poliklinik II der Universität München, gelang der direkte Nachweis Virus-spezifischer Helferzellen der Körperabwehr. „Hiermit ist es nun erstmals möglich, diese Zellen bei Hepatitis-C-Patienten genauer zu untersuchen. Damit erhalten wir wichtige Erkenntnisse, um neue Impfstoffe zu entwickeln“, sagt Dr. Wedemeyer.

Modellregion Nord startet

Während des Hep-Net-Jahressymposiums stellt sich auch die neu gegründete Modellregion Nord vor. Sie nahm bereits am 1. Februar 2005 ihre Arbeit auf, ist die fünfte Modellregion des Hep-Net und umfasst die Bundesländer Niedersachsen, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Teile Brandenburgs. „Ziel der Modellregion ist es, Patienten mit chronischer Virushepatitis schneller zu identifizieren und die Versorgung von Hepatitispatienten sowie deren Lebensqualität zu erforschen und zu verbessern“, sagt Privatdozent Dr. Thomas Berg von der Charité in Berlin. Die Koordinatoren möchten auch neue Versorgungskonzepte für Problempatienten mit Koinfektionen oder einer Suchterkrankung etablieren.

„Jeder niedergelassene Arzt kann Mitglied im Hep-Net werden, über einen verschlüsselten Internetzugang die Daten zu seinen Patienten eingeben und zugleich von den Therapierichtlinien und Studien profitieren. Allen Patienten sichern wir eine Pseudonymisierung ihrer Krankheitsdaten, der Blut- und Gewebeproben zu – nur der behandelnde Arzt vor Ort kann mit Hilfe eines Patientenpasses auf die vollständigen Daten zugreifen“, sagt Dr. Berg. „Die Patienten haben die Gewähr, dass sie bei einer Teilnahme nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt werden.“

Dass die Arbeit besonders wichtig ist, zeigen Schätzungen des Robert-Koch-Institutes in Berlin: In der Modellregion Nord sind etwa 150.000 bis 200.000 Patienten chronisch mit Hepatitis B oder C infiziert. „Zugleich werden wahrscheinlich nur zehn Prozent der Betroffenen adäquat behandelt und nach einer Hep-Net-Umfrage haben nur 42 Prozent der Menschen in Deutschland schon einmal etwas von Hepatitis C gehört“, sagt Professor Manns.

Zum Hep-Net

Neue Therapien gegen Hepatitis B und C zu entwickeln sowie Ärzte und Patienten über die Krankheiten und deren aktuelle Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären – seit der Gründung des Hep-Net im Jahr 2002 beteiligen sich 24 Universitätskliniken, die Deutsche Leberhilfe e.V., rund 1.000 Ärztinnen und Ärzte, Apotheker und Selbsthilfegruppen an dieser Aufgabe. Von insgesamt rund 50 bundesweiten Projekten widmen sich 28 der Grundlagenforschung. Klinische Studien mit neuen Therapien bei Hepatitis B und C laufen im Hep-Net-„Study House“; bislang wurden dort mehr als 2.000 Patientinnen und Patienten behandelt. Weil Ärzte aus Praxen und nicht-universitären Kliniken in zahlreichen Forschungsprojekten mit in das Netzwerk integriert sind, befassen sich die Forscher auch mit drängenden Fragen aus dem klinischen Alltag.

Für Ärzte und Patienten: Fragen zur Virushepatitis beantworten die Experten des Hep-Net in einer Telefonsprechstunde unter Telefon: 01805 – 45 00 60 (12 Cent pro Minute), Montag bis Donnerstag, jeweils 14 bis 16 Uhr.

Für Journalisten: Fragen beantworten Ihnen gerne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hep-Net unter Telefon: (0511) 532-6819, hep-net@mh-hannover.de.

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Dr. Arnd Schweitzer idw

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