Zukunftssorgen drücken Stimmung im Land

McKinsey-Umfrage Perspektive-Deutschland: Traditionell hohe Zufriedenheit geht zurück – Weniger Pessimismus im Osten – München und Stuttgart die beliebtesten Städte

Die wachsende Sorge um den Arbeitsplatz löst bei den Deutschen starke Zukunftsängste aus. Nicht einmal jeder dritte Bürger (28 Prozent) glaubt heute, dass man in fünf bis zehn Jahren noch gut in der Bundesrepublik leben kann. Die traditionell hohe Zufriedenheit mit dem Leben in Deutschland geht spürbar zurück: 2003 waren 65 Prozent der Bürger zufrieden, jetzt sind es 60 Prozent. Fast jeder zweite Deutsche (42 Prozent) sorgt sich um den Job – 2003 waren es erst 35 Prozent. Mehr als die Hälfte der Bürger (60 Prozent) rechnet damit, dass sich ihre persönliche finanzielle Situation verschlechtert, so die Ergebnisse der aktuellen McKinsey-Umfrage Perspektive-Deutschland, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Hauptgrund für diese Entwicklung ist die schlechte Situation am Arbeitsmarkt.

Nicht nur in Deutschland, sondern auch am Wohnort fühlen sich die Menschen weniger wohl, besonders im Westen. 2003 waren dort 76 Prozent mit ihrem direkten Lebensumfeld zufrieden, jetzt 72 Prozent. München und Stuttgart sind nach wie vor die beliebtesten Städte Deutschlands. Auch die attraktivsten Regionen liegen im Süden des Landes. Stark im Kommen: Leipzig. Die Sachsen-Metropole rangiert in puncto Zukunftserwartung unter den 15 größten Städten auf Platz vier.

Perspektive-Deutschland ist die weltweit größte gesellschaftspolitische Online-Umfrage. Initiatoren sind neben der Unternehmensberatung McKinsey & Company das Magazin stern, das ZDF sowie das Internet-Unternehmen AOL. An der vierten Auflage der Umfrage haben sich von Mitte September 2004 bis Anfang Januar 2005 mehr als 500.000 Menschen beteiligt.

„Die Zufriedenheit mit dem Leben in Deutschland sinkt und die Sorgen der Deutschen nehmen zu“, sagt der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Schirmherr der Initiative. „Viele Bürger fürchten, dass die Zahl der Arbeitslosen eher zu- als abnimmt. Die Schaffung von Arbeitsplätzen hat oberste Priorität. Daran sollte sich die Politik orientieren.“

Anzeichen für einen „erfreulichen Wandel“ sieht Weizsäcker allerdings in der leicht sinkenden Skepsis gegenüber Parteien und öffentlichen Einrichtungen. Tatsächlich ging das Misstrauen gegenüber Parteien von 68 Prozent in 2003 auf 59 Prozent in 2004 zurück. Auch anderen Institutionen schenken die Bürger wieder mehr Vertrauen, etwa dem Bundestag oder den Kirchen. Jeder zweite Bürger (51 Prozent) ist inzwischen sogar der Ansicht, die Reformfähigkeit der Politik werde in den nächsten Jahren eher zunehmen. Im Vorjahr hatten dies nur 28 Prozent erwartet. Am meisten Vertrauen genießen aber nach wie vor Hilfs- und Umweltorganisationen wie der ADAC, Caritas, Diakonisches Werk, das Deutsche Rote Kreuz und Greenpeace.

Opferbereitschaft nimmt zu

„Die Bürger honorieren, dass die politisch Verantwortlichen die Probleme deutlicher als bisher beim Namen nennen, sie anpacken und ihnen dabei – wenn nötig – auch Opfer abverlangen“, so von Weizsäcker. Allerdings sei die Opferbereitschaft noch nicht so ausgeprägt, wie das die Verschärfung auf dem Arbeitsmarkt verlange. Nach Angaben von Perspektive-Deutschland zeigt rund ein Drittel der Bevölkerung kaum oder gar keine Bereitschaft zu persönlichen Opfern, um den eigenen Arbeitslatz zu sichern oder damit neue Jobs entstehen. Jeder Dritte ist gegen unbezahlte Mehrarbeit, Verzicht auf Urlaubstage, längere Pendelzeiten oder längere Abwesenheit vom Wohnort. Fast jeder Zweite (47 Prozent) lehnt einen Gehaltsverzicht von 10 Prozent ab, selbst wenn er damit seinen gefährdeten Arbeitsplatz für die kommenden drei Jahre sichern könnte.

Die Opferbereitschaft von Arbeitslosen ist dabei keineswegs ausgeprägter als bei Berufstätigen – teilweise sogar geringer. Nur am Wochenende zu Hause zu sein, wäre nicht einmal für die Hälfte der Arbeitslosen eine Alternative, um einen Job zu bekommen. Selbst zwei Stunden pro Tag zu pendeln, lehnen 37 Prozent kategorisch ab.

Der Arbeitsmarkt ist derzeit das zentrale Thema der Deutschen. Drei von vier Bürgern sehen „besonders hohen Handlungsbedarf“. Am zweitwichtigsten ist das Thema Bildung vor Steuern und Gesundheit.

Stimmungsumschwung in den neuen Bundesländern

Die Zufriedenheit der Menschen im Osten mit ihrem Wohnort stieg von 41 Prozent in 2003 auf jetzt 52 Prozent. Dieser Wert liegt damit erstmals höher als die Zufriedenheit mit dem Leben in Deutschland. Anders der Westen: Dort nimmt die Zufriedenheit sowohl mit dem Leben (minus 5 Prozentpunke) im Land als auch mit dem Wohnort ab (minus 4 Prozentpunkte). Der spürbare Stimmungsumschwung im Osten, wo die Menschen ihre Lebensverhältnisse deutlich besser einschätzen als noch vor einem Jahr, ist für von Weizsäcker „ein erfreuliches Signal“.

Aufsteigerregionen liegen vor allem in Ostdeutschland

Die zufriedensten Deutschen leben in Bayern und Baden-Württemberg. Stuttgart und München sind die lebenswertesten unter den 15 größten deutschen Städten, gefolgt von Hamburg, Hannover und Köln. Eine Kategorie darunter, in den so genannten Agglomerationsräumen mit Städten über 300.000 Einwohnern oder dem Umland von Großstädten, führen der Mittlere Oberrhein sowie der Raum Ebersberg/Erding/Freising bei München. Bei den verstädterten Regionen liegt der Bayerische Untermain und der südliche Oberrhein vorn. In den ländlichen Räumen dominiert der Süden Bayerns mit Südostoberbayern vor dem Allgäu.

Die unteren Ränge in den vier Kategorien, die insgesamt 117 Regionen umfassen, belegen erneut vorwiegend ostdeutsche Städte und Gebiete. Erstmals ist dort auch der Westen präsent – mit Oberfranken Ost, Westpfalz, Duisburg und der Region Bremerhaven.

Allerdings: Die zehn Regionen, in denen sich die Zufriedenheit der Menschen mit ihrem Wohnort am stärksten verbessert hat, befinden sich ausschließlich in Ostdeutschland – angeführt von Uckermark-Barnim, Dessau und Vorpommern. Genau umgekehrt verhält es sich bei den zehn Regionen, die den größten Rückgang bei der Zufriedenheit mit dem Leben vor Ort verbuchen – sie liegen alle in Westdeutschland. Der größte Verlierer ist Oberpfalz Nord, gefolgt von Rheinhessen-Nahe und der Westpfalz.

Gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessern konnten sich vor allem Dresden und Leipzig. Dort geben mittlerweile zwei von drei Bürgern an, dass man in ihrer Stadt gut oder sogar sehr gut leben kann.

Was macht die Spitzenregionen erfolgreich?

Den wirtschaftlichen Erfolg von Regionen machen vor allem starke Führungspersönlichkeiten in Politik, Wirtschaft und Verwaltung aus – und deren reibungsloses Zusammenspiel. Diese lokale Vernetzung ist nach Ansicht der Befragten die wichtigste Voraussetzung für mehr Investitionen und ein gutes regionales Gründerklima, was wiederum die erwartete Zufriedenheit der Menschen in ihrer Region positiv beeinflusst. Größtes Hemmnis bei Investitionen und Arbeitsplatzwachstum ist nach Ansicht der befragten Selbständigen, Freiberufler und leitenden Angestellten eine ineffiziente Verwaltung.

Zweite Priorität hat eine klare Regionalstrategie, die auf einen erkennbaren Strukturwandel abzielt. Auch die Anbindung an andere Regionen und Städte ist wichtig, so Perspektive-Deutschland.

Erfolgreiche Regionen zeichnen sich ferner aus durch ein attraktives Bildungs- und Kinderbetreuungsangebot. Jeder zweite Bundesbürger wünscht sich mehr Ganztagsschulen, Ganztagskindergärten und Krippen. Zwei Drittel (67 Prozent) halten eine Verbesserung des Freizeitangebots für Jugendliche für dringend geboten.

„Die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes hängt von erfolgreichen Regionen ab. Es liegt im Interesse aller, die leistungsfähigsten gezielt zu entwickeln und auszubauen“, sagte Jürgen Kluge, Deutschland-Chef von McKinsey. „Leipzig zum Beispiel zeigt, dass man mit einer starken Führungsfigur, einer guten lokalen Vernetzung und einer Verwaltung, die zügig auf die Anliegen der Unternehmer reagiert, ein positives Klima für wirtschaftlichen Aufschwung erreichen kann.“

Media Contact

Rolf Antrecht presseportal

Weitere Informationen:

http://www.mckinsey.com

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