Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter: Misstrauen schadet der Arbeitsmotivation

„Jeder tut nur soviel, wie er unbedingt muss“, lautet eine zentrale wirtschaftswissenschaftliche Theorie. Eine aktuelle Studie der Universität Bonn belegt jedoch das genaue Gegenteil: Die meisten Menschen tun mehr, als sie müssten – es sei denn, sie werden bei ihrer Arbeit kontrolliert. Dann gehen Motivation und Leistung in den Keller.

Der „Homo oeconomicus“ ist stinkefaul: Er lässt die Arbeit einfach liegen, wenn er dadurch keine Unannehmlichkeiten oder finanziellen Einbußen befürchten muss. Vorgesetzte sollten ihren Mitarbeitern darum tunlichst auf die Finger schauen, wenn sie Resultate sehen wollen. So weiß es zumindest eine zentrale Theorie in den Wirtschaftswissenschaften.

Die Praxis sieht jedoch anders aus – und zwar völlig, wenn man einer aktuellen Studie Glauben schenken darf: Darin kommt die Arbeitsgruppe um den Bonner Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Armin Falk zu dem Schluss, dass Kontrolle verheerende Auswirkungen auf Motivation und Leistung haben kann.

Falk ist Professor an der Universität Bonn und Forschungsdirektor am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA); die WirtschaftsWoche zählt ihn zu den einflussreichsten Nachwuchsökonomen Deutschlands. Er hat zusammen mit seinem Kollegen Dr. Michael Kosfeld von der Universität Zürich in einem einfachen Experiment untersucht, wie Menschen auf Kontrolle reagieren. An dem Versuch nahmen 144 Schweizer Studenten teil. Die Forscher bestimmten nun Spielpaarungen aus je zwei Teilnehmern, einem „Mitarbeiter“ und einem „Vorgesetzten“. Der Mitarbeiter bekam zu Spielbeginn 120 Punkte auf einem virtuellen Konto gutgeschrieben, der Chef musste mit 0 Punkten Vorlieb nehmen.

Der Mitarbeiter konnte nun einen Teil seiner Punkte investieren – dieser Betrag entsprach gewissermaßen seinem Arbeitseinsatz. Der Chef bekam das doppelte Mitarbeiter-Investment als „Arbeits-Erlös“ gutgeschrieben. Zuvor konnte er aber entscheiden, ob er dem Mitarbeiter bei seiner Entscheidung völlig freie Hand lassen wollte oder ob er ihm einen Mindest-Arbeitseinsatz von 10 Punkten „diktieren“ wollte, um nicht Gefahr zu laufen, ganz leer auszugehen. Danach wurde der Kontostand in harter Währung ausbezahlt; pro Punkt erhielten die Teilnehmer 20 Rappen.

Der eigennützige „Homo oeconomicus“ sollte nach der gängigen Theorie immer das Minimum bezahlen – also 0 Punkte, wenn der „Chef“ ihm freie Hand ließ, andernfalls den Mindest-Einsatz von 10 Punkten. Der Chef sollte also in jedem Fall besser fahren, wenn er seinen Mitarbeiter kontrolliert. „Erstaunlicherweise sanken aber die Beträge, die die Mitarbeiter investierten, sobald der Vorgesetzte Kontrolle ausübte“, erklärt Professor Falk. Und zwar ganz erheblich: Nur 32 Prozent aller Teilnehmer gaben 10 Punkte oder weniger, wenn sie nicht kontrolliert wurden. Wenn der Chef aber 10 Punkte als Mindestsumme festlegte, gaben mehr als die Hälfte exakt diesen Mindestbetrag. Im Durchschnitt gaben die „kontrollierten“ Mitarbeiter nur 17,5 Punkte. Hatten sie freie Wahl, lag dieser Betrag um ein Drittel höher, obwohl jeder Punkt sie bares Geld kostete.

Misstrauen wird bestraft

„Nach dem Spiel gaben viele Teilnehmer an, sie hätten die Festlegung des Mindestbetrags durch ihren Chef als Misstrauen interpretiert“, erklärt Professor Falk weiter. „Und wieso soll ich für jemandem mehr Einsatz zeigen als ich unbedingt muss, wenn man mir nicht traut?“ Umgekehrt gaben die „Kontroll-Chefs“ zu, sie hätten den Mindestbetrag aus Furcht festgelegt, sonst leer auszugehen. „Das Spiel zeigt Züge einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung“, resümiert Falk: „Wer der Leistung seiner Mitarbeiter misstraut, den bestrafen sie tatsächlich mit schlechten Leistungen; wer optimistisch ist und ihnen freie Hand lässt, wird dagegen belohnt.“

Bei starken Kontrollmöglichkeiten kann die Arbeitsleistung übrigens wieder steigen – auch das zeigte die Studie: Wenn der Chef beispielsweise die Mindestsumme auf 20 festlegte, erhielt er im Schnitt genauso viele Punkte, wie wenn er dem Mitarbeiter völlig freie Hand ließ. „Wenn schon Kontrolle, dann richtig“, schließt Professor Falk, „sonst überwiegen die negativen Effekte.“

Wie realitätsnah die Spielergebnisse sind, zeigt eine Beobachtung von David Packard, Mitgründer der Computerfirma HP. In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts arbeitete Packard für den US-Konzern General Electric. Dort wurden Werkzeuge und Ersatzteile gut bewacht, aus Furcht, die Mitarbeiter könnten etwas stehlen. Über den Erfolg schreibt Packard in seinen Memoiren: „Angesichts dieses offenen Misstrauens legten es viele Mitarbeiter darauf an zu zeigen, dass es berechtigt war: Sie stahlen Werkzeuge und Ersatzteile, wann immer sie konnten.“

Der Originalartikel findet sich im Internet unter ftp://ftp.iza.org/dps/dp1203.pdf

Kontakt:
Professor Dr. Armin Falk
Universität Bonn / Institut zur Zukunft der Arbeit
Telefon: 0228/3894-112
E-Mail: Falk@iza.org

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Frank Luerweg idw

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