Weniger aggressives Verhalten, mehr sozial-emotionale Kompetenz

Studie weist Effektivität des Heidelberger Gewaltpräventions-Programms „Faustlos“ im Kindergarten nach

Der Umgang mit der eigenen Aggression kann erlernt werden: Das Curriculum „Faustlos“, ein Lernprogramm für Kindergarten-Kinder zur Gewaltprävention, stärkt die Fähigkeiten der Kinder, Probleme und Ängste emotional zu bewältigen, und beugt aggressivem Verhalten im Kindergarten vor.

Zu diesem Ergebnis kommt die erste Evaluationsstudie in Deutschland, die den Einsatz von „Faustlos“ im Kindergarten untersucht. Sie wurde von der Landesstiftung Baden-Württemberg unterstützt und am 7. Dezember 2004 bei einer Pressekonferenz in Mannheim vorgestellt. Die positiven Verhaltensänderungen, die im Kindergarten nach sechs Monaten beobachtet werden, haben allerdings (noch) keine Auswirkungen auf das Verhalten in der Familie. Hierfür bedarf es weiterer Übung und Festigung der erlernten Kompetenzen sowie der Einbeziehung der Eltern in das Programm.

„Insgesamt wurde das Programm von allen Beteiligten positiv bewertet, sowohl von den Kindern als auch den Eltern,“ erklärte Professor Cierpka bei der Pressekonferenz. Vor allem die Erzieherinnen hätten angegeben, auch persönlich von dem Programm profitiert zu haben, und sprachen sich für eine Intensivierung der spielerischen Inhalte sowie eine Fortführung des Programms aus.

Das Heidelberger sozial-emotionale Curriculum „Faustlos“ (www.faustlos.de) wurde nach dem Vorbild des amerikanischen Programms „Second Step“ von der Abteilung Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie des Universitätsklinikums Heidelberg unter Leitung von Professor Dr. Manfred Cierpka entwickelt. In 28 Lektionen werden emotionale und soziale Kompetenzen spielerisch vermittelt. „Faustlos“ wird mittlerweile in rund 600 Kindergärten im ganzen Bundesgebiet praktiziert. Zu einer zweiten Version für Grundschüler mit 51 Lektionen liegen bereits positive Testergebnisse vor, die seine Effektivität belegen.

Evaluationsstudie in 14 Kindergärten im Rhein-Neckar-Raum

An der Evaluationsstudie im Kindergartenalter nahmen 14 Kindergärten in Mannheim, Heidelberg und Umgebung teil. In sieben Kindergärten wurde „Faustlos“ für 12 Monate eingesetzt. Ihre Ergebnisse wurden mit denen der restlichen sieben Kindergärten verglichen, die kein „Faustlos“ einsetzten. Ingesamt nahmen 124 Kinder und ihre Eltern sowie die Erzieherinnen an der Studie teil. Die Erzieherinnen wurden für die Befragung der Kinder geschult.

Vor Beginn der Lektionen wurden die Fähigkeiten aller Kinder untersucht, mit Problemen und Ärger umzugehen. Dafür wurden spezielle Interviews durchgeführt, z.B. wurden sie aufgefordert, Geschichten zu Ende zu erzählen. Auch die Eltern und Erzieherinnen wurden gebeten, Verhalten und Fähigkeiten der Kinder zu beschreiben; zusätzlich wurden soziodemographische Daten der Familien erhoben. Nach Abschluss der Lektionen fanden erneut Tests und Befragungen statt sowie Verhaltensbeobachtungen der Kinder beider Gruppen.

Die Studie erbrachte folgende Ergebnisse:

Die „Faustlos“-Kinder

  • konnten die Gefühle anderer Menschen eher erkennen und differenzierter beschreiben.
  • entwickelten mehr Lösungsmöglichkeiten für zwischenmenschliche Probleme.
  • gaben an, in Konfliktsituationen häufiger sozial zu reagieren.
  • sahen eher negative Konsequenzen von aggressivem Verhalten voraus
  • verfügten über ein größeres Repertoire an Beruhigungstechniken.

Positive Verhaltensänderungen wurden von den Erzieherinnen im Kindergarten, jedoch nicht von den Eltern zu Hause beobachtet.

Die Erzieherinnen gaben an, dass Faustlos-Kinder:

  • häufiger mit anderen Kindern verhandelten
  • und mehr konstruktive Vorschläge machten
  • sich häufiger beim Spielen mit anderen Kindern abwechselten
  • weniger verbal aggressiv waren.

Aus diesen Studienergebnissen ziehen Professor Cierpka und seine Mitarbeiter Dr. Andreas Schick und Götz Egloff den Schluss, dass in sechs Monaten Kompetenzen zur Gewaltprävention erlernt werden können. Für eine Übertragung des Verhaltens auf Bereiche außerhalb des Kindergartens bedarf es jedoch weiterer Übung und Festigung des Erlernten sowie eine Einbeziehung der Eltern.

Hier kann die Studie angefordert werden:

Prof. Dr. Manfred Cierpka
Abteilung für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie
Universitätsklinikum Heidelberg
Bergheimer Str. 54, 69115 Heidelberg
E-Mail: Manfred_Cierpka@med.uni-heidelberg.de

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