Finanzlage deutscher Krankenhäuser wird sich weiter verschlechtern

Die Insolvenzwahrscheinlichkeit deutscher Krankenhäuser wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Dies ist ein wesentliches Ergebnis einer gemeinsamen Untersuchung des RWI Essen und der ADMED GmbH.

In ihrem Rahmen wird erstmals eine größere Anzahl von Krankenhäusern systematisch auf ihre Insolvenzwahrscheinlichkeit hin überprüft. Es zeigt sich, dass Kliniken in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft in Bezug auf Zahlungsunfähigkeit stärker gefährdet sind als private oder freigemeinnützige. Zudem sind ostdeutsche Kliniken finanziell durchschnittlich in einer besseren Situation als westdeutsche.

Die Zahl der Krankenhäuser, die von Insolvenz bedroht sind, wird sich in den kommenden Jahren weiter erhöhen. Zu diesem Ergebnis kommt die gemeinsame Studie „Insolvenzrisiken der deutschen Krankenhäuser – Bewertung und Transparenz unter Basel II“ des RWI Essen und der Health Care Unternehmensberatung ADMED GmbH. Datengrundlage sind Jahresabschluss- und extern zugängliche krankenhausspezifische Daten für 212 Krankenhäuser.

Die Studie errechnet für die untersuchten Kliniken eine durchschnittliche Insolvenzwahrscheinlichkeit von 1,7 Prozent; für die Gesamtwirtschaft beträgt dieser Wert etwa ein Prozent. Dies bedeutet, dass im Schnitt innerhalb eines Jahres 1,7 Prozent aller untersuchten Krankenhäuser zahlungsunfähig werden. Bis 2008 wird sich dieser Wert voraussichtlich auf 2,2 Prozent erhöhen. Der Anstieg ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Krankenhäuser sich wegen des erwarteten Rückzugs der öffentlichen Hand zunehmend verschulden müssen.

Auch der Anteil der Kliniken, die erhebliche Schwierigkeiten bei der Kreditaufnahme haben, wird zunehmen. Meist vergibt eine Bank ab einer Insolvenzwahrscheinlichkeit von etwa 2,6 Prozent keinen Kredit mehr. Bereits heute liegen 21 Prozent der Kliniken in diesem Bereich beziehungsweise darüber. Bis 2008 wird ihr Anteil voraussichtlich auf 26 Prozent ansteigen.

Studie wertet Daten von 212 Krankenhäusern aus

In der Studie wird erstmals eine größere Zahl deutscher Krankenhäuser systematisch auf ihre Insolvenzwahrscheinlichkeit hin untersucht. Hierzu werden in einer Stichprobe Daten von 212 der insgesamt rund 2.200 deutschen Krankenhäuser zusammengetragen und analysiert. Auf Grundlage dieser Daten und unter Berücksichtigung krankenhausspezifischer Entwicklungen werden die Jahresabschlüsse bis 2008 fortgeschrieben. Berücksichtigt werden dabei beispielsweise die Auswirkungen durch die Angleichung der Preise für Behandlungen im Krankenhaus (Fallpauschalen) sowie die Konsequenzen des erwarteten Rückzugs der öffentlichen Hand aus der Finanzierung und Maßnahmen zum Abbau des Investitionsstaus. Bürgschaften der öffentlichen Hand werden nicht berücksichtigt. Auf Grundlage dieser Informationen werden mit Hilfe eines Ratingverfahrens von Moody’s KMV Ratings für die aktuelle Situation und 2008 erstellt.

Öffentlich-rechtliche Kliniken haben durchschnittlich schlechtere Ratings

In Bezug auf die Trägerschaft fällt das aktuelle Rating öffentlich-rechtlicher Kliniken deutlich schlechter aus als das der privaten und der freigemeinnützigen. Der Trend zur Konsolidierung in Form weiterer Privatisierungen und Zusammenschlüsse wird daher weiter anhalten. Regional betrachtet haben zur Zeit Kliniken in Ostdeutschland eine signifikant niedrigere Insolvenzwahrscheinlichkeit als Kliniken im Westen. Ein Grund hierfür könnte die dort umfangreiche Förderung in den 90er Jahren sein. Diese Förderung senkt den Bedarf an externer Finanzierung.

Die zukünftige Finanzsituation der Kliniken wird auch durch ihre veränderte Entlohnung beeinflusst werden. Denn in den kommenden Jahren wird sich die Vergütung, die ein Krankenhaus für eine bestimmte Behandlung erhält, auf der Ebene der Bundesländer angleichen. Dies dürfte dazu führen, dass sich das Rating von Krankenhäusern mit derzeit relativ hohen Budgets im Schnitt verschlechtert und umgekehrt.

Krankenhäuser müssen mehr und mehr unternehmerisch handeln

Ein Krankenhaus kann sein Rating aktiv durch seine Unternehmenspolitik beeinflussen. Wegen des hohen Stellenwerts der Liquidität kommt dabei zwei Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu: Kostensenkung und Eigenkapitalzufuhr; beides verbessert die Ratingposition. Andere Maßnahmen sind Leasing, Factoring oder höhere Auslastung.

Rating gewinnt an Bedeutung

Die Insolvenzwahrscheinlichkeit wird zunehmend die Kreditkonditionen bestimmen. Die neue Kreditvergaberichtlinie Basel II beschleunigt diesen Prozess. Ihr Ziel ist es, die Eigenkapitalhinterlegung der Banken stärker am individuellen Risiko ihrer Kreditnehmer auszurichten. Kreditnehmer guter Bonität können mit Vergünstigungen rechnen. Solche mit schlechter Bonität müssen sich auf höhere Finanzierungskosten einstellen oder erhalten keine Kredite mehr. Nimmt beispielsweise eine Klinik mit einer hohen Insolvenzwahrscheinlichkeit von 2,8 Prozent einen Neukredit auf, würde sie einen Risikoaufschlag von ca. 2,7 Prozent zahlen. Bei einer Insolvenzwahrscheinlichkeit von nur 0,8 Prozent würde sich der Risikoaufschlag auf 0,90 Prozent reduzieren. Die geringere Insolvenzwahrscheinlichkeit würde somit zu einer deutlichen Ersparnis führen.

Ansprechpartner: Dr. Boris Augurzky, Tel.: (0201) 81 49-203

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Joachim Schmidt idw

Weitere Informationen:

http://www.rwi-essen.de

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