Selbstständiges Arbeiten erhöht Lernerfolge bei Schülern

Neue Lernkonzepte zur Nachhaltigkeit

Wenn plötzlich viele Menschen nur noch fair gehandelte Produkte kaufen, was hätte das für Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft? Was passiert, wenn auf einmal jeder sein Auto stehenlässt und nur noch Fahrrad oder Bahn fährt? Warum sind Bioprodukte so teuer, muss das so sein? Fragen, die die Welt bewegen. Fragen, die sich Schüler stellen, wenn sie nachhaltige Themen erforschen. Das Programm „21“ der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) hat neue Lernkonzepte zur Nachhaltigkeit für allgemeinbildende Schulen entwickelt, die unmittelbar an die Lebenswelt der Schüler anknüpfen. In Projekten und im Unterricht helfen die Jugendlichen mit, akute Probleme vor Ort zu lösen, und das im Sinne der Nachhaltigkeit: ökologisch, sozial und wirtschaftlich verträglich, dabei zukünftige Generationen im Blick. Nach rund vier Jahren Laufzeit sind jetzt verschiedene Beispiele zukunftsweisender Bildung aus der schulischen Praxis präsentiert worden. BLK „21“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 13 Millionen Euro gefördert. Der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Gerhard de Haan leitet die Koordinierungsstelle des Programms, die ihren Sitz im Arbeitsbereich Erziehungswissenschaftliche Zukunftsforschung der Freien Universität Berlin hat. Seit kurzem ist er auch Vorsitzender des Nationalkomitees der UN-Dekade zur „Bildung für nachhaltige Entwicklung“.

1999 trat BLK „21“ mit dem Ziel an, die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung an allgemeinbildenden Schulen systematisch zu erproben, die Thematik in die Schulen zu bringen und die Qualität des Unterrichts zu verbessern. Nachhaltige Bildungsziele und -inhalte, zukunftsweisende Lernorganisationen sowie neue Lernformen wurden entwickelt und praktiziert. An dem Programm, das je zur Hälfte vom BMBF und den Bundesländern finanziert wird, haben sich rund 200 Schulen aus 15 Bundesländern beteiligt. In 27 Netzwerken haben sie erfolgreich miteinander kooperiert. Die durchgeführten Projekte fußen auf drei Unterrichts- und Organisationsprinzipien: Innovation, Partizipation und Interdisziplinarität.

Innovation meint eine Öffnung der Schule nach außen. Zum Beispiel wurden neue Formen der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft erprobt oder nachhaltige Schülerfirmen gegründet, in denen Schüler unter realen Bedingungen dazulernen, wie etwa im „Bikershop“ von Haupt- und Realschülern aus Wiefelstede (Niedersachsen). Dieser Betrieb existiert als Wahlpflichtfach für die 10. Klassen. Fahrräder werden hier repariert und recycelt, verliehen und verkauft. Die Strukturen und Arbeitsabläufe sind denen einer richtigen Firma bis ins Detail nachgebildet.

Partizipation bedeutet, die Schüler zu einer Mitbestimmung an Entscheidungsprozessen zu befähigen. Auch hier sind außerschulische Lernarrangements und lebensechte Bedingungen gefragt. Schulen arbeiten dabei mit Gemeinden und öffentlichen Einrichtungen zusammen. So haben Schüler der Haupt- und Realschule „Hans Franck“ aus dem mecklenburgischen Wittenburg in Zusammenarbeit mit der Gemeinde einen öffentlichen Schwimmteich angelegt. Einen großen Badeteich also, bei dem es sich um ein biologisch selbst regulierendes Öko-System handelt und der kaum Ressourcen verbraucht.

Interdisziplinäres Vorgehen dient der Förderung vernetzten Denkens. Greifbare Probleme aus der Lebenswirklichkeit werden fächerübergreifend betrachtet, um sie in ihrer Komplexität zu verstehen und daraufhin nachhaltig planen und handeln zu können. Auf diese Weise behandelte ein Projekt der Realschule Sielow in Cottbus die Nachhaltigkeit im Umgang mit der Ressource Wald. Die Schüler erkundeten Stoffkreisläufe und Wechselbeziehungen, darüber hinaus seine Artenvielfalt und die Anpassung von Tier- und Pflanzenarten an abiotische Faktoren und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten. Auch haben sie die regionalen Ursachen und Folgen der Eingriffe von Menschen auf das Ökosystem Wald untersucht und dabei Möglichkeiten der nachhaltigen Bewirtschaftung heimischer Wälder kennen gelernt. Das Projekt hatte zum Ziel, Lebensumfeld und -qualität der Menschen in Sielow vor dem Hintergrund geplanter Abholzungen und Neubau-Maßnahmen zu erfassen und Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur herauszuarbeiten. Dabei haben die Schüler im Sinne der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen des Waldes untersucht. Diese Herangehensweise soll ihnen auch als selbst erprobte Basis für ein verantwortungsbewusstes Handeln in der Zukunft dienen.

Nach diesen drei Prinzipien haben die beteiligten Schulen zu 13 verschiedenen Themenschwerpunkten Projekte entwickelt: unter anderem zur Lokalen Agenda 21, Schulprofilentwicklung, Nachhaltige Stadt oder Syndromen des globalen Wandels.

Die Lernkonzepte zur Nachhaltigkeit gehen weit über traditionelle Unterrichtsformen hinaus. Sie entsprechen modernen Vorstellungen eines erfolgreichen Unterrichts, wie sie nach PISA favorisiert werden. 55 umfangreiche Unterrichtsmaterialien zu Themen der Nachhaltigkeit, zahlreiche Handreichungen über die Organisation nachhaltiger Bildung an Schulen und eine Reihe innovativer Lehrerfortbildungsprogramme hat die Projektgruppe BLK „21“ erarbeitet. Die Unterrichtsmaterialien lassen sich einzeln im pdf-Format von der Homepage herunterladen oder sind gesammelt und kostenfrei bei der Koordinierungsstelle auf einer CD-Rom zu bestellen.

Dieses inhaltliche Gerüst wird ergänzt durch neue Methoden mit dem Ziel, Gestaltungskompetenz zu entwickeln, den Kernbegriff nachhaltiger Bildung. Sie beinhaltet acht Teilkompetenzen, die Schüler befähigen sollen, gesellschaftliche Schlüsselthemen zu verstehen und sich aktiv für eine nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Entstanden sind Empfehlungen für „Richtlinien zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“, die den Kultus- bzw. Schulministerien der Länder zwecks Aufnahme in die Rahmenrichtlinien zur Verfügung stehen. Sie bringen die entwickelten Bildungsziele für den schulischen Alltag auf einen Nenner.

Wesentlich für die neuen Unterrichtsmethoden: Den Schülern werden Freiräume zum selbstständigen Arbeiten und zu Diskussionen mit Mitschülern eingeräumt, die nicht gleich von der Lehrkraft beeinflusst werden. Die Schüler erhalten damit auch die Gelegenheit, sich an der Unterrichtsplanung und -gestaltung zu beteiligen.

Ab dem 1. August 2004 wird „Transfer-21“ das BLK-Programm „21“ aufgreifen, um die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in allgemein bildenden Schulen breit gestreut zu verankern. Neu ist dabei die Ausweitung auf Grund- und Ganztagsschulen. In den 13 am Transfer-21 beteiligten Bundesländern sollen bis 2008 rund 4500 Schulen erreicht werden, um die Inhalte des BLK-Programms „21“ in die schulische Regelpraxis zu integrieren. Das neue Projekt wird, wie BLK „21“, an der Freien Universität Berlin von Prof. Dr. Gerhard de Haan koordiniert. Das BMBF und die Länder fördern Transfer-21 vier Jahre mit rund zehn Millionen Euro.

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Lutz Steinbrück, BLK-Programm „21“, Tel.: 030 / 838-52515 oder -56848, E-Mail: steinbrueck@blk21.de

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Weitere Informationen:

http://www.blk21.de

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