Lärm macht krank

Eine Studienauswertung im Forschungsverbund Lärm & Gesundheit im Auftrag der WHO belegt: Bei Menschen, die unter lärmbedingten Schlafstörungen leiden, steigt das Risiko für Allergien, Herzkreislauferkrankungen, Bluthochdruck und Migräne erheblich

Nicht nur Straßenverkehrslärm, sondern auch Fluglärm sowie Schienen-, Gewerbe- und Nach-barschaftslärm wirken heute auf den Menschen ein, so dass er nahezu „rund um die Uhr“ beschallt wird. Wir haben uns zu einer „lauten Gesellschaft“ entwickelt, insbesondere in Ballungsräumen.

Lärminduzierte Gesundheitsstörungen sind daher ein viel und vor allem kontrovers diskutiertes Problem, auch weil die pathogene Wirkung von Lärm nicht so einfach zu beurteilen ist wie bei einer Infektionskrankheit, bei der die Ursache-Wirkungs-Beziehungen zeitlich greifbar und durch den Erregerbefund nachweisbar sind. Die gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung von Lärm ist, abgesehen von Hörschäden, gewöhnlich ein langer, schwer überblickbarer Prozess, der von zahlreichen anderen „mitwirkenden Faktoren“ beeinflusst werden kann. Das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung einer über Jahre einwirkenden Lärmbelastung im Wohnumfeld kann nur in epidemiologischen Studien abgeschätzt werden.

Der Forschungsverbund Lärm und Gesundheit am Berliner Zentrum Public Health (Technische Universität Berlin, Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin) erhielt im Rahmen der LARES-Studie (Large Analysis and Review of European housing and health Status) der WHO die Möglichkeit, die Auswirkungen von Lärm im Wohnumfeld auf die Gesundheit zu überprüfen. Es wurde der statistische Zusammenhang zwischen lärmbedingter Belästigung, lärmbedingten Schlafstörungen und ärztlich diagnostizierten Erkrankungen untersucht. Als Hauptquellen für nächtliche Belästigung in dieser Studie wurde Straßenverkehrslärm und Nachbarschaftslärm genannt. Die nun vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass Lärm im Wohnumfeld ein Risikofaktor für Herzkreislauferkrankungen ist. Dieses Risiko besteht unabhängig von den einbezogenen Einflussgrößen. In der Gruppe der Erwachsenen (18 – 59 Jahre) war bei lärmbedingten Schlafstörungen das Risiko für Allergien um 46 Prozent, für Herz-Kreislauf-Symptome um 45 Prozent, für Bluthochdruck um 49 Prozent und für Migräne um 56 Prozent signifikant erhöht.

Die LARES-Studie wurde im Zeitraum 2002 bis 2003 auf Vorschlag der European Housing and Health task force der WHO in acht europäischen Städten durchgeführt (Angers, Bonn, Bratislava, Budapest, Ferreira, Forlì, Genf, Vilnius), um Aussagen über den Zusammenhang zwischen Wohnen und Gesundheit treffen zu können. Sie erfolgte auf der Basis von umfangreichen standardisierten Befragungen (Wohnbedingungen und Gesundheitsstatus) und Wohnungsinspektionen.

Die Ergebnisse dienen der Vorbereitung der 4. Ministerialkonferenz der Umwelt- und Gesundheitsminister vom 22. – 25. Juni 2004 in Budapest

Bei der statistischen Analyse wurde die ärztliche Behandlung in den letzten zwölf Monaten z.B. hinsichtlich der lärmbedingten Schlafstörung ausgewertet. Da Erkrankungen nicht nur durch lärmbedingte Schlafstörungen, sondern auch von vielen weiteren Einflüssen verursacht werden können, wurden diese Einflussgrößen als 16 Kontrollvariablen bei der Auswertung berücksichtigt. Zu ihnen gehörten übliche Einflüsse wie „Alter“, „Geschlecht“, „Alkoholkonsum“, „sportliche Aktivität“, „Body Maß Index“ und „Sozioökonomischer Index“. Ergänzt wurden diese „klassischen“ Variablen durch sechs weitere Wohn- und Wohnumfeldfaktoren, welche auch einen Einfluss auf Erkrankungen haben können. Eine umfassende statistische Kontrolle der Lärmeffekte hinsichtlich Wohn- und Wohnumfeldfaktoren wie Wohnungstemperatur im Winter, Luftqualität, Tageslicht und Feuchtigkeit in der Wohnung (Schimmel), Grünflächen im Wohnumfeld und Zufriedenheit mit dem Wohnumfeld wurde erstmals in der LARES-Studie möglich.

Die Ergebnisse zeigen, dass die nächtliche Lärmbelastung hinsichtlich der Gesundheit einen relevanten Einfluss darstellt. „Insbesondere dem nächtlichen Lärm wird immer noch nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet, um gesundheitliche Gefährdungen zu vermeiden“, sagt Dr.-Ing. Christian Maschke, Sprecher des Forschungsverbundes und Privatdozent am Institut für Technische Akustik der TU Berlin.

Die Ergebnisse decken sich mit anderen epidemiologischen Ergebnissen zum Einfluss von Lärm im Wohnumfeld (Studien des Umweltbundesamtes: WaBaLu-Heft 01/03 und 02/04).

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Dr. Hildegard Niemann, Interdisziplinärer Forschungsverbund „Lärm & Gesundheit“ am Berliner Zentrum Public Health, Telefon: 030/314-38995, E-Mail: forschungsverbund@laerm-gesundheit.de

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Ramona Ehret idw

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