Überraschender Optimismus: Telekommunikationsbranche will 2004 deutlich wachsen

Die deutsche Telekommunikationsbranche kommt langsam wieder auf die Beine. Für 2004 erwartet sie ein deutliches Wachstum. Mehr als jedes zweite Unternehmen rechnet damit, dass sich seine Lage in den nächsten Jahren besser entwickelt als die Gesamtwirtschaft. Das ergibt der „Branchenkompass Telekommunikation“, eine aktuelle Studie von Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut. Besonders zuversichtlich sind die Unternehmen, die ihr Geld direkt mit dem Telefonieren verdienen. Sie investieren massiv in Service und Innovationen und erwarten, dass mobile Datendienste deutlich zulegen. Pessimisten, die einen schlechteren Verlauf ihrer Geschäfte erwarten, gibt es kaum.

Vor allem beim Kontakt mit den Kunden kündigt sich ein regelrechter Paradigmenwechsel an. Allen befragten Unternehmen ist eine bessere Kundenorientierung wichtig. Mit 37 Prozent ist Service das am häufigsten genannte Mittel, die Branchenprobleme zu bekämpfen. Bis 2006 planen die Unternehmen, ein Zehntel ihrer Investitionen in Service und Kundenbetreuung zu stecken. Fast die Hälfte will mehr dafür ausgeben als bislang. Zugleich müssen sich die entsprechenden Abteilungen darauf gefasst machen, dass ihnen die Chefs stärker auf die Finger schauen: Jede fünfte Firma will erstmals den Erfolg ihres Kundenmanagements kontrollieren, mehr als jedes zweite Unternehmen will diese Kontrolle intensivieren. Das zeigt: Die Branche meint es ernst mit ihrer Service-Offensive.

Bei neuen Technologien fällt die Bilanz dagegen gemischter aus. Nur langsam erkennt die Branche, dass technische Spielereien im Stile von WAP 1.0 der falsche Ansatz sind. Die Kunden suchen ausgereifte Lösungen für konkrete Bedürfnisse. Immerhin wollen zwei von drei Unternehmen durch neue Produkte, Dienste und Tarife ihre Einnahmen bis 2006 erhöhen. Fast die Hälfte der Anbieter will seine Investitionen in diesem Bereich steigern. Besonders innovationsfreudig zeigen sich die Festnetzanbieter, Internetportale und Softwarefirmen.

Eine Möglichkeit, mit neuen Produkten die Geschäfte anzukurbeln, sind so genannte Bündelprodukte. Beispiel EWE-Tel: Der Oldenburger Regionalanbieter gewinnt Geschäftskunden aus dem Mittelstand, indem er für sie auch Call-Center-Dienste erledigt. M-Net aus München erreicht ebenfalls Geschäftskunden, in diesem Fall mit Angeboten zur digitalisierten Kundenpflege, dem Customer Relationship Management. Die so geschnürten Servicepakete orientieren sich an Bedürfnissen des Kunden und bieten einen nachvollziehbaren Nutzen.

Vorerst bleiben solche Paketlösungen allerdings die Ausnahme. Viele Anbieter setzen weiterhin auf Technologieinnovationen, statt ihren Kunden mit vorhandenen Mitteln neue, intelligente Produkte zu bieten. Gleichzeitig verzichtet mehr als jeder dritte Anbieter darauf, in solche neuen Felder selbst zu investieren. Dabei glauben vier von fünf Entscheidern, dass ihr Unternehmen ohne neue Geschäftsfelder langfristig das Aus erwartet.

Laut der Studie wird sich diese Einstellung trotz der guten Absichten also nicht in allen Bereichen ändern. Insofern steht der Optimismus der Branche ein Stück weit auf tönernen Füßen. Zwar locken Mobilfunkgeräte mit Kamera und Lifestyle-Design wieder mehr Kunden in die Handyshops, und Breitbandtechnologien wie DSL haben Multimediaanwendungen im Internet attraktiv gemacht. Doch das Potenzial im Kerngeschäft ist gewaltig geschrumpft: 70 Prozent der Deutschen sind bereits mobil erreichbar, und wer surfen will, ist schon lange online. Da sich die Produkte zudem häufig zum Verwechseln ähneln, entscheiden sich die Kunden fast immer anhand des Preises und trennen sich von ihrem Anbieter, sobald ein günstigeres Angebot winkt. Eine nennenswerte Markenbindung gibt es kaum, die Margen bleiben in der Festnetztelefonie und im Internet klein.

Auch den Betreibern mobiler Netze machen Preisdruck und Kundenwanderung zu schaffen: Sie haben hohe Summen etwa in den Mobilfunkstandard UMTS investiert und sind nun auf loyale Nutzer angewiesen, denen sie die neuen Dienste künftig anbieten wollen. Aber auch kleinere, regionale Festnetzanbieter wie NetCologne fürchten, dass ihre mühsam gewonnene Kundschaft ihnen wieder den Rücken kehren könnte. Denn nur Kunden der Deutschen Telekom profitieren von der seit Frühjahr 2003 geltenden freien Betreiberwahl im Ortsnetz. Die neue Runde des Wettbewerbs wird sich hier deutlich bemerkbar machen.

Dass es den Unternehmen mit ihren Service- und Produktoffensiven gelingt, mehr Kunden zu binden, ist fraglich. Immerhin versuchen sie es: Vor allem Portal- und Softwareanbieter optimieren ihren Kundenservice. Im Detail setzen die Unternehmen auf mehr Transparenz bei den Abrechnungen und eine bessere Qualität. Die wichtigste Maßnahme zur Kundenbindung bleibt darüber hinaus ein professionelles Management von Beschwerden: Wird der Kritiker ernst genommen und sein Problem gelöst, wandelt er sich in aller Regel zum Stammkunden.

Die großen Problemen der Branche lassen sich mit diesen Schritten freilich nicht lösen. Viele Netzbetreiber und Mehrwertdiensteanbieter suchen weiter den Schlüssel zum Erfolg. Die Deutsche Telekom beherrscht noch immer den Wettbewerb. Neue Firmen haben es schwer, in den Markt einzudringen und neben dem Ex-Monopolisten zu bestehen. Auch die immensen Schulden vieler Firmen dämpfen die Dynamik der Branche: Jeder fünfte Topentscheider sieht in der Frage der Finanzierung eines der größten Probleme. Nur ungern nehmen Banker oder Risikofinanzierer derzeit weiteres Geld in die Hand, um die Umsetzung oder Suche neuer Geschäftsmodelle in der Informations- und Telekommunikationsindustrie zu finanzieren.

Die größte Sorge der Branche gilt laut der Studie allerdings der schlechten allgemeinen Konjunktur. 40 Prozent und damit der größte Anteil der befragten Entscheider sehen in ihr eines der Hauptprobleme. Privat- und Firmenkunden halten sich zurück, die Nachfrage stagniert. Sorgen wegen des harten Wettbewerbs folgen mit 27 Prozent erst dahinter.

Unter den Hoffnungsträgern liegen mobile Datendienste vorn: Sie sollen der Wachstumsmotor in 2004 sein. Neu ist, dass sich auch Festnetzbetreiber bei diesen Diensten ein Stück vom Kuchen erobern wollen. Im Schnitt planen die Unternehmen, 14 Prozent ihrer Investitionen in Datenservices per Mobilfunk zu stecken. Viele Festnetzbetreiber werden hier erstmals investieren.

Sie beugen vor, denn parallel zum Anstieg der Handynutzung sinkt die Bedeutung der Festnetztelefonie: Langfristig werden die Deutschen vermutlich sogar mehr per Handy als per Festnetz telefonieren. 2002 lag das Verhältnis zwischen Festnetz- und Mobilfunkminuten bei zehn zu eins. Bis 2006 dürfte sich das Verhältnis auf fünf zu eins verschieben, wenn die Mobiltarife sinken und technische Neuheiten greifen. In weiten Teilen Asiens und in Lateinamerika liegt die Mobiltelefonie schon heute vor Kabeltelefonie.

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