Folgen des Klimawandels für die Nahrungsmittel- und Trinkwassersicherung in Russland

Wenn Russland das Kyoto Protokoll zum Klimaschutz ratifiziert, wie Präsident Putin es in Johannesburg auf dem Weltumweltgipfel versprochen hat, würde es damit einen ausschlaggebenden Beitrag zu seiner eigenen Nahrungsmittelsicherung und Wasserverfügbarkeit im kommenden Jahrhundert leisten.

Dies zeigt eine neue Studie, die gemeinsam vom Wissenschaftlichen Zentrum für Umweltsystemforschung der Universität Kassel, der Fakultät für Geografie der Universität Moskau und dem Zentrum für Ökologie und Forstbau der Russischen Akademie der Wissenschaften erstellt wurde. Die Ergebnisse werden am Donnerstag, den 13. Februar in der deutschen Botschaft in Moskau im Rahmen des wissenschaftlichen Vortragsprogramms der Botschaft vorgestellt.

Diese Studie bestätigt, dass es auf Grund des globalen Klimawandels im Durchschnitt in Russland wärmer und feuchter wird. Das führte zu der Meinung, dass die russische Landwirtschaft vom Klimawandel profitieren würde. Obwohl dies in einigen Teilen des Landes zutreffen mag, zeigt die neue Studie, dass es besonders in den Hauptanbaugebieten des Landes trockener werden dürfte, so dass wesentlich öfter Ernteeinbrüche zu erwarten sind. Insofern wäre die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch Russland nicht nur ein positiver Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch ein Beitrag zum Selbstschutz und zur Nahrungssicherung des Landes.

Nur 15 von insgesamt 89 administrativen Regionen der Russischen Föderation sind wichtige Agrarexportgebiete und versorgen den Rest des Landes mit Grundnahrungsmitteln; sie spielen entsprechend eine wichtige Rolle in der Nahrungsmittelsicherung des Landes. Ungefähr die Hälfte der gesamten russischen Agrarproduktion heutzutage stammt aus diesen Regionen. Die Klimaszenarien zeigen, dass es in diesen sowie anderen Regionen Russlands wärmer wird, aber sie zeigen ebenfalls, dass es speziell in diesen Hauptanbaugebieten trockener werden könnte. Einige der Klimaszenarien berechnen in diesen Gebieten eine Abnahme der durchschnittlichen Niederschlagsmenge von bis zu 50% zwischen dem durchschnittlichen Normalklima (1961 – 1990) und dem voraussichtlichen Klima im Jahr 2020. Dieses wärmere und trockenere Klima wird die Produktionsmöglichkeiten wichtiger Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Kartoffeln, Mais und Gerste gefährden.

In dieser neuen Studie haben Wissenschaftler berechnet, dass das Produktionspotential in den Hauptagraranbaugebieten um 5 – 20% bis zum Jahr 2020 abnehmen wird. Bis zum Jahr 2070 ist sogar ein Rückgang um 30 – 40% (bezogen auf die heutigen Durchschnittswerte) zu befürchten. Noch größere Rückgänge sind in einzelnen Regionen durchaus möglich. Unter heutigen Klimabedingungen kommt es in 10 Jahren durchschnittlich alle ein bis drei Jahre in den Hauptanbaugebieten zu erheblichen Ernteausfällen (abhängig von der Region). Unter veränderten Klimabedingungen muss für einige Gebiete bis 2020 mit einer Verdoppelung der Häufigkeit von schlechten Ernteergebnissen gerechnet werden und bis 2070 sogar mit einer Verdreifachung. Zusätzlich erhöht sich das Risiko, dass es in mehreren Hauptanbaugebieten gleichzeitig zu Ernteeinbrüchen kommt. Während heutzutage 58 Millionen Menschen in Gebieten leben, in denen regelmäßig Missernten auftreten, kommt die Studie zu dem Schluss, dass sich diese Zahl im Jahr 2020 auf 77 Millionen und im Jahr 2070 sogar auf 141 Millionen erhöhen wird.

Für die Wasserreserven des Landes sieht es nach den Ergebnissen der Studie ähnlich aus. Obwohl eine Niederschlagszunahme zu erhöhtem Abfluss in den Flüssen und einer höheren Grundwassererneuerung führen wird, und so den allgemeinen Druck auf die Wasserreserven vermindern dürfte, kommt es in den Hauptanbaugebieten zu einer Wasserverknappung. Im Südwesten des Landes ist Wasser sowieso schon knapp, und die Studie zeigt, dass es hier durch häufigere Niedrigwasserereignisse öfter zu Engpässen kommen wird. Auf der anderen Seite kann auch der erhöhte Wasserabfluss in anderen Gebieten zu einem erhöhten Risiko von Überschwemmungen führen.

Im Gegensatz zur herkömmlichen Einschätzung hat diese Studie gezeigt, dass Russland nicht nur nicht von einem wärmeren Klima profitiert sondern sogar erhebliche negative Konsequenzen erleiden könnte. Obgleich es durchaus Strategien gibt, sich an ein sich wandelndes Klima anzupassen, wäre es für Russland trotzdem wichtig, dabei mitzuwirken, dass die Treibhausgasemissionen weltweit gesenkt werden, um seine eigene Nahrungsmittel- und Wasserversorgung zu gewährleisten. Um das Kyoto Klimaprotokoll endlich umzusetzen, bedarf es nur noch der Ratifizierung eines großen Landes wie Russland, das hierbei den Ausschlag geben könnte.

Die Studie über die „Folgen des Klimawandels für die Nahrungsmittel- und Trinkwassersicherung in Russland“ unter Leitung von Prof. Dr. Joseph Alcamo, Direktor des wissenschaftlichen Zentrums für Umweltsystemforschung der Universität Kassel, und Prof. Dr. Genady Golubev, Professor an der Fakultät für Geografie der Universität Moskau und ehemaliger stellvertretender Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP, wurde diese Woche abgeschlossen. An der Studie wirkten Wissenschaftler vom Wissenschaftlichen Zentrum für Umweltsystemforschung der Universität Kassel sowie von der Fakultät für Geografie der Universität Moskau und dem Zentrum für Ökologie und Forstbau der russischen Akademie der Wissenschaften mit. Die Studie wurde mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft und der Humboldt Stiftung finanziert. Der Projektleiter Dr. Alcamo hatte 1998 den Max-Planck Forschungspreis gewonnen und mit den dotierten Mitteln dieses Preises das Projekt unterstützt.

Infos zum Thema:

Universität Kassel
Wissenschaftliches Zentrum
für Umweltsystemforschung
Prof. Dr. Joseph Alcamo

Dr. Karl-Heinz Simon
Telefon: 0561 – 804 2273
E-mail: simon@usf.uni-kassel.de

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Ingrid Hildebrand idw

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