Familienbewusstsein bewerten und vergleichen

Die betriebliche Familienpolitik ist in den letzten Jahren zu einem Top-Thema in der deutschen Wirtschaft geworden. Doch wie familienbewusst sind deutsche Unternehmen und wie lässt sich das Familienbewusstsein bewerten und vergleichen?

Hilfe bietet der „berufundfamilie-Index“, den das Forschungszentrum für Familienbewusste Personalpolitik (FFP) der Universität Münster und die Steinbeis-Hochschule Berlin als Instrument zur Bewertung des Familienbewusstseins in Unternehmen entwickelt haben. Vorgestellt wurde der Index in Berlin von Bundesfamilienministerin Dr. Ursula von der Leyen und dem Vorstandsvorsitzenden der Hertie-Stiftung, Dr. Michael Endres.

Der Index ist eine betriebliche Kennzahl und bietet Unternehmen erstmals die Möglichkeit, die Stärken und Schwächen ihrer Personalpolitik in Bezug auf familienbewusste Maßnahmen zu überprüfen und diese dann – wo nötig – gezielt zu verbessern. In einem zweijährigen Forschungsprozess wurde der Index in enger Zusammenarbeit von Politik- und Wirtschaftswissenschaftlern unter Federführung der Professoren Irene Gerlach und Helmut Schneider entwickelt. Gefördert wurde deren Arbeit von der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung sowie dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend.

Der Index deckt verschiedene Dimensionen des Familienbewusstseins ab:
Neben der Bereitstellung familienbewusster Leistungen wie flexiblen Arbeitszeiten, umfasst das Familienbewusstsein eines Unternehmens auch den betriebsinternen Dialog zu Fragen der Vereinbarkeit. Stimmen sich Mitarbeiter und Unternehmensleitung beispielsweise über den Bedarf an Leistungen ab? Eine weitere Dimension ist die Unternehmenskultur, denn sie gibt Aufschluss darüber, inwieweit familiäre Verpflichtungen der Mitarbeiter im Unternehmen akzeptiert werden und ob diese beispielsweise auch von Führungskräften übernommen werden.

Die Tragfähigkeit dieses Konzepts von Familienbewusstsein wurde sowohl in Expertengesprächen als auch in verschiedenen Tests mit Unternehmen bestätigt, so dass daraus ein valides Messinstrument entwickelt werden konnte. Das Messinstrument ist ein online-basierter Fragenkatalog, der alle drei Dimensionen des Familienbewusstseins abdeckt. Nach der Beantwortung der Fragen wird ein betriebsspezifischer Wert errechnet, der zwischen 0 und 100 liegen kann. 0 heißt dabei gar nicht familienbewusst, 100 heißt sehr familienbewusst. Ab sofort können alle interessierten Unternehmensvertreter den Fragenkatalog unter www.berufundfamilie-index.de aufrufen und ihr Familienbewusstsein messen. Das datenbankgestütze Tool ermöglicht darüber hinaus den Vergleich mit Unternehmen gleicher Branche und Größenklasse.

Das FFP der WWU Münster hat den berufundfamilie-Index bereits in einer Studie mit rund 1000 in Deutschland ansässigen Betrieben erfolgreich zum Einsatz gebracht. Das Ergebnis: In Sachen Familienbewusstsein gibt es große Unterschiede. Immerhin gehören 15 Prozent der Befragten zu den besonders familienbewussten Unternehmen, deren Index-Wert sie zu Spitzenreitern auf dem Feld der Vereinbarkeit von Beruf und Familie macht. Aber es gibt in Deutschland auch Unternehmen, die noch deutlichen Nachholbedarf im Bereich der familienbewussten Personalpolitik haben. Die Gruppe der sogenannten Schlusslichter ist in der Stichprobe mit 15 Prozent vertreten; gefolgt von einem breiten Mittelfeld, dem 70 Prozent der Unternehmen angehören.

Unternehmen, die bereits das audit berufundfamilie, ein Managementinstrument zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, durchlaufen haben, erreichen durchschnittlich knapp 15 Punkte mehr als nicht auditierte Unternehmen. Der bundesdeutsche Durchschnittswert liegt bei knapp 63 Punkten. „Ein beachtliches Ergebnis, das gleichwohl auch noch Spielraum für weitere Verbesserungen lässt“, erläutert Prof. Irene Gerlach.

Wie familienbewusst ein Unternehmen ist, hat weniger mit der Betriebsgröße oder der Branche zu tun, sondern hängt vielmehr von der Personalstruktur ab. Unternehmen mit einem überdurchschnittlich hohen Index-Wert weisen einen hohen Anteil an weiblichen Mitarbeiten, Akademikern, Mitarbeitern mit Familienpflichten und Führungskräften in Teilzeit auf. „Diese Ergebnisse zeigen, dass wirklich jedes Unternehmen etwas für sein Familienbewusstsein tun kann. Das Argument 'Wir sind viel zu klein für so was` kann nicht mehr gelten“, bekräftigt Prof. Helmut Schneider.

In wissenschaftlicher Hinsicht ermöglicht der berufundfamilie-Index perspektivisch eine differenzierte Analyse betriebswirtschaftlicher Effekte einer familienbewussten Personalpolitik. Durch die standardisierte Messung können darüber hinaus die Veränderungen des Familienbewusstseins der teilnehmenden Unternehmen im Zeitablauf kenntlich gemacht werden. Das neu erschienene Arbeitspapier „Der berufundfamilie-Index – ein Instrument zur Messung des betrieblichen Familienbewusstseins“ erläutert den wissenschaftlichen Hintergrund des berufundfamilie-Index und kann unter www.ffp-muenster.de heruntergeladen werden.

Das Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP) ist eine wissenschaftliche Einrichtung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Steinbeis- Hochschule Berlin.

Das FFP wurde im Jahr 2005 auf Initiative der berufundfamilie gGmbH einer Einrichtung der Gemeinnützigen Hertie Stiftung gegründet und wird von ihr finanziert. Im Auftrag der berufundfamilie gGmbH werden die betriebswirtschaftlichen Effekte familienbewusster Maßnahmen in Unternehmen erstmals wissenschaftlich fundiert untersucht und quantifiziert mit dem Ziel, stichhaltige Aussagen zur Kosten-Nutzen-Relation familienbewusster Personalpolitik zu treffen.

Media Contact

Uni Münster

Weitere Informationen:

http://www.ffp-muenster.de

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