Wunschkind ohne Risiko?

Jedes zehnte Paar in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Hilfe bieten verschiedene Verfahren der künstlichen Befruchtung. Welche Risiken sie für das Kind bergen, ist bislang wenig bekannt. Um diese Wissenslücke zu schließen, hat die Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg im April 2008 im Rahmen eines deutschlandweiten Großprojektes eine Langzeitstudie gestartet: Wie verlaufen Schwangerschaft und Kindesentwicklung, wenn die Eizelle außerhalb des Körpers gereift war und künstlich befruchtet wurde?

Das Großprojekt „Potential von Keimzellen“, an dem zehn Kliniken und Institute in Deutschland teilnehmen, wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in den nächsten drei Jahren mit mehr als drei Millionen Euro gefördert und soll die molekularen Vorgänge rund um Keimzellentwicklung und Zeugung beleuchten. 100.000 Euro erhält die Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen der Heidelberger Frauenklinik, die gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck und dem „Endokrinologikum“ in Hamburg als einzige Forschungsgruppe eine klinische Fragestellung bearbeitet.

Reifung der Eizelle außerhalb des Körpers erspart intensive Hormonbehandlung

Im Fokus des Heidelberger Projekts steht ein Verfahren, das die künstliche Befruchtung – die In vitro Fertilisation (IVF) – unterstützt: Bei der In vitro Maturation (IVM) reifen die Eizellen zunächst im Reagenzglas, bevor sie befruchtet und in die Gebärmutter eingesetzt werden. Die IVM wurde 2005 erstmals in Deutschland durchgeführt und wird seitdem nur in Heidelberg und Lübeck angewandt. Der Vorteil der IVM: Eine intensive Hormonbehandlung – wie sonst bei der künstlichen Befruchtung üblich, um Eizellen in den Eierstöcken heranreifen zu lassen – ist hier nicht nötig. Die Eierstöcke werden nicht oder nur geringfügig mit Hormonen stimuliert; die Eizellen werden unreif entnommen.

„Besonders Frauen, die sehr sensibel auf die Gabe von Hormonen reagieren oder die aufgrund so genannter polyzystischer Eierstöcke nicht schwanger werden, können von dieser Methode profitieren“, sagt Professor Dr. Thomas Strowitzki, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg. Bei diesen Frauen bilden die Eierstöcke kleine Eibläschen, die nicht von sich aus reifen. Werden sie hormonell stimuliert, wachsen zeitgleich sehr viele Eibläschen heran und die Frauen entwickeln ein sogenanntes Überstimulationssyndrom: Große Zysten entstehen, Flüssigkeit sammelt sich im Bauch, das Thromboserisiko steigt.

„Für diese Frauen ist die IVM häufig die einzige Chance, ohne gesundheitliche Risiken schwanger zu werden“, erklärt Professor Dr. Michael von Wolff, der an der Heidelberger Frauenklinik die Technik der In vitro Maturation durchführt. Im Reagenzglas beschleunigen die natürlichen Hormone FSH (Follikel Stimulierendes Hormon) und HCG (humanes Choriongonadotropin) das Ausreifen der Eizelle: Innerhalb eines Tages durchläuft sie eine Entwicklung, die im Eileiter der Frau ungefähr vier Tage in Anspruch nimmt. Die befruchtete Eizelle wird dann nach weiteren zwei Tagen im Reagenzglas in die Gebärmutter eingesetzt.

Bisher keine schlechten Erfahrungen bei weltweit mehr als 400 Geburten nach „In vitro Maturation“

Doch wie gut verträgt die Eizelle diesen Prozess? „Weltweit wurden bislang mehr als 400 Kinder nach In vitro Maturation geboren. Fehlbildungen sind dabei nicht häufiger als normal beobachtet worden und auch hier in Heidelberg haben wir keine schlechten Erfahrungen mit dieser Technik gemacht“, so Professor Strowitzki. „Wir wissen aber, dass Eizellen, die außerhalb des Körpers reifen, sogenannte Imprinting-Defekte zeigen können. Hier ist nicht die Erbinformation selbst verändert, sondern das Verpackungsmuster, das bestimmt, welche Informationen abgelesen und verwendet werden“, erklärt der Heidelberger Experte.

Ob diese Effekte frühkindliche Erkrankungen auslösen können, wollen die Heidelberger Mediziner und ihre Kollegen aus Lübeck und Hamburg nun in der Studie klären. Durch regelmäßige telefonische Befragung der Eltern und eine Abschlussuntersuchung der Kinder nach zwei Jahren werden sie dokumentieren, wie sich Kinder aus einer IVM entwickeln. Rund 20 Patientinnen pro Jahr sollen jeweils im Rahmen der Studie an den Universitätskliniken Heidelberg (Professor Dr. Thomas Strowitzki und Professor Dr. Michael von Wolff) und Lübeck (Professor Dr. Klaus Diedrich, Privatdozent Dr. Sören von Otte) betreut werden.

Für die Organisation und den Aufbau der Studie ist Professor Dr. Michael Ludwig vom Endokrinologikum in Hamburg verantwortlich; Privatdozent Dr. Alexander Katalinic, Institut für Krebsepidemiologie an der Universität Lübeck, wertet die Daten statistisch aus.

Kontakt:
Professor Dr. Thomas Strowitzki
Ärztlicher Direktor
Abt. Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen
Universitäts-Frauenklinik Heidelberg
Voßstrasse 9, 69115 Heidelberg
Tel.: 06221/56 79 10
Fax: 06221/56 40 99
E-Mail: thomas.strowitzki@med.uni-heidelberg.de
Weitere Information im Internet:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Kinderwunsch-IVF.583.0.html
Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 45 36
Fax: 06221 / 56 45 44
E-Mail: annette.tuffs(at)med.uni-heidelberg.de

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