Studie "The Next Wave" untersucht Geschäftsmodelle von Billigautos weltweit

Low-cost cars auf dem internationalen Markt etabliert; Gründe: Abschmelzen der Mittelklasse und hoher Ölpreis

Low-cost-Entwicklungs- und Produktionsmethoden schwappen auf Mittel- und Oberklassesegment über und verändern die gesamte Automobilindustrie

Vier regionale Geschäftsmodelle: Europa/USA, Japan/Südkorea, China und Indien – Produktkosten bis zu 45% senkbar bei vergleichbarer Funktion

Erfolgreichste low-cost-Autos orientieren sich konsequent an regionalen Kundenbedürfnissen

Kostensenkungen durch Mengeneffekte, eine strikt an Kostenzielen ausgerichtete Entwicklung und konsequente Beschränkung auf Funktionen mit echtem Kundenmehrwert

Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern

Der Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt nimmt zu, Sicherheits- und Umweltvorschriften werden schärfer und Kunden verlangen immer mehr Qualität für immer weniger Geld. Überleben werden nur Unternehmen, die die Wachstumsmärkte, nicht nur in den Entwicklungsländern, erobern.

Billigautos (mit einem Preis unter 10.000 US-Dollar) sind der Schlüssel zu diesen Märkten. Sie haben sich spätestens seit dem überraschenden Erfolg des Dacia Logan und der Markteinführung des Tata Nano als eigenes Segment etabliert. Die Roland Berger Studie „The next wave“, Teil zwei der low-cost car Studie von Roland Berger aus dem Jahr 2006, beschreibt die Strategien der führenden Hersteller und Zulieferer weltweit, diesen wachsenden Markt zu erschließen. Der Studie zufolge lassen sich dabei vier Modelle regional abgrenzen.

Auch kommt es zu neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern. Die Studie basiert auf einer ausführlichen Befragung von über 80 Automobil-Managern in Nordamerika, Westeuropa, Japan, China und Indien und liefert Anregungen für Entwicklung und erfolgreiche Markteinführung in diesem Segment.

„Billigautos werden in den nächsten Jahren eines der Schlüsselthemen für die Automobilindustrie bleiben“, sagt Ralf Kalmbach, Leitender Partner für den Bereich Automotive bei Roland Berger. „Nicht nur in den Entwicklungsländern.“ Die Studie untersucht die Strategien aller führenden Hersteller von low-cost cars, die hauptsächlich von regionalen Unterschieden und Innovationen in den Entwicklungsländern beeinflusst werden. Der immer härtere Preiskampf und die wachsende Konkurrenz aus den Entwicklungsländern zwingen die Hersteller dazu, ihre Produktpalette und Produktionsabläufe an die neuen Marktbedingungen anzupassen.

Produzierten die fünf führenden Hersteller von low-cost-Modellen, alle aus China, im Jahr 2006 noch etwa 500.000 Wagen, bieten heute bereits fast alle Volumenhersteller weltweit solche Modelle an oder planen die Einführung in den nächsten fünf Jahren. „Die etablierten Hersteller geraten immer stärker unter Druck, weil die Konkurrenten in den Entwicklungsländern sich nicht mehr auf die untersten Segmente beschränken“, sagt Automobilexperte Wolfgang Bernhart, Partner bei Roland Berger Strategy Consultants und Mitautor der Studie. „Kostenbewusste Produktionsstrukturen wenden sie zunehmend auch in der Mittel- und Oberklasse an“.

Vier regional geprägte Modelle

Die Autoren identifizieren vier unterschiedliche regional geprägte Modelle zu Entwicklung und Kostensenkung:

1. Europa und die USA oder das „traditionelle Hersteller-Modell“:
Dieses Modell vertreten etwa Renault mit Dacia und General Motors mit Daewoo. Sie reduzieren Kosten mit traditionellen Kostensenkungsprozessen wie Mengeneffekten und strikten design-to-cost Methoden.

2. Das japanische und koreanische Modell: Dieses Modell vertreten Firmen wie Toyota und Hyundai. Kostensenkungen resultieren hauptsächlich aus Prozessinnovationen im globalen Netzwerk.

3. Das chinesische Modell: Für dieses Modell stehen Firmen wie Chery und Geely. Sie reduzieren ihre Kosten mithilfe nachgebauter Lösungen, kombiniert mit dem allgemein niedrigeren chinesischen Kostenniveau. Dieses Modell wird gelegentlich auch als „clone, plug and play“ bezeichnet.

4. Das indische Modell: Dieses Modell vertreten zu unterschiedlichen Anteilen Tata Motors, Maruti sowie Mahindra & Mahindra. Die Firmen senken Kosten durch „cooperative competition“, ähnlich dem open source model in der IT-Branche. Die Unternehmen verteilen Expertise und Investitionen auf eine breite Basis von Zulieferern und Partnern, auch Investitionsrisiken werden aufgeteilt.

Drei Haupt-Unterschiede in den Geschäftsmodellen

„Die Geschäftsmodelle unterscheiden sich vor allem in drei Punkten“, erläutert Roland Berger Partner Bernhart. „Erstens in Produktarchitektur und Design, zweitens in punkto Ausmaß und Zeitpunkt, zu dem die Hersteller die Fahrzeuge selbst produzieren beziehungsweise bei der Entwicklung mit externen Partnern zusammenarbeiten, und drittens bei ihren Strategien, Risiken zu vermeiden und zu minimieren.“

Traditionelle Hersteller können beim Design auf ihre bereits bestehende Modellpalette zurückgreifen. Der Dacia Logan entstand etwa auf der Plattform eines modernisierten Renault X90. „Im Vergleich zu einer Neuentwicklung ist diese Variante um 25 bis 35 Prozent günstiger“, sagt Bernhart. Entwickelt wurde das Fahrzeug hauptsächlich in Frankreich, die Design-Abteilung wird jedoch im rumänischen Pitesti aufgebaut. Auf diese Strategie setzen auch Renault, VW und General Motors.

Hersteller in den Entwicklungsländern können völlig neue Konzepte entwickeln. Chinesische Hersteller etwa haben aus der Not, dem Mangel an Fachkräften, eine Tugend gemacht: Sie beschränken sich auf das, was ihre Zulieferer herstellen können. Diese stärkere Abhängigkeit hat auch Vorteile: Die Kosten für Neuentwicklungen tragen zu einem großen Teil die Zulieferer. Tatas Übernahme von Jaguar und Landrover zeigt aber auch, dass Hersteller aus Entwicklungsländern inzwischen groß genug sind, um etablierte Marken mit deren Knowhow einzukaufen.

Auch bei der Risikominderung unterscheiden sich die etablierten Geschäftsmodelle von denen der Marktneulinge China und Indien. Beim Nano schloss der indische Hersteller Tata beispielsweise langfristige Verträge über große Mengen mit seinen Zulieferern ab. 75 Prozent der Teile liefert exklusiv ein einziger Partner. Die Lieferanten bringen dafür ihr Knowhow ein und beteiligen sich oft sogar finanziell – etwa in Form von Wagniskapital – an dem gemeinsamen Projekt. Erfolgreiche low-cost-Strategien nutzen auch gezielt staatliche Subventionen und errichten ihre Fertigungseinrichtungen in wirtschaftlich schwachen Regionen, um ihre Investitionsrisiken zu senken. Tata wählte als Standort für die Nano-Fertigung etwa das schwach entwickelte Westbengalen.

Strategien für neue Märkte

Firmen, die ihre komplette Strategie kostenbewusst ausrichten und in Entwicklungsländern produzieren, können ihre Kosten um 30 bis 40 Prozent senken. Hersteller aus entwickelten Volkswirtschaften, die weiterhin in ihren Heimatländern produzieren möchten, um etwa 20 bis 30 Prozent.

„Alle Hersteller weltweit fokussieren besonders darauf, Kosten durch Mengeneffekte zu senken und die Zusammenarbeit mit externen Partnern zu optimieren“, resümiert Automobilstratege Bernhart. „Durch Low-Cost Cars entstehen neue Formen von Kooperationen – Hersteller und Zulieferer bewegen sich auf einem immer schmaleren Grat zwischen Kooperation und Wettbewerb.“ Die Hersteller aus den traditionellen Automobilherstellerländern müssen ihre Produktionsstrukturen dramatisch an die neue Konkurrenzsituation anpassen, um ihre Marktanteile halten zu können. Die etablierten asiatischen Hersteller werden wohl nur zum Teil im low-cost-Segment Fuß fassen, während andere sich auf die hochpreisigen Segmente beschränken.

Die chinesischen Hersteller leiden vor allem unter Qualitätsproblemen und fehlender Innovationsfähigkeit. Auch eine Aufwertung des Yuan könnte ihren Aufstieg bremsen. Ein möglicher Weg wären Kooperationen mit etablierten Herstellern wie General Motors. Die indischen Automobilproduzenten profitieren von innovativen Strategien: Die Modelle Co-opetition und Architektur nach dem open source-Prinzip könnten zur größten Herausforderung der globalen Automobilindustrie werden.

Mit dem Eintritt von Herstellern aus Entwicklungsländern in den Automobilbau hat sich der gesamte Branche grundlegend verändert. Das Segment Billigautos war wohl nur der Anfang.

Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, ist die weltweit führende Strategieberatung europäischen Ursprungs. Mit 35 Büros in 24 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. Rund 2.000 Mitarbeiter haben 2007 einen Honorarumsatz von mehr als 600 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von rund 160 Partnern.

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Sebastian Deck presseportal

Weitere Informationen:

http://www.rolandberger.com

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