Spiral-Zeichnung entlarvt Parkinson- und Huntington-Krankheit

Bestechend einfach ist die Messmethode, die Neurologen der Ruhr-Universität entwickelt haben, um das Fortschreiten von Parkinson- und Huntington-Krankheit genau zu verfolgen: Die Patienten zeichnen regelmäßig – zu Hause oder in einer Arztpraxis – eine Spirale auf Papier, die dann per Fax in die RUB-Klinik geschickt und dort binnen Minuten per Computer standardisiert ausgewertet wird.

In zwei großen Telemedizinstudien wird die Methodik jetzt angewandt. 2.000 Parkinson-Patienten aus neun europäischen Ländern und 360 Risiko-Personen für die Huntington-Krankheit aus Europa und Amerika nehmen daran teil. Ziel ist es, den Therapieeffekt des Parkinsonmedikaments Pramipexol zu evaluieren bzw. festzustellen, wann bei Huntington-Patienten erste Krankheitszeichen auftreten und wie der frühe Verlauf aussieht. „Im Umfeld der beiden Studien und weiterer kleinerer Projekte erwarten wir in den nächsten zwei Jahren 40.000 Spiral-Zeichnungen“, so PD Dr. Peter H. Kraus, der die Arbeitsgruppe in der RUB-Neurologie im St. Josef-Hospital leitet.

Wirksamkeit von Medikamenten gegen Parkinson

Das unwillkürliche Zittern der Hände ist eines der Hauptsymptome der Parkinson-Krankheit. Eine Verbesserung oder Verschlechterung der Symptomatik schlägt sich direkt in der Spiralzeichnung nieder – eine einfache Messmethode, die die RUB-Mediziner erstmals standardisiert haben, so dass sie objektive Aussagen über den Krankheitsverlauf ermöglicht. In Kooperation mit Boehringer Ingelheim Austria startet das Bochumer Team nun eine der größten neurologischen Telemedizin-Studien in neun osteuropäischen Ländern (Kroatien, Estland, Litauen, Rumänien, Russland, Serbien, Slowakei, Slowenien, Ukraine). Mehr als 2.000 Parkinson-Patienten sollen in den nächsten zehn Monaten eingeschlossen werden. Sie werden auf das weltweit zugelassene Parkinson-Medikament Pramipexol eingestellt, dessen Therapieeffekt dann mittels regelmäßiger Spiralzeichnungen der Patienten überprüft wird. Die teilnehmenden Ärzte können die Testbögen per Fax nach Bochum schicken, wo sie innerhalb weniger Minuten ausgewertet werden. Der Patient erfährt dann das Testergebnis noch in der Praxis. Über 10.000 Spiralvordrucke sind schon in Bochum erstellt und an die Landeszentralen in Osteuropa ausgeliefert worden. Am Ende der Studie werden alle Original-Formulare mit den Zeichnungen wieder nach Bochum gesandt, wo sie für eine Präzisions-Auswertung eingescannt werden und die Amplitude des Zitterns per Computer analysiert wird.

Frühverlauf der Huntington-Krankheit

Hauptfrage der zweiten Studie ist, wann genau bei Huntington-Patienten erste Auffälligkeiten beim Zeichnen auftreten und wie der frühe Verlauf der Krankheit aussieht. Die Huntington-Krankheit ist eine unheilbare, dominant vererbte Erkrankung, d.h. eine Person, die das entsprechende Gen trägt, wird auf jeden Fall im Laufe ihres Lebens daran erkranken. Das Hauptsymptom sind unwillkürliche Bewegungen, so genannte Hyperkinesen, die sich auf die Zeichenfähigkeit auswirken. In der Studie, die über drei Jahre läuft, werden 360 Risiko-Personen für die Huntington-Erkrankung mit einer Reihe von Tests (Rating-Skalen und instrumentelle Motorik-Tests) untersucht. „Die Grafimetrie wird hier nicht nur – wie die anderen Tests – bei jährlichen Untersuchungen in den klinischen Zentren in Leiden, Paris, London und Vancouver durchgeführt, sondern darüber hinaus monatlich bei den Versuchspersonen zu Hause“, erläutert Dr. Kraus. Insgesamt 12.600 Testbögen werden für die Studie analysiert. Sie kommen zur Auswertung per Post nach Bochum zurück; die Fax-Übertragung dient zusätzlich der Qualitätskontrolle.

Den Patienten in seinem Alltag erfassen

„Im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Verfahren, bei denen Patienten in spezialisierte Zentren kommen, um in gewissen Abständen in einer Laborsituation einen Test zu machen, liefert die Grafimetrie engmaschig viele Werte vom Patienten zu Hause“, erklärt Dr. Kraus die Vorteile des Verfahrens. „Es ist möglich, den Patienten in seinem Alltag zu erfassen.“ Aufgrund ihres Umfangs könnten die so gewonnenen Daten durchaus mit der Datenqualität des Labors mithalten. Die Anwendung vor Ort ist einfach und erfordert keine teure und aufwendige Ausrüstung.

„Sicherung“ gegen Fehler ist eingebaut

Erst die Auswertung in Bochum läuft über Hightech-Equipment. Denn bei aller Einfachheit handelt es sich um ein ausgeklügeltes Verfahren, das die Forscher über Jahre hinweg optimiert haben. „Die Grafimetrie ist in allen Schritten ein hochstandardisierter Ablauf, bei dem technische Details von der Auswahl des Zeichenmaterials bis zur optimalen Einstellung für den Scan-Vorgang ebenso eine wichtige Rolle spielen wie in Einzelfällen der Kontrollblick auf die Originalzeichnungen durch geschultes Fachpersonal, wenn ein Bogen nicht auswertbar ist oder vom System als auffällig angezeigt wird“, erklärt Dr. Kraus. Eine ganze Reihe von Anforderungen mussten die Mediziner bei der Entwicklung berücksichtigen: Das Verfahren muss leicht verständlich sein, die Untersuchung darf nicht lange dauern, es müssen bestimmte Toleranzen erlaubt sein, d.h. das Verfahren muss stabil gegen bestimmte Fehler sein, und die möglichen Fehler müssen bekannt sein. „Der einfachste Fehler besteht zum Beispiel darin, dass das Formular falsch herum ins Faxgerät gelegt wird, so dass die leere Rückseite zurückgesandt wird“, so Dr. Kraus. Die „Sicherung“ gegen diesen Fehler ist eine Kodierung auf den Formularen, die dafür sorgt, dass der Absender im Fehlerfall sofort automatisch ein Fax zurück bekommt, das ihn auffordert, das Blatt umzudrehen.

Weitere Informationen

PD Dr. Peter H. Kraus, Klinik für Neurologie der Ruhr-Universität Bochum im St. Josef-Hospital, Stadionring 23b, 44791 Bochum, Tel. 0234/509-0, E-Mail: peter.h.kraus@rub.de

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Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

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