Beschaffung aus China: Logistikkosten werden oft unterschätzt

China hat sich als Beschaffungsmarkt für deutsche Unternehmen etabliert, aber nicht jedes Unternehmen profitiert im gleichen Maße. Wie aus der neuen Studie „Beschaffungslogistik im China-Geschäft.

Kosten – Prozesse – Strategien“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) hervor geht, beträgt der Preisvorteil bei den aus China am günstigsten beschafften Produktgruppen im Vergleich zu Deutschland bis zu 50 Prozent.

Bei einigen Unternehmen fallen die Kosteneinsparungen durch den Einkauf von Waren und Vorprodukten (Sourcing) bei chinesischen Zulieferern jedoch deutlich niedriger aus: „Jedes dritte befragte Unternehmen nimmt bei Beschaffung aus China sogar Verluste in Kauf“, kommentiert Harald Kayser, Leiter der China Business Group bei PwC das Ergebnis der Studie. Ursache sind zum einen Planungsfehler. So kalkulieren viele Unternehmen den Aufwand für den Transport nach Deutschland sowie die aufwändige Qualitätssicherung nicht mit ein.

Zum anderen entscheiden sich Großunternehmen mitunter bewusst auch dann für China, wenn das Sourcing in Deutschland günstiger wäre. Ausschlaggebend sind strategische Überlegungen. Kayser: „International agierende Konzerne kommen allein schon aufgrund der Größe des lokalen Marktes nicht an China vorbei. Außerdem achtet die chinesische Regierung bei Auftragsvergaben sehr wohl darauf, dass ein Teil der Wertschöpfung im Inland erfolgt. Daher kann auch ein unrentables Sourcing als Zukunftsinvestition lohnend sein.“

Für die Studie wurden die (Chef-) Einkäufer und Logistikverantwortlichen von 203 Unternehmen mit Firmenmitgliedschaft im BME befragt, die Waren und andere Vorleistungen aus China beziehen. Knapp ein Drittel der Befragten erzielt einen Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro. Ebenfalls ausgewertet wurden die Antworten von 370 weiteren Unternehmen, die bislang nicht in China einkaufen.

China hat die Nase vorn – andere Wachstumsmärkte schließen auf

Gut die Hälfte der Unternehmen beschafft in China seit mehr als fünf Jahren, etwa 20 Prozent sind sogar schon länger als zehn Jahre im Land präsent. Sechs Prozent der Befragten sind erst seit einem Jahr auf dem chinesischen Beschaffungsmarkt engagiert. Peter Albrecht, Leiter des Bereichs Industrielle Produktion bei PwC: „Dies ist ein Indiz dafür, dass die meisten Unternehmen, für die globales Sourcing attraktiv ist, mittlerweile bereits im Reich der Mitte vertreten sind.“ Von den in China aktiven Unternehmen gaben 75 Prozent an, dass Sourcing aus China weiter an Bedeutung gewinnt.

Allerdings sehen sie auch Beschaffung in Osteuropa und Indien mit 67 bzw. 65 Prozent im Aufwind. Für eine Verlagerung nach Deutschland gibt es demgegenüber kaum Hinweise. Nur fünf Prozent glauben an eine wieder wachsende Bedeutung des Standorts, 30 Prozent erwarten weitere Verlagerungen ins Ausland.

Großunternehmen kaufen oft zu teuer ein

Die befragten Unternehmen zahlen bei Produktgruppen, die sie nach eigenen Angaben am kostengünstigsten beschaffen, durchschnittlich rund 19 Prozent weniger als in Deutschland, im schlechtesten Fall knapp 2 Prozent mehr. Im Durchschnitt liegt der Preisvorteil bei 10 Prozent. Die Fracht- und anderen Logistikkosten, wie Versicherungen, Prüfkosten, Verzollung, Anlieferung, Lagerung, Reklamations- und Managementkosten machen dabei etwa ein Drittel der gesamten Beschaffungskosten aus.

Dr. Holger Hildebrandt, BME-Hauptgeschäftsführer: „Wer bei der Beschaffung in China vor allem den Preis im Blick hat, sollte den gesamten Logistikprozess von der Produktion bis zur Anlieferung an die Rampe bereits im Vorfeld analysieren – und nach Anlauf fest im Griff behalten.“

Bemerkenswert ist, dass große Unternehmen im Durchschnitt kleinere Kostenvorteile erzielen. So sparen Befragte mit mehr als 2.000 Mitarbeitern durch die Beschaffung in China bei kostengünstigen Produktgruppen durchschnittlich 21 Prozent, während sie bei anderen durchschnittlich sogar bis zu 5 Prozent mehr bezahlen als in Deutschland. Demgegenüber kaufen Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern in China stets zwischen 23 und knapp 5 Prozent günstiger ein als in Deutschland.

Kostensenkungspotenziale liegen brach

Auch Abstimmungsfehler können dafür verantwortlich sein, wenn sich die Beschaffung in China nicht auszahlt. Zum Beispiel die Logistikabteilung nicht an Sourcing-Entscheidungen beteiligt wird.

„Das kann fatale Folgen haben: Bestellt beispielsweise der Einkäufer zwar beim günstigsten Zulieferer, der jedoch weitab vom nächsten Hafen produziert, zehren die Logistikkosten schnell den ursprünglichen Preisvorteil auf“, erläutert Peter Albrecht.

Zudem nutzen bei ihren Beschaffungsaktivitäten nur zwei von drei Unternehmen Logistik-Controlling. Die Konsequenz: Jedes dritte Unternehmen kann weder die exakten Logistikkosten in China noch den Kostenvorteil gegenüber der Beschaffung in Deutschland oder anderen Märkten beziffern. Kayser: „Angesichts der hohen Bedeutung der Fracht- und Logistikkosten ist dies ein schwerwiegender Fehler. Ohne Kostencontrolling ist das Risiko viel zu hoch, in China letztlich teurer einzukaufen als in Deutschland.“

Dr. Hildebrandt bringt die Erfahrungen der Mitgliedsfirmen des BME auf den Punkt: „Logistik kann sich bei Beschaffung in China als entscheidender Wettbewerbsfaktor erweisen oder aber auch als die eigentliche Schwachstelle. Kurze und schlechte Vorbereitung, aber auch eine indifferente Beratung sind Faktoren, die Einkaufserfolge relativieren.“

Auch die zahlreichen Möglichkeiten des Zoll- und Steuermanagements, wie zum Beispiel Logistikparks und Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung, schöpft mehr als Dreiviertel der Unternehmen nicht aus. Und schließlich gibt es auch beim Qualitätsmanagement Optimierungspotenzial. Obwohl die Mehrzahl der Unternehmen bereits seit Jahren in China einkauft, erfüllen die chinesischen Anbieter häufig nicht die geforderten Standards. Bei der Qualitätskontrolle beauftragen deutsche Unternehmen daher bevorzugt deutsche Anbieter. Rund vier von zehn Unternehmen berichten über „erhebliche“ Kosten für die Qualitätsprüfung. Damit ist der Aufwand für die Qualitätssicherung nach Ansicht der Befragten der zweitwichtigste Kostenblock hinter den reinen Frachtkosten. Kayser: „Ein Lösungsansatz ist stärkere Kontrolle der Lieferanten. Das geht von systematischer Betreuung vor Ort bis hin zur strategischen Beteiligung am Unternehmen.“

Die PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist in Deutschland mit 8.390 Mitarbeitern und einem Umsatzvolumen von rund 1,35 Milliarden Euro eine der führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften. An 28 Standorten arbeiten Experten für nationale und internationale Mandanten jeder Größe. PwC bietet Dienstleistungen an in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Dienstleistungen (Assurance), Steuerberatung (Tax) sowie in den Bereichen Transaktions-, Prozess- und Krisenberatung (Advisory).

Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), 1954 gegründet, ist Dienstleister für rund 6.000 Einzel- und Firmenmitglieder, darunter die Top-200-Unternehmen. Der BME fördert den Erfahrungsaustausch für Unternehmen und Wissenschaft, für die Beschaffungs- und für die Anbieterseite. Zu den Services gehören Veröffentlichungen/Studien, Rechtsberatung, Benchmarks, Dienstleistungen für Personal & Karriere, China-Plattform, E-Business-Dienstleistungen (BMEnet GmbH) sowie ein Portfolio mit rund 500 Veranstaltungen (BME e.V. und BME Akademie).

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