Bain-Analyse zum Kanzlergipfel Elektromobilität: Höchste Zeit zu Handeln

Mit der Gründung der Geschäftsstelle E-Mobilität geht die Bundesregierung einen entscheidenden Schritt. Dadurch könne die künftige öffentliche Förderung bei der Entwicklung elektrisch betriebener Fahrzeuge nach einem einheitlichen Konzept zentral gesteuert werden, wie es auch in vielen anderen Ländern bereits der Fall sei. Dies gebe der deutschen Industrie die Möglichkeit, ihren derzeitigen Rückstand bei Serienfahrzeugen mit Elektroantrieb noch aufzuholen. Wie das gehen könnte, zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Bain & Company auf.

Heute empfängt die Kanzlerin Vertreter aus der Automobil-, Energie- und Technologieindustrie, um sich über ein gemeinsames Arbeitsprogramm zur Förderung der Elektromobilität zu verständigen. Dabei wird es vorrangig um Forschungsbeihilfen für die deutsche Industrie gehen, denn die hinkt bei der Entwicklung serienreifer Elektrofahrzeuge deutlich hinter der internationalen Konkurrenz aus China, Frankreich, Japan und den USA her. Eine aktuelle Bain-Analyse zeigt, dass die heute führenden E-Auto-Hersteller sehr häufig auf eine nationale Förderpolitik von mehr als zehn Jahren zurückblicken können – im Falle Japans sind es sogar fast 40 Jahre.

Deutschland steht dagegen erst am Anfang. Obwohl mit dem Konjunkturpaket II von 2009 bis Ende dieses Jahres 500 Mio. EUR an Fördermitteln in die Elektromobilität geflossen sind, wurde bisher nur wenig für die deutsche Industrie erreicht, so die Bain-Analyse.

„Die Mittel des Konjunkturpakets II von 2009 wurden ohne einen ministerienübergreifenden Masterplan an die unterschiedlichsten regionalen Pilotprojekte verteilt. Dadurch besteht die Gefahr, dass ihre industriepolitische Wirkung weitgehend verpufft.“ sagt Gregor Matthies, Partner und Automobilexperte bei Bain & Company in München. „Aufgabe der neuen Geschäftsstelle E-Mobilität des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums muss es deshalb sein, die Förderung nach einem integrierten Konzept mit klaren Prioritäten zentral zu steuern. Zudem müssen die vielen laufenden Forschungsprojekte aufeinander abgestimmt und viel stärker miteinander vernetzt werden.“

Infrastruktur-Investitionen zunächst nicht notwendig

Der Aufbau einer öffentlichen E-Mobiltäts-Infrastruktur sollte nach Ansicht von Bain zunächst keine Priorität genießen. Die meisten E-Auto-Nutzer der ersten E-Mobilitäts-Phase werden sich mit der Reichweite rund um ihre Ladestation begnügen. Es sind einerseits wohlhabende Privatleute, die bereits ein Premiumfahrzeug besitzen und das E-Auto von zuhause aus als Zweitfahrzeug für den Nahverkehr nutzen wollen. Andererseits sind es kleine und große Unternehmen, die ihre Firmenwagen auf dem eigenen Parkplatz laden können. „Interessant für Deutschland könnten deshalb neben der Forschungsförderung für die Industrie auch Steuererleichterungen für elektrische Firmenwagen sein“, meint Automobilexperte Matthies. „Dies könnte nach dem Vorbild der britischen E-Mobilitäts-Förderung sowohl die Nutzer von Dienstwägen als auch die Unternehmen entlasten.“

Untersuchungen haben ergeben, dass der Deutsche pro Tag durchschnittlich nur knapp 40 Kilometer zurücklegt. Das bedeutet konkret, dass 80 Prozent der Autofahrer ihr E-Auto abends mit deutlich mehr als der halben Batterieladung in der heimischen Garage zum Wiederaufladen abstellen werden. Investitionen in neue Kraftwerke werden durch die E-Mobilität ebenfalls zunächst nicht nötig. Selbst bei einem Anteil der E-Autos von 20 Prozent stiege der Stromverbrauch lediglich um rund vier Prozent, die zudem vorwiegend nachts anfielen.

Vorrangiges Ziel der E-Mobilitäts-Förderung muss jedoch die Unterstützung und Koordination einer branchenübergreifenden Forschung sein, die von der Batterie bis zum fertigen System reicht. Trotz des späten Starts der deutschen Industrie in die E-Mobilität ist ein Aufholen nach Ansicht der Bain-Berater möglich: „Spät, dafür aber besser – das hat eine lange Tradition bei deutschen Ingenieuren“, meint Matthies. „Und bisher waren sie mit dieser Taktik ja auch meist erfolgreich.“

Verheißungen der E-Mobilität öffnen die Staatskassen weltweit

Andere Länder haben bereits vor vielen Jahren begonnen, die E-Mobilität intensiv zu fördern, allen voran Japan. Die technologische Führung der japanischen Industrie bei den Hybrid-Fahrzeugen hat ihren Ursprung auch in den intensiven staatlichen Förderprogrammen zu Elektro- und Hybridantrieben. Für China gibt es zwei Aspekte, die die E-Mobilität für das Land besonders interessant machen: Einerseits hat die heimische Automobilindustrie bei der noch jungen E-Auto-Technologie die Chance, schnell zur internationalen Konkurrenz aufzuschließen, andererseits leiden viele chinesische Großstädte unter einer hohen Smog-Belastung, die durch E-Autos gelindert werden könnte. Frankreich widerum wittert die Chance, mit einer großangelegten E-Mobilitäts-Initiative der zu weiten Teilen in Staatsbesitz befindlichen Automobilindustrie neue Impulse geben zu können.

China

China begann im Jahr 2001, die Forschung und Entwicklung von E-Autos mit progressiv ansteigenden Beträgen zu subventionieren. Bis 2005 flossen 100 Mio. EUR in die neue Technologie, von 2006 bis Ende 2010 sind es weitere 550 Mio. EUR. Die chinesische Regierung fördert öffentliche Elektrobusse mit 55.000 EUR und E-Autos für den öffentlichen Dienst mit 6.700 EUR. Einige Städte haben zudem begrenzte Subventionen für Käufer angekündigt, so will etwa Chongqing für die ersten 100 Käufer des E-Autos „Chana Jiexun“ neben einem Zuschuss auch eine dreijährige Maut-Befreiung gewähren. Die Mehrheit der Automobilexperten in China glaubt, dass eine E-Auto-Penetration von 5 Prozent bereits bis zum Jahr 2015 möglich ist.

Frankreich

Bereits vor der Jahrtausendwende subventionierte Frankreich Hersteller und Käufer von E-Autos mit insgesamt 230 Mio. EUR. Im Jahr 2005 flossen 40 Mio. EUR in die Erforschung und Entwicklung alternativer Antriebe, im folgenden Jahr 120 Mio. EUR und von 2007 bis 2009 waren es 250 Mio. EUR. Neben direkten Förderungen für die Automobilforschung sind bis zum Jahr 2020 Käufersubventionen von 5.000 EUR je Auto, eine kostenlose Autozulassung und verringerte nächtliche Ladegebühren geplant. Bis zum Jahr 2020 plant Frankreich, 670 Mio. EUR in die Elektromobilität zu investieren.

Japan

Die japanischen Behörden haben seit 1971 kontinuierlich in die E-Mobilität und in Hybrid-Technologien investiert. Es gab mehrere langjährige Forschungsprojekte mit breiter Industriebeteiligung, ein Infrastrukturprojekt für Stromtankstellen, den „Clean Energy Vehicle Diffusion Plan“ zur Einführung saubererer Fahrzeuge und das Millennium Projekt zur E-Komponenten-Standardisierung. 2008 und 2009 investierte die japanische Regierung jeweils rund 50 Mio. EUR in die Elektromobilität, 2010 werden es 100 Mio. EUR sein. Bisher hat die japanische Regierung keine offizielle Ankündigung zur weiteren Förderung der E-Mobilität gemacht. Regierungsvertreter erwarten jedoch eine Käufer-Subvention von 2.000 EUR für den Wechsel von einem mehr als 13 Jahre alten Auto zu einem E-Auto, eine Befreiung von E- und Hybridautos von der KFZ-Steuer sowie eine Senkung der Steuern um 50 bis 70 Prozent für Käufer von schadstoffarmen und kraftstoffsparenden Autos.

USA

Die USA subventionierten die Entwicklung von Elektrofahrzeugen zwischen 1993 und 1998 mit insgesamt 455 Mio. EUR und auch danach flossen kontinuierlich Staatsgelder in die F&E von Elektrofahrzeugen. Bis 2016 will die US-Regierung weitere 1,5 Mrd. EUR an Forschungsbeihilfen gewähren. Zudem haben die USA Käufer-Subventionen angekündigt. Im Gespräch ist ein Kredit von 1.800 EUR für jedes Auto mit einer Batteriekapazität von mehr als 4.000 kWh sowie 316 EUR für je weiterer 1.000 kWh. Bei Hybridfahrzeugen soll es für die ersten 60.000 Fahrzeuge je Hersteller einen Kredit von 2.600 EUR geben. Zudem sollen E-Autos umsonst parken dürfen und von Gebühren für Straßenerhalt und Maut befreit werden.

Großbritannien

In Großbritannien sollen E- und Hybrid-Autos ab 2011 einen Kaufzuschuss von 25 Prozent erhalten, bis zu einer Grenze von 5.800 EUR, dazu eine 50%-Reduzierung für das Aufladen über Nacht sowie Befreiungen von den Steuer- und Anmeldungskosten, Mautgebühren und den Londoner Stau-Zuschlägen. Für Firmenwagen sind spezielle E-Auto-Sätze für die Abschreibung vorgesehen. Zudem fördert London die Einrichtung von Parkplätzen mit Ladegelegenheit, auf denen nur Car Club-Autos stehen dürfen. Bis 2020 soll das Programm rund 2,6 Mrd. EUR kosten.

Media Contact

Leila Kunstmann-Seik presseportal

Weitere Informationen:

http://www.bain.com

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