Autohersteller ressourceneffizient?

Toyota und BMW behaupten Spitzenposition. Daimler AG schiebt sich auf Platz drei vor. US-Autobauer und FIAT verlieren Anschluss. Indischer Produzent Tata liefert erstmals Daten.

Finanzkrise, Energiekrise, Klimakrise: Wie kaum ein anderer Sektor steuert die Automobilbranche unruhigen Zeiten entgegen. Nie zuvor war es deshalb für die Automobilhersteller so wichtig, zielgerichtet und sparsam mit ihren Ressourcen umzugehen. Die heute erschienene Neuauflage der internationalen Studie „Sustainable Value in der Automobilproduktion“ widmet sich dieser Thematik und bewertet, wie effizient 17 der weltweit führenden Automobilhersteller über den Zeitraum von 1999 bis 2007 mit Umweltressourcen, Menschen und Kapital wirtschaften. Eine Vorgängerstudie hatte die Branchendaten bis 2005 analysiert.

Die Methode – an Opportunitätskosten angelehnt
Erstellt wurde die Studie von Wissenschaftlern des Berliner IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, der Queen's University Belfast und der Euromed Management School Marseille. Die Bewertung erfolgt durch einen Vergleich der einzelnen Unternehmen mit dem Branchendurchschnitt mittels des Sustainable-Value-Ansatzes. Wie viel Klimagase stößt ein Unternehmen im Vergleich zu seinen Wettbewerbern aus? Wie viele Arbeitsunfälle passieren? Wie viel mehr Gewinn bzw. Verlust erzielt ein Unternehmen mit diesen Ressourcen im Vergleich zur Branche?

Mit diesen Daten und dem Sustainable-Value-Ansatz ermittelt die Studie, welche Automobilhersteller besonders ressourceneffizient produzieren. Das Ergebnis, der nachhaltige Mehrwert oder „Sustainable Value“, wird in einer einzigen integrierten, monetären Kennzahl ausgedrückt. Prof. Dr. Frank Figge von der Queen's University Belfast erklärt: „Nachhaltigen Mehrwert – 'Sustainable Value' – erzielen Unternehmen immer dann, wenn sie ihre ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen effizienter einsetzen als die Konkurrenz. Mit dem Sustainable-Value-Ansatz können wir diesen Effizienzvorteil in monetären Größen ausdrücken.“

Die Ergebnisse in absoluten Eurowerten
Die Studie deckt insgesamt einen Zeitraum von neun Jahren ab. Es zeigt sich, dass Toyota und BMW ihre Spitzenposition im Hinblick auf die Ressourceneffizienz auch in den Jahren 2006 und 2007 klar behaupten konnten. Beide Hersteller zeichnen sich durch einen deutlich effizienteren Umgang mit ihren ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen im Vergleich zur Konkurrenz aus. Im Jahr 2007 erwirtschaftete Toyota einen absoluten nachhaltigen Mehrwert („Sustainable Value“) von 5,26 Mrd. Euro. Toyota hat daher mit seinen Ressourcen 5,26 Mrd. Euro mehr Gewinn erzielt als die Branche mit diesen Ressourcen im Durchschnitt erwirtschaftet hätte. Zwischenzeitlich erreicht das Branchenschwergewicht im Jahr 2006 sogar den höchsten im Rahmen der Studie gemessenen Wert in Höhe von 7,44 Mrd. Euro. Neu im Bunde der effizientesten Hersteller befindet sich die Daimler AG: Nachdem das Unternehmen in den Vorjahren – noch als DaimlerChrysler – im Herstellervergleich eher im Mittelfeld dümpelte, erreicht es nach der Abspaltung von Chrysler im Jahr 2007 noch vor BMW mit 3,92 Mrd. Euro den zweithöchsten Sustainable Value. Mit deutlichem Abstand folgt BMW mit 2,82 Mrd. Euro Sustainable Value auf Rang drei. Dies ist allerdings in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass BMW ein erheblich kleineres Unternehmen als Toyota und Daimler ist.
Die Ergebnisse in Relation zum Umsatz
Um den Größenunterschied zu berücksichtigen, berechnen die Wissenschaftler die Nachhaltigkeitseffizienz und setzen den Sustainable Value eines Unternehmens mit dem Umsatz ins Verhältnis. Hier weist der mittelgroße Hersteller BMW die höchste Nachhaltigkeitseffizienz auf, dicht gefolgt von Toyota. Nur Daimler kann dem Spitzenduo einigermaßen folgen. Pro Euro Umsatz erzielte BMW im Jahr 2007 5 Cent Sustainable Value, Toyota hingegen 4,9 Cent und Daimler 3,9 Cent. Dazu Andrea Liesen vom Berliner IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung: „Berücksichtigt man die Unternehmensgröße, kann sich BMW in sieben der neun betrachteten Jahre als Branchenerster knapp vor dem Wettbewerber Toyota platzieren. Insgesamt liefern sich beide Hersteller aber ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen.“ Am unteren Ende des Rankings findet sich mit deutlichem Abstand General Motors (GM): Der US-amerikanische Hersteller verzeichnet im Jahr 2007 pro Euro Umsatz einen negativen Sustainable Value von -7,5 Cent. Als ebenfalls deutlich ineffizienter als der Branchendurchschnitt erweisen sich Ford und FIAT Auto mit einem Verlust von jeweils -2,6 Cent Sustainable Value pro Euro Umsatz.
Neun Indikatoren – 17 Autobauer
Die vorliegende Studie betrachtet insgesamt ein Indikatorenset von neun ökologischen, ökonomischen und sozialen Ressourcen – darunter: Kapitaleinsatz, Wasserverbrauch, Gesamtabfallmenge, Emissionen von Kohlendioxid, Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden sowie von flüchtigen organischen Verbindungen. Des weiteren wurde die Anzahl der Arbeitsplätze und der Arbeitsunfälle einbezogen. Die Bewertung basiert auf Daten und Informationen, die von den Unternehmen selbst veröffentlicht wurden. 17 der 20 weltweit größten Autobauer konnten so in dem Ranking berücksichtigt werden: BMW Group, Daihatsu, DaimlerChrysler/Daimler AG, FIAT Auto, Ford, General Motors (GM), Honda, Hyundai, Isuzu, Mitsubishi, Nissan, PSA (Peugeot, Citroën), Renault, Suzuki, Tata, Toyota und die Volkswagen Gruppe. Dazu Dr. Tobias Hahn, Associate Professor an der Euromed Management School Marseille: „Eine wichtige Besonderheit der vorliegenden Studie ist, dass wir mit ihr die Nachhaltigkeitsleistung eines gesamten Sektors abbilden. Die 17 betrachteten Hersteller decken etwa 80% der weltweiten Automobilproduktion ab.“
Umweltberichterstattung insgesamt unbefriedigend
Eine ernüchternde Erkenntnis der Untersuchung ist allerdings, dass sich die Datenlage auch in den Jahren 2006 und 2007 insgesamt keineswegs verbessert hat. Zwar konnte der indische Hersteller Tata im Jahr 2007 erstmals berücksichtigt werden – und weist eine knapp überdurchschnittliche Nachhaltigkeitseffizienz auf – bei anderen Autobauern wie beispielsweise Porsche, KIA oder den chinesischen Herstellern ist die Datenlage jedoch nach wie vor unzureichend. Daihatsu konnte sogar im Gegensatz zu den Vorjahren aufgrund mangelnder Datenverfügbarkeit nicht mehr berücksichtigt werden.
Asien vor Europa und den USA
Über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg fällt auf, dass sich die meisten asiatischen Hersteller über dem Branchendurchschnitt bewegen und mit einem durchgängig positiven Sustainable Value aufwarten: Neben Toyota auch Hyundai, Nissan, Honda und – mit leichten Abstrichen – Suzuki. Im Gegensatz dazu geben die europäischen Hersteller ein durchwachsenes Bild ab: nur BMW befindet sich in allen Jahren des Betrachtungszeitraums zusammen mit Toyota an der Spitze des Rankings. Im Gegensatz dazu zeigen sich bei den weiteren europäischen Herstellern DaimlerChrysler/Daimler, PSA, Renault und Volkswagen Licht und Schatten. FIAT Auto weist durchgehend negative Werte auf. Den größten Aufholbedarf zeigen jedoch die nordamerikanischen Hersteller: Sowohl Ford als auch General Motors schneiden extrem schwach ab. Demgegenüber hat sich Ford immerhin auf niedrigem Niveau stabilisiert, während sich GM im freien Fall befindet. GM weist in allen betrachteten Jahren den niedrigsten Sustainable Value und darüber hinaus den stärksten Negativtrend auf.

Der dieser Studie zugrunde liegende Sustainable-Value-Ansatz wurde von den beteiligten Wissenschaftlern Prof. Dr. Frank Figge (Queen's University Belfast) und Dr. Tobias Hahn (Euromed Management School Marseille) entwickelt. Der Ansatz wurde in der Zwischenzeit in verschiedenen Studien angewandt. Auftraggeber waren und sind u.a. die EU-Kommission, das Bundesforschungs- und das Bundeswirtschaftsministerium. Einen öffentlich finanzierten internationalen Branchenvergleich gab es bisher nicht. Die BMW Group hat die Automobilstudie inklusive der vorliegenden Aktualisierung daher selbst in Auftrag gegeben und maßgeblich finanziert. Die Effizienzunterschiede in der Automobilproduktion sind nach wie vor beträchtlich. Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, dass sich die Hersteller regelmäßig einem Nachhaltigkeitsvergleich stellen.

Ein kostenloser Download der Studie sowie weitere Erläuterungen zur Sustainable-Value-Methode finden sich unter http://www.sustainablevalue.com

Kontakte:
Pressestelle des IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung,
Barbara Debus
Tel.: +49-(0)30-803088-45, E-Mail: b.debus@izt.de
Wissenschaftliches Team: Andrea Liesen
IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung,
Tel.: +49-(0)30-803088-47, E-Mail: a.liesen@izt.de

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