Auenwiesen können sich nur sehr langsam selbst regenerieren

Die botanische Vielfalt der Auenwiesen in Mitteldeutschland, wie sie vor der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung herrschte, wird in absehbarer Zeit nicht von selber wiederkehren. Das schlussfolgern Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung aus Untersuchungen im Überschwemmungsgebiet der Flüsse Elbe, Saale, Luppe und Elster. Die Geschwindigkeit, mit der zwei der untersuchte Pflanzenarten ihren früheren Lebensraum auf natürliche Weise zurückerobern, sei mit etwa drei Metern pro Jahr sehr langsam. Pläne zur Revitalisierung der Auenwiesen sollten daher auch künstliche Methoden wie das Verstreuen von Heu aus artenreichen Wiesen oder das gezielte Aussäen von Samen in Betracht ziehen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Journal of Applied Ecology“. Insgesamt wurden für die Studie sieben Arten von mehrjährigen Wiesenstauden auf 33 verschiedenen Probeflächen über einen Zeitraum von 15 Jahren untersucht.

In der Mitteldeutschen Studie betrug die „effektive Verbreitungsgeschwindigkeit“ auf natürlichen Weg bei der Gewöhnlichen Wiesensilge (Silaum silaus) lediglich 40 Meter in 15 Jahren. Die zweite experimentell untersuchte Art, die Färber-Scharte (Serratula tinctoria), kam sogar auf nur 15 Meter. „Zur Verbreitung des Samens können Fluten oft wenig beitragen, da diese meist im Frühjahr auftreten, also viel zu lange nach dem Abfallen der Früchte im Herbst“, erklärt Guido Warthemann, der die Untersuchung zusammen mit Dr. Armin Bischoff und Dr. Stefan Klotz durchgeführt hat.

„Mähmaschinen und Weidetiere haben dagegen je nach Art das Potenzial, die Samen schneller über weite Strecken zu tragen.“

Die Auenwiesen, also die Grünländer zwischen Fluss und Deich, sind gekennzeichnet durch Lehmböden und regelmäßige Überflutungen – meist am Ende des Winters oder im Frühjahr. Die Standorte von Auenwiesen sind nährstoffreich, da die Überflutungen Sedimente eintragen. Auf den Auenwiesen der Elbe schwankt der Wasserstand je nach Jahreszeit um bis zu fünf Meter.

Durch geringe Niederschläge (langjähriges Mittel: 480 bis 560 mm pro Jahr) können die Bedingungen zwischen den Fluten ausgesprochen trocken sein. Seit dem Beginn der Kultivierung vor 3000 Jahren wurde der natürliche Auenwald schrittweise weitgehend durch Auenwiesen ersetzt. Der Zeitraum intensiver landwirtschaftlicher Nutzung von den 1960er Jahren bis zur Wende führte zu einem Rückgang der Artenvielfalt. Seit den frühen 1990er Jahren hat die Nutzungsintensität teilweise wieder das Niveau vor der intensiven Nutzung erreicht, weil die Viehdichten zurückgegangen sind und agrarstrukturelle Fördermaßnahmen eingeführt wurden. Diese können Düngung verbieten, die Anzahl der Weidetiere auf 1,4 Kühe pro Hektar beschränken und den Beginn der Weide- bzw. Mahdsaison festlegen. Meist ist das der 15. Juni. Das führt dazu, dass diese Wiesen jetzt höchstens zweimal pro Jahr gemäht oder extensiv beweidet werden. Solche Maßnahmen wirken sich auf die Artenvielfalt positiv aus, wenn die ursprünglichen, wertvollen Arten noch vorhanden sind.

Bis in die frühen 1990er Jahre dachte man, das Nährstoffabsenkungen der Wiesenstandorte ausreichen könnten, um die Artenvielfalt wieder zu erhöhen, da vermutet wurde, dass sich Wiesenarten schneller ausbreiten.

Heute ist klar, dass dies bei Fehlen der Arten in der unmittelbaren Umgebung alleine nicht ausreicht. Deshalb wird zunehmend empfohlen, zur schnellen Erzielung von Artenvielfalt in artenarmen Wiesen mit Mahdgut- oder Samenübertragungsprogramme nach zu helfen.

Publikation:
Bischoff, A., Warthemann, G., Klotz, S. (2009):
Succession of floodplain grasslands following reduction in land use intensity: the importance of environmental conditions, management and dispersal J.Appl.Ecol. 46 (1), 241-249 http://dx.doi.org/10.1111/j.1365-2664.2008.01581.x

Die Untersuchungen wurden vom Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert sowie vom Biosphärenreservat Mittelelbe/Sachsen-Anhalt unterstützt.

Weitere
fachliche Informationen:
Guido Warthemann
LPR Landschaftsplanung Dr. Reichhoff GbR
Telefon: 0340-8823183
http://www.lpr-landschaftsplanung.de/
und
Dr. Stefan Klotz
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0345-558-5302
http://www.ufz.de/index.php?de=14699
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1269
E-mail: presse@ufz.de
Weiterführende Links:
Netzwerk für ökologische Langzeitforschung:
http://www.lter-d.ufz.de/
Färber-Scharte (Serratula tinctoria):
http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%A4rber-Scharte
Gewöhnliche Wiesensilge (Silaum silaus):
http://de.wikipedia.org/wiki/Gew%C3%B6hnliche_Wiesensilge

wiss. Projekte zum Thema:
http://www.botanik.uni-halle.de/staff/71880_1044461/1044461_1053455/
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weitreichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,4 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

Das Biosphärenreservat Mittelelbe umfasst den sachsen-anhaltischen und mit rund 126.000 Hektar größten Teilbereich des länderübergreifenden Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe und repräsentiert damit gleichzeitig Deutschlands größtes Auenschutzgebiet. Es erstreckt es sich über den gesamten Elbelauf in Sachsen-Anhalt mit einer Länge von 303 Flusskilometern. Neben der Elbe selbst gehören auch ihre angrenzenden Auengebiete und die Mündungen der Elbe-Zuflüsse Schwarze Elster, Mulde, Saale, Havel und Aland dazu. Sechs Landkreise und zwei kreisfreie Städte, Dessau-Roßlau und Magdeburg, werden vom Biosphärenreservat Mittelelbe tangiert. Das Biosphärenreservat Mittelelbe begeht in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen.

http://www.mittelelbe.com

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