Allen Vorurteilen zum Trotz: Auszubildende wollen "richtig mit anpacken"

Demnach sind Auszubildende durchaus bereit, hohe Leistungen zu erbringen – allerdings erwarten sie dafür im Gegenzug, intensiv in die betrieblichen Geschäftsabläufe eingebunden zu werden und eine Anerkennung ihrer Leistungen. Gerade die Verzahnung von Lern- und Arbeitsprozessen im Betrieb wird von den Jugendlichen sehr geschätzt.

Vorgestellt werden diese Ergebnisse und zahlreiche weitere Studien aus Berufsbildungs- und Jugendforschung auf der Fachtagung „Neue Jugend? Neue Ausbildung?“, die das BIBB zusammen mit dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) am 28. und 29. Oktober in Bonn durchführt. Rund 200 Teilnehmende aus Forschung, Politik und Praxis diskutieren darüber, mit welchem Selbstverständnis und welchen Kompetenzen Jugendliche heute ihre Lebenswege beschreiten, wie Übergänge zwischen Schule und Ausbildung angesichts des demografischen Wandels verlaufen und vor welchen Herausforderungen Bildungsverantwortliche in Betrieben und Berufsschulen stehen.

Wenn es um die Frage geht, wodurch sich eine „gute“ duale Berufsausbildung auszeichnet, sind in der Fachöffentlichkeit viele Kriterien im Gespräch. Doch auf welche Ausbildungsbedingungen legen die Auszubildenden selbst besonderen Wert? Und wie gut gelingt es den Betrieben und Berufsschulen, den Ansprüchen der Auszubildenden gerecht zu werden? Um diese Fragen zu klären, wurden in der BIBB-Studie rund 6.000 Auszubildende aus 15 dualen Ausbildungsberufen befragt.

Auszubildende wünschen sich intensive Einbindung in das Betriebsgeschehen
Auszubildende legen einen sehr hohen Wert auf ihre betriebliche Einbindung. Sie wollen „echte Arbeit“ für die Betriebe leisten und dabei auch in größere Aufgaben mit einbezogen werden. Dafür sind sie bereit, Belastungen wie Überstunden oder die alleinige Verantwortung für Aufgaben auf sich zu nehmen. Bedingung für diese hohe Leistungsbereitschaft ist allerdings, dass nicht nur eine Integration in die Arbeitsabläufe, sondern gleichzeitig eine gute soziale Integration in den Betrieben erfolgt. Die Auszubildenden wünschen sich, dass sie bei guten Leistungen auch einmal gelobt werden und dass ihre Kolleginnen und Kollegen insgesamt respektvoll mit ihnen umgehen.
Integration gelingt häufig, Zeit- und Leistungsdruck sind oft zu hoch
Bei der Beurteilung der tatsächlichen Ausbildungspraxis bescheinigen die Auszubildenden vielen Betrieben, dass die Integration in die Geschäftsabläufe und in den Kollegenkreis gut gelingt. Über die Hälfte (53 %) bewertet ihre Einbindung mit „(sehr) gut“, rund ein Drittel (33 %) empfindet sie als „befriedigend“, 14 % vergeben allerdings nur noch ein „ausreichend“ bis „ungenügend“. Am besten fühlen sich die angehenden Bankkaufleute und Industriemechaniker/-innen eingebunden. Kritischer beurteilen hingegen die Auszubildenden zum/zur „Anlagenmechaniker/-in für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik“ sowie angehende Kraftfahrzeugmechatroniker/-innen, Maler/-innen und Lackierer/-innen ihre Integration im Betrieb.

Die Auszubildenden weisen auch auf die Gefahren einer allzu intensiven Einbindung in Arbeitsabläufe hin. Viele Jugendliche berichten davon, dass sie unter starkem Zeitdruck arbeiten müssen, auch bei neuen Aufgaben wenig Zeit zum Ausprobieren bleibt und sie teilweise das Gefühl haben, keine Fehler machen zu dürfen. Der Zeit- und Leistungsdruck, unter dem die Ausbildungen in vielen Betrieben ablaufen, erschwert offenbar die betriebliche Ausbildungsorganisation, die insgesamt nur die Durchschnittsnote 3,9 von den Auszubildenden erhielt. Viele Auszubildende bemängeln, dass ihre Ausbildung relativ ungeplant verläuft und Besprechungen über den Ausbildungsverlauf selten stattfinden.

Feedbackkultur in der Ausbildung fördern
Die BIBB-Studie zeigt, dass der Kerngedanke des dualen Berufsbildungssystems – die möglichst enge Verzahnung von Lern- und Arbeitsprozessen – den Wünschen der Auszubildenden entspricht und von den Betrieben recht gut umgesetzt wird. Allerdings wird auch deutlich, dass diese Verzahnung dazu führen kann, dass Auszubildende überfordert werden, was den Lernprozess gefährden kann. Daher müssen Betriebe darauf achten, sowohl ihren Auszubildenden als auch ihrem Ausbildungspersonal trotz des hohen Zeit- und Leistungsdrucks genügend pädagogische Freiräume zu gewähren. In diesen sollten dann die betrieblichen Arbeitsprozesse mit den Auszubildenden besprochen, die Arbeitsergebnisse der Auszubildenden bewertet und der weitere Ausbildungsverlauf auf den Lernstand der Auszubildenden hin abgestimmt werden. Insbesondere die Stärkung der Feedbackkultur in der Ausbildung kann dazu beitragen, die Qualität der betrieblichen Ausbildung zu fördern. In der seit dem 1. August 2009 wieder eingeführten neuen Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) wurde diese Anforderung bereits umgesetzt. Im Handlungsfeld 3 „Ausbildung durchführen“ wird die Bedeutung von Feedbackprozessen mit den Auszubildenden betont.

Weitere Ergebnisse der BIBB-Studie „Ausbildung aus Sicht der Auszubildenden“ unter http://www.bibb.de/de/wlk29213.htm

Die Ergebnisse der Fachtagung werden in der ersten Novemberhälfte im Internetangebot des BIBB unter http://www.bibb.de/de/15806.htm dokumentiert.

Auskünfte erteilt:
Andreas Krewerth, Tel.: 0228 / 107-1110, E-Mail: krewerth@bibb.de

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Andreas Pieper idw

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