Aktuelle Daten und Trends zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden in Deutschland

Dies sind nur einige aus einer Vielzahl von Fragen, auf die die 19. Sozialerhebung eine Antwort geben kann. Die Ergebnisse basieren auf mehr als 16.000 Fragebogen, die Studierende aus 210 Hochschulen im Sommersemester 2009 ausgefüllt haben.

Seit 1951 zeichnen die Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks ein Bild der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in Deutschland. Die HIS Hochschul-Informations-System GmbH führt die Untersuchung seit 1982 im Auftrag des Deutschen Studentenwerks alle drei Jahre durch.

Aus welchen sozialen Schichten rekrutiert sich die aktuelle Studierendengeneration? Ein Ergebnis der Bildungsexpansion vergangener Jahrzehnte ist, dass der Anteil von Akademikerkindern unter den Studierenden in den letzten gut 20 Jahren von 36 % (1985) auf 51 % (2006) zugenommen hat. Dieser Trend hat sich zwischen 2006 und 2009 nicht weiter fortgesetzt. Bei der Zusammensetzung der Studierenden nach sozialen Herkunftsgruppen, die durch berufliche Stellung und Bildungsstatus der Eltern konstituiert werden, hat es

sogar eine leichte Trendumkehr gegeben: Waren die Anteile der „mittleren“ und „niedrigen“ Herkunftsgruppe unter den Studierenden seit 1982 immer weiter gesunken, sind sie 2009 erstmals wieder leicht angestiegen, und zwar um drei Prozentpunkte. Dagegen ging der Anteil der Herkunftsgruppe „hoch“ um zwei Prozentpunkte zurück, nachdem er sich zwischen 1982 und 2006 von 17 % auf 38 % mehr als verdoppelt hatte.

Wie finanzieren Studierende ihr Studium? Studierende bestreiten 2009 ihren Lebensunterhalt mit monatlichen Einnahmen, die im Durchschnitt bei 812 € liegen; das sind nominal gut 5 % mehr als 2006. Die individuellen Einnahmehöhen weichen davon erheblich ab: Einem Fünftel der Studierenden stehen weniger als 600 € monatlich zur Verfügung, 17 % mehr als 1.000 €. Gemessen am BAföG-Höchstsatz von 648 € sind ein Viertel der Studierenden mit niedrigeren monatlichen Einkommen ausgestattet. Die Spannbreite ist nicht durch die soziale Herkunft begründet: Die Unterschiede bei der Höhe der monatlichen Einnahmen zwischen den Studierenden der vier sozialen Herkunftsgruppen sind eher als moderat zu bezeichnen (durchschnittlich 50 € zwischen den Studierenden der Herkunftsgruppe „hoch“ und „niedrig“). Gravierend sind hingegen die Unterschiede bei der Herkunft der Mittel. Während zu den Einnahmen der Studierenden der Herkunftsgruppe „niedrig“ die Eltern, das BAföG und der eigene Verdienst jeweils in ähnlicher Größenordnung beitragen, verringert sich mit steigender sozialer Herkunft und damit auch höherer finanzieller Leistungsfähigkeit der Eltern die Abhängigkeit vom BAföG und auch vom eigenen Verdienst erheblich.

Insgesamt fällt der Beitrag der Eltern zu den monatlichen Einnahmen der Studierenden mit 48 % geringer aus als 2006 mit 52 %. Erstmals seit 1991 ist damit zu beobachten, dass sich das Engagement der Eltern zur Finanzierung des Lebensunterhalts ihrer studierenden Kinder verringert. Als eine mögliche Erklärung kommt in Betracht, dass die Eltern in den beiden unteren sozialen Herkunftsgruppen, aus denen sich erstmalig wieder mehr Studierende rekrutieren, über weniger finanzielles Vermögen verfügen, das Studium ihrer Kinder zu unterstützen. Dies wird durch den Befund bestätigt, dass nur bei den potenziell BAföG-Berechtigten die elterliche finanzielle Unterstützung geringer geworden ist.

Das BAföG trägt 2009 mit 15 % um einen Prozentpunkt mehr zu den monatlichen Einnahmen der Studierenden bei, was vor allem auf die im Durchschnitt deutlich höheren Förderungsbeiträge nach der 22. BAföG-Novelle zurückzuführen ist (2009 im Schnitt 413 € gegenüber 363 € 2006). Unter den Studierenden in den ersten sechs Semestern, in denen ganz überwiegend noch Anspruchsberechtigung besteht, wird 2009 ein Drittel nach dem BAföG gefördert. Höher als drei Jahre zuvor fällt auch der Anteil aus, den Studierende durch eigenen Verdienst bestreiten: Dieser stieg von 24 % (2006) auf 26 % (2009) an. Nach wie vor wird nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Studierenden (rund 3 %) durch ein Stipendium gefördert. Mit 5 % ebenfalls relativ klein fällt die Gruppe der Studierenden aus, die zur (teilweisen) Finanzierung ihres Lebensunterhalts einen Kredit aufgenommen hat – dennoch hat sich diese Zahl gegenüber 2006 verdoppelt.

Treten die Studierenden 2009 die Flucht vor Studiengebühren an? Von den Studierenden, die ihre Hochschulzugangsberechtigung in einem der Länder erworben haben, die 2009 allgemeine Studiengebühren erheben, absolvieren – wie bereits drei Jahre zuvor – 86 % ihr Studium auch in einem dieser Länder. 11 % wechseln zum Studium in eines der alten Länder ohne Gebührenpflicht, 3 % in eines der neuen Länder – auch dies hat sich seit 2006 (also vor Einführung der Studiengebühren) nicht verändert. Die häufig geäußerte Erwartung einer Gebührenflucht bestätigt sich insofern nicht. Allerdings ist eine leichte Tendenz zur „Immobilität“ bei Studierenden festzustellen, die ihre Studienberechtigung in einem gebührenfreien Land erworben haben.

Immer noch bestehen zwischen alten und neuen Bundesländern erhebliche Unterschiede in Höhe und Herkunft der monatlichen studentischen Einnahmen. Studierende in den alten Ländern verfügen durchschnittlich über 832 €, in den neuen Ländern über 722 €. In den alten wie in den neuen Ländern wird der größte Teil der Einnahmen von den Eltern gestellt. Auf Platz 2 der Einnahmenquellen steht in den alten Ländern mit 27 % der eigene Verdienst (18 % in den neuen Ländern); für Studierende in den neuen Ländern dagegen steht mit 24 % ihrer monatlichen Einnahmen die Förderung nach dem BAföG an zweiter Stelle (14 % in den alten Ländern). Betrachtet man die Studierenden in den ersten sechs Hochschulsemestern, werden von diesen in den neuen Ländern 48 % und in den alten Ländern 30 % nach dem BAföG gefördert.

Wie sehen die zeitlichen Strukturen im studentischen Alltag aus? Bei einem Teil der Studierenden klaffen der vorgesehene Zeitplan des Studiums (als Vollzeitstudium) und das tatsächliche Studienverhalten weit auseinander: 2009 betreiben 79 % der Studierenden ein Vollzeitstudium, 21 % jedoch de facto ein Teilzeitstudium. Dabei hat der Anteil der Vollzeitstudierenden erstmalig wieder um vier Prozentpunkte zugenommen, womit ein langfristiger Trend (1988: 89 % bis 2006: 75 %) durchbrochen wurde – möglicherweise auch eine Auswirkung der Studienstrukturreform. Die Erwerbstätigenquote unter Studierenden im Erststudium ist im Jahr 2009 gegenüber 2006 um drei Prozentpunkte auf 66 % gestiegen und liegt damit auf hohem Niveau. Im Schnitt arbeiten Studierende 2009 acht Stunden in der Woche, um Geld zu verdienen; bei den tatsächlich erwerbstätigen fällt die zeitliche Belastung durch Jobben mit gemittelten 13,5 Stunden in der Woche deutlich höher aus. Während 29 % der Studierenden für Studium und Job zusammen maximal 35 Stunden pro Woche aufwenden, fallen andererseits bei 31 % der Studierenden mehr als 50 Stunden in der Woche für Studium und Erwerbstätigkeit an. Im Vergleich zu 2006 ist der zeitliche Gesamtaufwand für Studium und Job damit im Durchschnitt um drei auf nunmehr 44 Wochenstunden angewachsen, das heißt auf das Niveau, das schon Ende der 1990er Jahre beobachtet wurde. Die zeitliche Studienbelastung wird von 15 % aller Studierenden als zu hoch eingestuft; unter den Bachelor-Studierenden liegt dieser Anteil bei 19 %.

Die Ergebnisse der 19. Sozialerhebung sind verfügbar unter http://www.sozialerhebung.de.

Nähere Informationen:
Dr. Michael Leszczensky
Tel.: 0511 1220-258
E-Mail: leszczensky@his.de
Wolfgang Isserstedt
Tel.: 0511 1220-208
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