Schreiben und Reflektieren als wichtiger Teil der Medizin

In einem Workshop am 7. Juni 2011 nähern sich Studierende, Ärzte und Dozenten der Universität Witten/Herdecke mit Hilfe der Buchautorin und Supervisorin Dr. Gillie Bolton dem reflektierten Umgang mit ihren beruflichen Erfahrungen. Bolton schreibt und lehrt seit vielen Jahren zu diesem Thema.

Sie sagt: „Reflexion ist eine Einstellung, die den Unterschied macht zwischen 20 Jahren Erfahrung und einem Jahr Erfahrung und das 20 mal stupide wiederholt.“ Den Workshop bietet das Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der UW/H an.

Wie wichtig der Blick nach innen für ärztliches Handeln sein kann, beschreibt Bolton am Beispiel eines Teilnehmers ihrer Seminare: „Es war ihm nicht möglich, als Arzt mit dem Tod von Kindern umzugehen. Erst als er ein Gedicht über den Tod seines Bruders geschrieben hat, konnte er sich seiner Erinnerung stellen und auch die Blockade in seinem Handeln überwinden“, erläutert Dr. Vera Kalitzkus, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Allgemeinmedizin und Familienmedizin den Nutzen aus dieser Form der Reflexion.

Reflektierendes Schreiben geschieht in Form von Geschichten. Nicht strenge Orientierung an den Fakten des Geschehens sind dabei wichtig, auch verfremdende Erzählformen – etwa ein Filmskript oder ein Gedicht – sind möglich. Gillie Bolton spricht damit eine Form von Erkenntnis an, die im medizinischen Alltag häufig zu kurz kommt. Hier geht es nicht um analytisches Denken und Fakten, sondern um Gefühl und Intuition. Mit Hilfe ihrer Methode eröffnet sie Zugang zu diesen Bereichen, die im Alltag zunächst nicht offen stehen, aber notwendig sind, um das eigene Verhalten in kritischen Situationen zu überprüfen und zu verstehen. Diese Art der professionellen Entwicklung verlangt Eigenverantwortlichkeit und die Bereitschaft, die eigene Praxis kritisch zu hinterfragen. Das ist ein Ziel, das bei zunehmenden Klagen über Deprofessionalisierung in den Gesundheitsberufen immer wichtiger wird.

Das Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin an der UW/H hat ein umfassendes Verständnis von Medizin im Blick, somatische, psychische, systemische aber auch subjektive Faktoren ärztlichen Handelns gehören explizit dazu. Dabei steht neben der Vermittlung medizinischen Fachwissens auch die Bildung einer „Arztpersönlichkeit“ in der medizinischen Lehre im Zentrum.

Zu Gillie Bolton
Gillie Bolton ist Autorin des Buches Reflective Practice – Writing and Professional Development 3rd Edition (Sage Publishers), sechs weiteren Büchern und vielen Aufsätzen in akademischen and professionellen Zeitschriften wie etwa The Lancet. Sie ist Gründungsmitglied der British Association for Medical Humanities und war “Literature and Medicine” Editor des Journal of Medical Ethics: Medical Humanities (BMJ Publishers). Sie ist Mitglied der Redaktionsleitung des Journal for Poetry Therapy.
Weitere Informationen finden Sie hier:
LINK Workshop
>www.uk.sagepub.com/bolton>
Rezension: http://www.socialnet.de/rezensionen/9245.php
http://www.gilliebolton.com/
oder bei Dr. Vera Kalitzkus, 02302/926-741, vera.kalitzkus@uni-wh.de

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Kay Gropp idw

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