Vom Kunstfehler bis zum Super-GAU

Sicherheitsfragen werden derzeit nicht nur in der Innenpolitik diskutiert. Auch Wissenschaftler des Fachgebiets Internationale Wirtschaftskommunikation (IWK) der Friedrich-Schiller-Universität Jena beschäftigen sich damit. „Kultur und sicheres Handeln“ lautet der Titel des elften Jahresworkshops, zu dem sich der Verein „Plattform Menschen in komplexen Arbeitswelten e. V.“ in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet IWK vom 28. bis 30. Mai im Tagungszentrum der Universität Jena, dem Alten Schloss Dornburg, trifft.

Anders als für die politischen Sicherheitsexperten steht für die Kommunikationswissenschaftler die Berufs- und Organisationskultur im Mittelpunkt: Fährunglücke, Flugzeugabstürze oder Vorfälle in Atomkraftwerken gehen unter anderem auf menschliches Versagen zurück. Maschinen bringen nicht die vollkommene Sicherheit – werden sie falsch bedient, kann es verheerende Folgen haben. „Schätzungen besagen, dass mehrere 10.000 Menschen in Deutschland jährlich im Operationssaal sterben“, so Prof. Dr. Stefan Strohschneider von der Universität Jena. „Chirurgen können mit hoch entwickelter Medizintechnik überfordert sein“, so der Professor für Interkulturelle Kommunikation, „können in Extremsituationen falsch reagieren oder nicht ausreichend mit beteiligten Kollegen kommunizieren.“

Der Workshop, an dem neben Wissenschaftlern auch Praktiker aus Medizin, Luft- und Raumfahrt teilnehmen, dient dem Erfahrungsaustausch und der Suche nach berufsspezifischen Lösungsansätzen. Das Anlegen von Checklisten im OP wäre eine Möglichkeit, die Zahl der Unfälle zu verringern. Checklisten für den Ernstfall werden bereits in der Luftfahrt genutzt. Fällt ein Triebwerk aus, muss eine Liste von Instruktionen abgearbeitet werden. Diesen Ansatz auf den Operationssaal zu übertragen, ist unter Experten sehr umstritten: „Der Mensch ist ein komplexes Wesen. Seine Behandlung auf eine Liste zum Abarbeiten zu reduzieren, würde dem nicht genügen“, gibt Prof. Strohschneider zu bedenken.

Checklisten allein retten keine Patienten. „Chirurg und Anästhesist verhalten sich nach verschiedenen berufsspezifischen Mustern. Wir brauchen konkrete Ansätze, um die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen zu verbessern.“ In Zukunft stehe die Kommunikation zwischen dem Klinikpersonal noch größeren Herausforderungen gegenüber, befürchtet Strohschneider: Der Mangel an medizinischem Nachwuchs bringt immer mehr ausländische Ärzte in deutsche Krankenhäuser.

Neben Kommunikationsproblemen zwischen den Berufsgruppen werden zunehmend muttersprachliche Verständigungsschwierigkeiten den Berufsalltag erschweren. „Während einer Operation könnte das den Patienten das Leben kosten“, fürchtet der Kommunikationswissenschaftler. „Die Einführung eines weltweiten Standardvokabulars für Chirurgen ist eine Möglichkeit, Unfällen im OP vorzubeugen.“

Die Gefährdung des Menschen durch den Menschen: „Noch vor 20 Jahren war von einer Bedrohung der Sicherheit durch mangelnde Kommunikation oder Bedienungsfehler keine Rede. Vielmehr wurde alles daran gesetzt, immer komplexere Maschinen zu entwickeln“, erinnert sich Strohschneider. Erst mit steigender Zahl von Unfällen und Katastrophen sei der Mensch hinter der Maschine als Sicherheitsproblem erkannt worden.

Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Strohschneider
Fachgebiet Internationale Wirtschaftskommunikation der Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944376
E-Mail: stefan.strohschneider[at]uni-jena.de

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Katrin Czerwinka idw

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