Weltweiter Rechnerverbund bereit zur Bewältigung der Datenflut des Large Hadron Collider

Das „Worldwide LHC Computing Grid“ (WLCG), ein weltweiter Rechnerverbund für den LHC, das die entscheidende Rolle bei der Übertragung dieser Daten spielt und sie den Physikern rund um den Globus zur Verfügung stellen soll, hat bereits zwei Wochen Dauerbetrieb erfolgreich absolviert. Das Experiment ist ein erster Betriebstest, der den vollständigen Datenzyklus von der Erfassung bis zur Analyse umfasst.

Der der bei der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in der Schweiz angesiedelte Large Hadron Collider ist eine 27 km lange ringförmige Röhre, die mit aus supraleitenden Magneten und Beschleunigungssystemen längs der Strecke ausgestattet ist, die die Energie der Teilchen unterwegs verstärken; innerhalb des Beschleunigers bewegen sich zwei energiereiche Teilchenstrahlen bei nahezu Lichtgeschwindigkeit aufeinander zu, bevor sie miteinander kollidieren. Mit dem Collider sollen bahnbrechende Beobachtungen fundamentaler Teilchen durchgeführt werden, die Wissenschaftlern bei der Beantwortung wichtiger ungelöster Fragen der Teilchenphysik helfen sollen.

Sechs große internationale Experimente wird es am LHC geben. Eines davon ist das Schlüsselprojekt ATLAS („A toroidal LHC Apparatus“). Mithilfe des Universaldetektors ATLAS sollen eine Reihe offener Fragen der Physik untersucht werden, wie etwa die Existenz des Higgs-Bosons (vermutlich ein Teilchen, das den Mechanismus erklärt, durch den Teilchen an Masse gewinnen) sowie von Extradimensionen und Teilchen, die die dunkle Materie bilden könnten. Die Forscher, die die Experimente leiten und die riesigen Mengen an von den Detektoren erzeugten Informationen analysieren werden, bauen auf Grid-Computing- das WLCG – das die Ressourcen Tausender verschiedener Computer vereint, um einen zuverlässigen Zugriff auf die Daten zu gewährleisten.

Das WLCG verbindet mehr als 140 Rechenzentren in 34 Ländern, um die Datenspeicherungs- und Analyseinfrastruktur für die Hochenergie-Teilchenphysiker aufzubauen und aufrechtzuerhalten, die das LHC nutzen werden. Datenerfassung und Speicherung, Verarbeitungs-, Simulations- und Visualisierungswerkzeuge werden vom WLCG unterstützt. Allein das ATLAS-Experiment wird nahezu eine Million Auswertungsvorgänge laufen haben, die über lange Zeiträume 6 Gigabyte pro Sekunde des Grid-Verkehrs beanspruchen. Die außergewöhnliche Leistungsfähigkeit des Verbundes ist besonders wichtig, da das WLCG voraussichtlich immer von mehreren tausend Nutzern gleichzeitig in Anspruch genommen werden wird.

Die experimentellen Daten des LHC werden am CERN auf Magnetband aufgenommen, bevor sie auf elf große Rechenzentren (die so genannten „Tier-1-Zentren“) in Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Skandinavien, Spanien, Taiwan, im Vereinigten Königreich und in den USA verteilt werden. Von diesen Standorten aus werden die Daten mehr als 120 „Tier-2-Zentren“ zur Verfügung gestellt, in denen spezielle Analysen durchgeführt werden können. Einzelne Wissenschaftler können dann über lokale Computerverbünde oder auch ihre eigenen Rechner auf die Informationen zugreifen.

„Vier LHC-Experimente […] haben die Fähigkeit zur gleichzeitig ablaufenden Verwaltung nominaler Datenraten bewiesen“, sagt Sergio Bertolucci, Leiter für Forschung und Computing am CERN. „Zum ersten Mal wurden alle Aspekte des experimentellen Computings gleichzeitig durchgespielt: Simulation, Datenverarbeitung und Datenanalyse. So können wir darauf vertrauen, dass der Verbund in der Lage sein wird, am Ende dieses Jahres die ersten Daten des LHC auf effiziente Weise zu analysieren.“

Gonzalo Merino, Manager des Tier-1-Zentrums in Barcelona, erklärt dazu: „Es war eine sehr wertvolle Übung, da viele experimentelle Arbeitsabläufe gleichzeitig in einem noch nie da gewesenen Ausmaß getestet worden sind, die deutlich über dem nominalen Werten der LHC-Datenaufnahme lagen. Tier-1 am Informatikzentrum PIC konnte einen sehr stabilen und zuverlässigen Service auf Rekord-Niveau liefern: einen Austausch von bis zu 80 Terabyte pro Tag mit anderen WLCG-Standorten und eine Datenverarbeitung bei mehr als 2 Gigabyte pro Sekunde. Das gibt uns die Zuversicht, dass die spanischen WLCG-Standorte zur Datenaufnahme bereit sind.“

David Foster, Leiter des LHC Optical Private Network, fügt hinzu: „Die im Bereich 40 Gbit/s und 100 Gbit/s vorhandenen neuen Kapazitäten sollten es uns ermöglichen, mit dem erwarteten Datenverteilungsbedarf der LHC-Experimente Schritt zu halten.“

„Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zu dem Beweis, dass gemeinsame Infrastrukturen von mehreren Wissenschaftsgemeinschaften mit hohem Durchsatz gleichzeitig genutzt werden können“, schlussfolgert Ruth Pordes, verantwortliche Direktorin des Open Science Grid Konsortiums.

Der experimentelle Betrieb des WLCG beinhaltete auch groß angelegte Tests der Endnutzer-Analyseszenarien. Darüber hinaus wurden Community Support-Infrastrukturen geprüft, um eine geeignete Ausbildung der Forschergemeinschaft hin zu einem selbst unterstützenden Betrieb sicherzustellen.

Quelle: Europäische Kommission CORDIS

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