Weltrekord für Münchner Space Elevator: Mit drei Metern pro Sekunde Richtung All

Immer wieder versuchen sich Wissenschaftler an Tsiolkovskys genialer Idee des „Space-Elevators“, dem Aufzug ins All. Bisher gibt es kein Material, mit dem ein Turm von 36.000 Kilometern Höhe zu bauen wäre. Doch als vor einigen Jahren die extrem stabilen Kohlenstoff-Nanoröhrchen entdeckt wurden, bekam die Idee des Space-Elevators wieder neuen Schub. Ein dünnes Band aus diesem Material könnte die Lösung sein.

Vereinfacht besteht der Space-Elevator aus einem 40.000 Kilometer langen Seil, das senkrecht von der Erdoberfläche ins All führt. An seinem Ende hängt ein Gewicht, das aufgrund der Fliehkraft der Erddrehung wie der Sitz eines Kettenkarussells das Seil straff hält. An diesem Seil könnte ein Aufzug Menschen und Material bequem bis in den Weltraum transportieren – so die Theorie.

In der Praxis sind noch ein paar Probleme zu lösen: Ein wichtiges Problem ist das Seil oder Band, das extreme Festigkeit besitzen muss, ein weiteres ist der Aufzug selbst. Den hier zu bewältigenden Aufgaben haben sich Studenten der TU München verschrieben. Bei der „1st Japan Space Elevator Technical & Engineering Competition,“ einem international ausgeschriebenen Wettbewerb in Tokio, präsentierten im August acht Teams ihre Konstruktionen. Darunter auch die Münchener.

An einem Band, das von einem Wetterballon senkrecht gehalten wurde, sollten die Mini-Aufzüge möglichst schnell 150 Meter hinauf fahren. Der 5,6 kg schwere Climber aus Garching legte die Strecke in nur 52 Sekunden zurück und versetzte damit die Konkurrenz in Staunen. „You have the fastest climber in the world!“, freute sich der japanische Organisator Prof. Shuichi Ohno.

Der Zweitplatzierte erreichte das Ziel erst nach über drei Minuten. Große Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit am Wettbewerbstag verlangten der Elektronik und dem Team einiges ab. Darüber hinaus wurde das Band durch zum Teil starken Wind mehrfach verdreht. Während das Deutsche Team auf eine bewährte mechanische Lösung setzte, waren die Climber der japanischen Teams teilweise mit aufwendiger Elektronik ausgestattet, um gerade am Band hinauf zu fahren. Neben dem Gesamtsieg wurde der Münchner Space Elevator in der Kategorie Funktionalität ausgezeichnet.

„Für den Projektfortschritt war das Wochenende in Japan ein wichtiger Praxistest,“ erklärt Teamleiter Rüdiger Hink, der wie seine Kollegen an der TU München Luft- und Raumfahrttechnik studiert. „Mit den gewonnenen Erfahrungen kann nun die Antriebseinheit weiter optimiert werden.“ Der Einsatz eines batteriebetriebenen Aufzugs ist aufgrund seiner begrenzten Reichweite für die reale Anwendung allerdings unwahrscheinlich. Die Zukunft liegt in der externen Energieversorgung durch Laser oder Solarenergie. Diese Option steht jetzt im Fokus der weiteren Entwicklungen der Studenten.

Ob der Space Elevator irgendwann technisch realisiert werden kann, ist immer noch eine offene Frage. Viele theoretische und praktische Aspekte warten noch darauf, untersucht zu werden. Das Spektrum reicht von den Eigenschaften von Carbon Nanotube-Kompositwerkstoffen, aus denen das Seil voraussichtlich bestehen wird, über dessen Dynamik bis zu konkreten ingenieurwissenschaftlichen Fragestellungen, mit denen sich das Space Elevator Team der TUM vorrangig beschäftigt. Doch das enorme Potenzial von Tsiolkovskys Idee fordert die Neugier und den Ehrgeiz des Teams heraus, ihren Teil zur Realisierung beizutragen.

Das Projekt Space Elevator ist Teil der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik und Raumfahrt (WARR), einer Studentengruppe am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik der TU München. Sie wurde 1962 vom damaligen Studenten und jetzigen Prof. Dr.-Ing. Robert Schmucker gegründet. Ursprünglich war es das Ziel der Gruppe, das Fehlen eines Lehrstuhls für Raumfahrttechnik auszugleichen. Heute befasst sich die WARR mit praxisbezogenen Projekten aus der Raumfahrt. Studenten vieler Fachrichtungen können hier ihr im Studium erworbenes theoretisches Wissen durch praktische Erfahrungen ergänzen.

Ermöglicht wurde die Teilnahme an dem Wettbewerb durch die Klaus Höchstetter Stiftung, die seit einigen Jahren die Visionen und Ideen der Studenten unterstützt. Stiftungsvorsitzender Dr. Klaus Höchstetter ist von dem Projekt überzeugt: „Hier beweisen junge Leute voller Tatendrang, dass ein Studium nicht nur bedeutet, in überfüllten Hörsälen zu sitzen und über Büchern zu büffeln.“

Media Contact

Dr. Ulrich Marsch idw

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