Vollkommene Symmetrie nach atomarer Kollision
Die Bewegung eines Systems von vier wechselwirkenden Quantenteilchen ist sehr schwer zu berechnen und konkurrierende theoretische Modelle führen zu unterschiedlichen Vorhersagen. Helium stellt ein gutes Studienobjekt dar, denn wenn im Stoß mit einem Projektil-Elektron die beiden gebundenen Elektronen herausgeschlagen werden und den doppelt geladenen Kern zurücklassen, erhält man ein ideales Vierkörpersystem.
Die Bewegungen der Teilchen sind stark gekoppelt, da sie aufgrund ihrer elektrischen Ladungen Kräfte aufeinander ausüben. Die Ergebnisse von theoretischen Rechnungen sind nun unterschiedlich was die Emissionsrichtung der insgesamt drei auslaufenden Elektronen angeht, wenn das einfallende Projektil nur wenig mehr Energie hat wie für solch einen Doppelionisationsprozess nötig ist.
In diesem Schwellenenergiebereich legt es die gegenseitige Abstoßung der negativ geladenen Elektronen nahe, dass sie unter möglichst großen Abständen zueinander und damit symmetrisch mit 120° Relativwinkel erscheinen. Dies wird auch von manchen Theorien bestätigt. Andere Rechnungen ergeben jedoch eine T-Konfiguration wobei zwei Elektronen in entgegen gesetzte Richtung wegfliegen.
Joachim Ullrich, Alexander Dorn und Xueguang Ren vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg haben nun die Impulse der drei auslaufenden Elektronen mit einem von ihnen entwickelten, so genannten Reaktionsmikroskop gemessen und fanden, dass diese tatsächlich bevorzugt symmetrisch mit 120° Relativwinkel emittiert werden. Interessanterweise ergibt eine der erfolgreichen Rechnungen, dass diese Emissionskonfiguration nicht nur durch die Elektronenabstoßung geprägt wird, sondern auch von der anfänglichen Anordnung der Elektronen im Atom. So soll bei Lithium dessen Hülle drei Elektronen beherbergt, also eines mehr als Helium, tatsächlich eine T-Konfiguration beobachtet werden können. Die experimentelle Überprüfung dieser Reaktion stellt nun das nächste Ziel der Heidelberger Forscher dar.
Solche fundamentalen und einfachen Systeme stellen für die Modellierung korrelierter Vielteilchendynamik eine Messlatte dar, um hiervon ausgehend den Weg zur Beschreibung komplexerer Systeme und Phänomene zu bereiten, welche gleichzeitig auch von größerer praktischer Relevanz sind. Vor allem im Lichte der rasanten Entwicklungen in der Nanotechnologie und der damit verbundenen Miniaturisierung zu immer kleineren Skalen, wird das detaillierte Verständnis der korrelierten Mehrteilchen-Quantendynamik von wachsender Bedeutung sein.
Originalveröffentlichung:
Xueguang Ren, Alexander Dorn, Joachim Ullrich
Coulomb Four-Body Problem: Electron-Impact Double Ionization of Helium in the Threshold Regime
Physical Review Letters, Vol. 101, No. 9, August 29, 2008, P. 093201
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.
Neueste Beiträge
Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft
Forschende an der ETH Zürich haben Bakterien im Labor so herangezüchtet, dass sie Methanol effizient verwerten können. Jetzt lässt sich der Stoffwechsel dieser Bakterien anzapfen, um wertvolle Produkte herzustellen, die…
Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren
Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…
Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht
Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…