VISTA wirft einen Blick auf einen gigantischen Ball aus Sternen

VISTA-Infrarotaufnahme des Kugelsternhaufens Messier 55. Bild: ESO/J. Emerson/VISTA. Acknowledgment: Cambridge Astronomical Survey Unit<br>

Besonders ist an diesen Sternen nicht nur, dass sie in einem vergleichsweise kleinen Volumen zusammengedrängt sind, sondern auch, dass sie zu den ältesten Sternen im gesamten Universum zählen. Aus Beobachtungen von Kugelsternhaufen wie Messier 55 können Astronomen daher wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung und die Alterungsprozesse von Galaxien gewinnen.

Kugelsternhaufen werden durch die Gravitation in eine kompakte Kugelform gezwungen. Das lässt Sterne für kosmische Verhältnisse extrem nahe zusammenrücken: Bei Messier 55 sind rund hunderttausend Sterne innerhalb einer Kugel versammelt, deren Radius etwa zwei Dutzend Mal größer ist als der Abstand der Sonne zu ihrem nächsten Nachbarstern, α Centauri.

Bisher sind in der Umgebung unserer Milchstraße etwa 160 Kugelsternhaufen bekannt. Die meisten davon liegen von der Erde aus gesehen in Richtung der zentralen Verdickung der Milchstraßenscheibe. Vor kurzem erst wurden mit VISTA zwei weitere Kugelsternhaufen gefunden. Die größten bekannten Galaxien werden sogar von tausenden dieser Sternenschwärme umkreist.

Beobachtungen der individuellen Haufenmitglieder zeigen, dass alle Sterne eines Kugelsternhaufens in etwa zur gleichen Zeit – vor über 10 Milliarden Jahren – und aus derselben Gaswolke entstanden sind. Das datiert die Geburt dieser Sterne in eine kosmische Ära, in der seit dem Urknall erst wenige Milliarden Jahre vergangen waren. Dementsprechend bestand der größte Teil des Gases aus den einfachsten, leichtesten und häufigsten Elementen im Universum: hauptsächlich Wasserstoff und Helium. Schwerere Elemente wie Sauerstoff und Stickstoff waren zur damaligen Zeit wesentlich seltener als heute.

Die geringe Häufigkeit von schweren Elementen ist einer der Hauptunterschiede zwischen Sternen in Kugelsternhaufen und Sternen, die später entstanden sind, wie zum Beispiel unserer Sonne. Die jüngeren Sterne sind bereits bei ihrer Entstehung mit schweren Elementen angereichert, die in früheren Sterngenerationen erzeugt wurden. Die Geburt der Sonne fand vor 4,6 Milliarden Jahren statt; sie ist also nur halb so alt wie die Sterne in den meisten Kugelsternhaufen. Die chemische Zusammensetzung der Gaswolke, aus der die Sonne entstanden ist, bestimmt auch die Häufigkeiten der verschiedenen Elemente in den anderen Objekten im Sonnensystem – in den Asteroiden, den Planeten und im menschlichen Körper.

Himmelsbeobachter können Messier 55 im Sternbild Sagittarius (der Schütze) finden. Der bemerkenswert große Kugelsternhaufen nimmt am Himmel zwei Drittel des Durchmessers des Vollmondes ein und ist trotz seiner Entfernung von 17.300 Lichtjahren bereits in einem kleinen Teleskop leicht zu sehen.

Erstmals beschrieben wurde dieses Objekt von dem französischen Astronomen Nicolas Louis de Lacaille im Jahr 1752. Sein Landsmann Charles Messier nahm den Sternhaufen dann 26 Jahre später unter der Nummer 55 in seinen berühmten Katalog von Himmelsobjekten auf. Als NGC 6809 ist der Haufen auch in einem vielzitierten und umfangreicheren Katalog aus dem späten neunzehnten Jahrhundert verzeichnet, dem New General Catalogue.

Das hier gezeigte neue Bild von Messier 55 wurde im infraroten Licht mit dem Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (wörtlich das “Astronomische Durchmusterungsteleskop für sichtbares und Infrarotlicht”, abgekürzt VISTA) aufgenommen. Das Teleskop mit 4,1 Metern Spiegeldurchmesser befindet sich am Paranal-Observatorium der ESO im Norden Chiles.

Zusätzlich zu den Sternen von Messier 55 zeigt die VISTA-Aufnahme eine Vielzahl von Galaxien, die sich in weit größeren Entfernungen von uns befinden als der Kugelsternhaufen. So erkennt man zum Beispiel oben rechts von der Bildmitte eine besonders auffällige Spiralgalaxie, die wir direkt von der Seite sehen.

Zusatzinformationen

Im Jahr 2012 feiert die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) das 50-jährige Jubiläum ihrer Gründung. Die ESO ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 15 Mitgliedsländer: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop der 40-Meter-Klasse für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird, das European Extremely Large Telescope (E-ELT).

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