Ursprung eines schnellen Radiostrahlungsausbruchs identifiziert

Künstlerische Darstellung der im Rahmen des Europäischen VLBI-Netzwerks (EVN) genutzten Radioteleskope zur Beobachtung der Radioquelle FRB 121102. Danielle Futselaar (www.artsource.nl)

Es handelt sich um eine Zwerggalaxie, sehr unterschiedlich zu unserer Milchstraße. Außerdem wurde eine kompakte Radioquelle in unmittelbarer Nähe des Ausbruchs nachgewiesen, die Rückschlüsse auf den astrophysikalischen Ursprung des Phänomens ermöglicht. Die Forschungsergebnisse eines internationalen Teams unter Beteiligung von Laura Spitler vom Bonner MPIfR werden heute in den Fachzeitschriften „Nature“ und ApJL veröffentlicht.

Kurzzeitige Radiostrahlungsausbrüche (sogenannte “Fast Radio Bursts” oder FRBs) leuchten nur für Sekundenbruchteile auf und stellen seit ihrer Erstentdeckung vor ca. 10 Jahren ein Rätsel für Astronomen dar. Die genaue Ortung des Ursprungs von FRBs erfordert ein Netzwerk miteinander verbundener Radioteleskope über große Distanzen, um damit Radiobilder von sehr hoher Winkelauflösung zu erhalten.

Derartige Folgebeobachtungen eines Radiostrahlungsausbruchs wurden schließlich durch die erstmalige Entdeckung einer Quelle von mehrmaligen Radiostrahlungsausbrüchen, FRB 121102, mit dem 305-m-Arecibo-Radioteleskop in Puerto Rico ermöglicht.

Bis zu dieser Entdeckung gab es nur indirekte Rückschlüsse darauf, dass die Radiostrahlungsausbrüche ihren Ursprung im fernen Universum, weit außerhalb der Grenzen unserer Milchstraße, haben. Aufgrund der geringen Winkelauflösung der Beobachtungen war es nicht möglich, eine eindeutige Zuordnung von Ursprungsgalaxien für die Radiostrahlungsausbrüche zu finden. Das neue Resultat ist von entscheidender Bedeutung, weil über die Entfernung der Galaxie auch die Gesamtenergie des Strahlungsausbruchs bestimmt werden kann.

Mit dem “Very Large Array”-Radioteleskop in New Mexico, USA, wurden insgesamt neun Strahlungsausbrüche von FRB 121102 beobachtet. Damit konnte die Ursprungsposition auf den Bruchteil einer Bogensekunde genau festgelegt werden, mehr als 200 Mal genauer als mit früheren Beobachtungen.

„In der Nähe dieser Position am Himmel haben wir eine ganze Reihe von Radio- und optischen Quellen identifizieren können, die uns schließlich den Weg zur Ursprungsgalaxie für den FRB gewiesen haben“, sagt Shami Chatterjee von der Cornell-Universität, der Erstautor der „Nature“-Veröffentlichung.

Das Forscherteam erreichte eine nochmals 10fach höhere Positionsgenauigkeit am Himmel durch die Verbindung des Arecibo-Radioteleskops mit dem Europäischen VLBI-Netzwerk (EVN), mit dem Teleskope über mehrere Kontinente hinweg miteinander verbunden werden.

„Mit etwas Glück haben wir es geschafft, Strahlungsausbrüche von FRB 121102 mit dem EVN zu entdecken und dadurch konnten wir den Ursprung dieser Ausbrüche punktgenau mit der dort vorhandenen Radioquelle identifizieren“, sagt Benito Marcote vom JIVE-Institut in den Niederlanden. Das 100m-Effelsberg-Radioteleskop ist das größte und empfindlichste Einzelteleskop im EVN-Netzwerk.

„Die Ausbrüche von dieser Quelle sind sehr schwach und das Effelsberg-Teleskop hatte eine Schlüsselrolle dabei, diese Entdeckung erst möglich zu machen“, ergänzt Laura Spitler, Postdoc-Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Radioastronomie, die Entdeckerin von FRB 121102.

Das Forscherteam setzte eines der weltweit größten optischen Teleskope, das 8-m-Gemini-Nord-Teleskop auf dem Mauna Kea in Hawaii, dafür ein, die Ursprungsgalaxie für die Radiostrahlungsausbrüche zu identifizieren und über das gemessene Spektrum die Entfernung dieser Galaxie zu bestimmen. Die ermittelte Rotverschiebung im Spektrum entspricht einer Entfernung von mehr als drei Milliarden Lichtjahren!

„Das gibt uns die unwiderlegbare Bestätigung dafür, dass der Ausbruch aus einem Bereich weit jenseits der Grenzen unserer Milchstraße herrührt“, sagt Ko-Autor Cees Bassa (ASTRON, Niederlande). Obwohl das Problem der Entfernung zu den FRBs nun gelöst scheint, haben die Astronomen jetzt ein weiteres Rätsel zu lösen. Die Ursprungsgalaxie des Strahlungsausbruchs ist nämlich überraschend klein – eine sogenannte Zwerggalaxie.

Die Tatsache, dass FRB 121102 aus einer Zwerggalaxie kommt, gibt einen entscheidenden Hinweis auf seinen physikalischen Ursprung. Diese Galaxien enthalten nämlich Gas, das im Vergleich zum Gas in der Milchstraße eine sehr ursprüngliche Form darstellt. „Die Bedingungen in dieser Zwerggalaxie sind so, dass noch wesentliche massereichere Sterne als in unserer Milchstraße dort entstehen können und vielleicht liegt der Ursprung der Strahlungsausbrüche im kollabierten Überrest eines solchen Sterns“, schlägt Ko-Autor Jason Hessels (ASTRON, Universität Amsterdam) vor.

Als alternatives Modell erwägen die Forscher die Erzeugung der Strahlungsausbrüche im unmittelbaren Bereich eines sehr massereichen Schwarzen Lochs, das Gas aus seiner Umgebung aufsaugt, einem sogenannten aktiven Galaxienkern.

Um zwischen diesen beiden Szenarien unterscheiden zu können, untersuchen die Forscher FRB 121102 mit einer Vielzahl der besten Teleskope weltweit, von Radio-, optischen, Röntgen- bis hin zu Gammawellenlängen. „Wenn wir zum Beispiel eine Periodizität in der Ankunftszeit der Ausbrüche finden könnten, dann hätten wir einen sehr starken Anhaltspunkt dafür, dass sie von einem rotierenden Neutronenstern stammen“, sagt Laura Spitler.

Für die Entschlüsselung des Ursprungs der FRBs ist es wichtig, mehr dieser Quellen am Himmel zu lokalisieren. Die Forscher erörtern ebenfalls, ob alle bisher gefundenen Strahlungsausbrüche den gleichen kosmischen Ursprung haben oder ob es mehrere Kategorien dieses neuartigen astrophysikalischen Phänomens geben könnte.

Das 100m-Effelsberg-Radioteleskop des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie liegt in einem Tal ca. 40 km südwestlich von Bonn.

Das European VLBI Network (EVN) ist ein Zusammenschluss von großen radioastronomischen Instituten in Europa, Asien und Südafrika für die Beobachtung von kosmischen Radioquellen bei sehr hoher Winkelauflösung.

Das 305-m-William-E.-Gordon-Teleskop des Arecibo-Observatoriums liegt in einem Talkessel nahe Arecibo (Puerto Rico, USA).

Das Karl G. Jansky Very Large Array besteht aus 27 Radioantennen von je 25 m Durchmesser in einer Y-förmigen Konfiguration. Es befindet sich in der San-Agustin-Ebene ca. 80 km westlich von Socorro (New Mexico, USA).

Originalveröffentlichungen:

A direct localization of a fast radio burst and its host, S. Chatterjee et al., Nature, 5. Januar 2017.

The host galaxy and redshift of the repeating fast radio burst 121102, S. P. Tendulkar et al., The Astrophysical Journal Letters, 5. Januar 2017

The repeating fast radio burst 121102 as seen on milliarcsecond angular scales, B. Marcote et al., The Astrophysical Journal Letters, 5. Januar 2017

Lokaler Kontakt:

Dr. Laura Spitler,
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-314
E-mail: lspitler@mpifr-bonn.mpg.de

Prof. Dr. Michael Kramer
Leiter der Forschungsabteilung „Radioastronomische Fundamentalphysik”
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525 278
E-mail: mkramer@mpifr-bonn.mpg.de

Dr. Norbert Junkes,
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-399
E-mail: njunkes@mpifr-bonn.mpg.de

http://www.mpifr-bonn.mpg.de/pressemeldungen/2017/1

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Norbert Junkes Max-Planck-Institut für Radioastronomie

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