Spintronik: Mit Spannung zwischen „0“ und „1“ umschalten

FeRh auf BTO mit den Domänen a und c: Bei 0 Volt befinden sich ferromagnetische Bereiche über a-Domänen. Bei 50 Volt wandeln sich a-Domänen zu c-Domänen. Dies schaltet den Magnetismus aus. HZB

Im digitalen Zeitalter kann Information als Folge von „Bits“ in Form der Ziffern “0” und “1“ geschrieben werden. Dabei nutzt man Materialien mit ferromagnetischen Domänen, um digitale Informationen zu verarbeiten, indem man die Magnetisierung der einzelnen Bits über magnetische Felder kontrolliert. Dies erfordert jedoch viel Energie. Jetzt hat ein Team am HZB gemeinsam mit Lee C. Phillips und Kollegen aus Frankreich einen neuen Ansatz vorgestellt, der weniger Energie erfordert: Sie kontrollieren magnetische Domänen mit Hilfe eines elektrischen Feldes.

Probe aus zwei „ferroischen“ Schichten

Ihre Probe bestand aus zwei Schichten mit unterschiedlichen ferroischen Eigenschaften: auf einem ferroelastischen BaTiO3 (BTO) Substrat brachten sie einen dünnen Film aus ferromagnetischem FeRh auf. Bereits im vergangenen Jahr beobachteten sie in diesem System eine starke magnetoelektrische Kopplung zwischen beiden Schichten, die es ermöglichte, über kleine elektrische Felder am BTO-Substrat einzelne Domänen in dem FeRh-Film zu verändern.

Nun fanden sie deutlich größere Effekte: „Wir konnten über eine niedrige Spannung am BTO-Substrat die ferromagnetischen Domänen im FeRh-Film vollständig an- oder ausschalten“, erklärt Sergio Valencia, der HZB-Forscher, der die Studie geleitet hat. Mit Hilfe von XPEEM-Daten an BESSY II beobachteten sie, wie das elektrische Feld am BTO-Substrat die magnetischen Ausrichtungen im FeRh-Film beeinflusste.

Spannung, Magnetismus,Temperatur

Dies funktioniert, weil das elektrische Feld am BTO-Substrat über einen ferroelastischen Effekt bestimmte kristalline Domänen im BTO verzerrt. Diese mechanische Spannung überträgt sich auf den FeRh-Film und schaltet seine ferromagnetischen Domänen aus. Oder wie es der Physiker Valencia ausdrückt: “Durch die Verzerrung im BTO steigt die Übergangstemperatur im FeRh an, die den antiferromagnetischen Zustand (keine Netto-Magnetisierung) von dem ferromagnetischen Zustand trennt. Normalerweise liegt diese Übergangstemperatur für FeRh um die 90 °C, aber unter mechanischer Spannung steigt sie auf etwa 120 °C.“

Um diesen Effekt zu demonstrieren, führten die Wissenschaftler das Experiment bei 115 °C durch, einer Temperatur, bei der ohne Spannung im FeRh ferromagnetische Domänen vorhanden sind. Sobald die Spannung angelegt wurde, wurden diese ferromagnetischen Domänen antiferromagnetisch, d.h. die Magnetisierung verschwand.

Umschalten nahe der Raumtemperatur

“Dies ist sehr wichtig”, erklärt Valencia. „Wir haben hier eine Struktur, die wir schon in der Nähe der Raumtemperatur zwischen zwei verschiedenen magnetischen Zuständen umschalten können. Das ist genau das, was wir brauchen, um Bauteile zu entwickeln, die bei Raumtemperatur arbeiten. Zudem reicht für das Umschalten bereits ein niedriges elektrisches Feld aus, das wenig Energie benötigt. Wir arbeiten nun daran, den FeRh-Film mit Palladium-Atomen zu dotieren, um diese Effekte noch näher an der Raumtemperatur zu erzeugen.“

Zur Publikation: Scientific Reports doi:10.1038/srep10026

Local electrical control of magnetic order and orientation by ferroelastic domain arrangements just above room temperature, L. C. Phillips, R. O. Cherifi, V. Ivanovskaya, A. Zobelli, I. C. Infante, E. Jacquet, N. Guiblin, A. A. Ünal, F. Kronast, B. Dkhil, A. Barthélémy, M. Bibes and S. Valencia

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Dr. Ina Helms Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH

Weitere Informationen:

http://www.helmholtz-berlin.de/

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