Rastersondenmikroskopie mit einer Quantenspitze

Die Abbildung zeigt das Abtasten einer Kohlenstoff-Nanoröhre mit einer ultrakalten Atomwolke (gelb). Die Atomwolke dient als Quantenspitze im neuen Rastersondenmikroskop. Das integrierte magnetische Förderband (unten zu sehen) dient zur Nanopositionierung der Quantenspitze. Abb: Uni Tübingen<br>

Dispersionskräfte spielen eine zentrale Rolle bei der Anziehung zwischen Atomen und Molekülen. Sie beeinflussen nicht nur die Strukturbildung der Materie, sondern auch die Reibung in mikromechanischen Systemen, wie sie heutzutage z.B. als Beschleunigungs- oder Rotationssensoren in Autos und Smartphones Verwendung finden. Auch in unserer makroskopischen Welt lassen sich die Konsequenzen der Dispersionskräfte eindrucksvoll beobachten, wenn sie z.B. Spinnen und Geckos erlauben, sich kopfüber an Decken und Wänden zu bewegen. Wegen ihrer fundamentalen Bedeutung sind Dispersionskräfte ein zentrales Forschungsthema der Nanowissenschaften.

Forschern der Universität Tübingen ist es nun gelungen, eine neue Technik für die Messung dieser Dispersionskräfte zu entwickeln. Als Grundlage dient das von ihnen entwickelte „cold-atom scanning probe microscope“, bei dem die Oberfläche einer Probe mit einer ultrakalten verdünnten Gaswolke als Sondenspitze abgetastet wird. Dabei kühlen die Wissenschaftler ein besonders reines Gas aus Rubidiumatomen auf Temperaturen unterhalb von einem Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt ab und speichern die Atome in einer Magnetfalle. Diese „Quantenspitze“ kann präzise positioniert werden und ermöglicht so genaue Messungen der Wechselwirkungen zwischen Atomen und nanostrukturierten Oberflächen.

In ihrer Veröffentlichung in der aktuellen Ausgabe von „Nature Nanotechnologie“ berichten Prof. Dr. József Fortágh, Dr. Andreas Günther und ihre Mitarbeiter wie man mit Hilfe dieses Mikroskops Dispersionskräfte an Nano-Objekten vermessen kann. Dazu bringen sie die Quantenspitze in Berührung mit einer Kohlenstoff-Nanoröhre, einer der wichtigen Baumaterialien der Nanotechnologie, und beobachten die zeitlich aufgelöste Wechselwirkung. Damit sind sie erstmals in der Lage, winzige Dispersionskräfte mit bislang unerreichter Sensitivität zu nachzuweisen. Die Methode bietet neue Möglichkeiten für die Erforschung und Charakterisierung von Materialeigenschaften in der Nanotechnologie.

Die Autoren arbeiten am Tübinger Center for Collective Quantum Phenomena (CQ) des Fachbereichs Physik der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. Die zwei mittlerweile promovierten Mitarbeiter Dr. Philipp Schneeweiß und Dr. Michael Gierling haben für ihre Arbeiten zur Rastersondenmikroskopie mit ultrakalten Atomwolken den Nanowissenschaftspreis 2011 der Arbeitsgemeinschaft der Nanotechnologie-Kompetenzzentren in Deutschland erhalten.

Die Studie entstand im Rahmen des BMBF-Forschungspreises „NanoFutur“, des Sonderforschungsbereich/Transregio 21, und des Kompetenznetzes „Funktionelle Nanostrukturen“ der Baden-Württemberg-Stiftung.

Publikation
P. Schneeweiß, M. Gierling, G. Visanescu, D. P. Kern, T. E. Judd, A. Günther und J. Fortágh: Dispersion forces between ultracold atoms and a carbon nanotube. Nature Nanotechnology, Online-Veröffentlichung vom 17. Juni 2012, DOI: 10.1038/NNANO.2012.93
Kontakt:
Dr. Andreas Günther, Prof. Dr. József Fortágh
Universität Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich Physik
Telefon: +49 7071 29-76281 und 29-76270
E-Mail: a.guenther@uni-tuebingen.de, fortagh@uni-tuebingen.de

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Michael Seifert idw

Weitere Informationen:

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