"Rheuma-Video" offenbart Entzündungsherde frühzeitig

Es kann jeden treffen: Rheuma ist genauso häufig wie Diabetes, Arteriosklerose und Krebs zusammen – ca. 1 % der Bevölkerung erfasst die Krankheit, die medizinisch exakt „rheumatoide Arthritis“ heißt. Meist beginnt sie mit ersten Entzündungen an den Fingergelenken.

Werden sie rechtzeitig entdeckt und eine Therapie begonnen, stehen die Chancen gut, dass es nicht zu den gefürchteten Gelenkschäden kommt. Jetzt haben Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), Institut Berlin, in einem Kooperationsprojekt mit mehreren Partnern eine solche Früherkennungsmethode entwickelt. Ihr optisches Rheuma-Bildgebungsverfahren arbeitet mit einem Fluoreszenz-Farbstoff, der von nah-infrarotem Licht angeregt wird, und ist absolut unschädlich. Mit dem Verfahren können Rheumaherde früher als mit einem Röntgengerät und preiswerter als mit einem Kernspintomographen entdeckt werden.

Nach vielversprechenden Ergebnissen einer noch laufenden klinischen Vorstudie hat die Berliner Medizintechnikfirma mivenion die Lizenzrechte von der PTB erworben, um eine größere Studie vorzubereiten. Auch die gesetzlichen Krankenkassen haben bereits Interesse an dem Bildgebungsverfahren gezeigt, das die Rheumadiagnostik und -behandlung deutlich kostengünstiger machen dürfte – zumal ein neues, spezifisches Rheuma-Kontrastmittel es zukünftig noch einen Schritt besser machen könnte. Eine Hoffnung für Rheumakranke – und ein Beispiel für den erfolgreichen Technologietransfer von Forschungsergebnissen der PTB.

Zuerst leuchten die Fingerspitzen, dann wandert das Kontrastmittel in Richtung des Handgelenkes weiter, live unter den Augen von Patient und Arzt. Sammelt sich der Farbstoff an bestimmten Gelenken, dann ist das für den Arzt ein Hinweis auf einen Rheumaherd. Wenige Minuten dauert die Untersuchung; sie ist schmerz- und nebenwirkungsfrei. Denn was den Farbstoff zum Leuchten anregt, das Nahinfrarotlicht (NIR-Licht), ist gerade eben nicht mehr sichtbar, sondern schon nah an der Infrarot- oder Wärmestrahlung und dringt daher deutlich weiter in den Körper ein als sichtbares Licht. Trifft es im Körper auf ein Farbstoffmolekül, dann beginnt dieses zu leuchten und verrät so den Ort, an dem es sich gerade aufhält. Da der zurzeit noch verwendete Farbstoff passiv mit dem Blut mitschwimmt, liefert eine hochempfindliche, bildhafte Detektion des Fluoreszenzlichtes Aufschluss über die Stärke der Durchblutung am jeweiligen Ort; in einem Rheumaherd ist die Durchblutung höher als in gesundem Gewebe. Noch besser ist es, wenn man einen Farbstoff einsetzt, der nicht passiv im Blut mitschwimmt, sondern eine spezifische Wechselwirkung mit entzündlichen Prozessen eingeht. Einen solchen Farbstoff, ein fluoreszierendes Antikörperkonjugat namens AP39-TSC, entwickelt von der Bayer Schering Pharma GmbH, haben Forscher der PTB und Charité gemeinsam mit dem neuen Gerät getestet. Und tatsächlich ließen sich damit bei Ratten Rheumaherde in den Sprunggelenken noch besser darstellen.

Weil es sehr aufwendig ist, bis ein neues Kontrastmittel für den Einsatz beim Menschen zugelassen ist, wird in den klinischen Studien bislang mit dem bewährten Farbstoff Indocyaningrün gearbeitet. An der aktuellen klinischen Studie, die von der Firma mivenion koordiniert wird und fast abgeschlossen ist, sind neben der PTB die HELIOS-Kliniken in Berlin-Buch und Bad Saarow beteiligt. Die Studie wird von der Investitionsbank Berlin (IBB) gefördert und mit Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) unterstützt. Weil die aktuelle Studie vielversprechende Ergebnisse liefert, soll bald eine multizentrische klinische Studie folgen, an der bundesweit mehrere Kliniken beteiligt sein werden. Zu deren Vorbereitung, insbesondere zur Herstellung weiterer Geräte zur Fluoreszenz-Rheumabildgebung, hat nun die Berliner Medizintechnikfirma mivenion die Lizenzrechte von der PTB erworben. Inzwischen sind die ersten Geräte bereits an rheumatologische Kliniken geliefert worden.

Für Rheumapatienten könnte eine bessere Diagnostik zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Darüber hinaus sollten sich massive finanzielle Vorteile für das Gesundheitssystem ergeben. Denn die Behandlung von Rheuma, ob mit Arzneimitteln, in der Praxis oder in der Klinik, kostet viel Geld. Auf chronische Krankheiten wie Rheuma sind immerhin 75 % aller Gesundheitskosten zurückzuführen. Und Vertreter der gesetzlichen Krankenkasse haben auch bereits Interesse an dem neuen Verfahren gezeigt. ms/es/ptb

Ansprechpartner:
Dr. Bernd Ebert, PTB-Arbeitsgruppe 8.31 Gewebeoptik und molekulare Bildgebung, Tel. (030) 8431- 7384, E-Mail: bernd.ebert@ptb.de

Media Contact

Erika Schow idw

Weitere Informationen:

http://www.mivenion.de/

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