Quantenkommunikation in „Zufallsnetzwerken“

Modell eines Quanten-Zufallsnetzes

Im Prinzip ist jedermann über mehrere Ecken mit einer berühmten Persönlichkeit bekannt oder verwandt. Dass die „Welt so klein ist“, zeigten Studien, die sich mit dem Verhalten komplexer Netzwerke beschäftigen. Beispiele für Netzwerke dieser Art sind unter anderen das Internet oder das öffentliche Telefonnetz.

Erstmals hat nun eine Gruppe um Prof. Ignacio Cirac, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (Garching bei München) und Leiter der Abteilung Theorie, das Verhalten komplexer Netzwerke im Mikrokosmos, d.h. in der Quantenwelt untersucht (Nature Physics, Advanced Online Publication, DOI:10.1038/NPHYS1665). Ein überraschendes Ergebnis war, dass es – im Gegensatz zu klassischen Netzwerken – selbst im Fall sehr schwacher Verknüpfung zwischen den Knoten möglich ist, bei der Ausführung einfacher Aufgaben beliebig komplexe Kommunikationsmuster zu erzeugen.

Die Eigenschaften von Netzwerken sind im Rahmen der klassischen statistischen Mechanik bereits ausführlich untersucht worden. In einem periodischen Netzwerk sind die Knotenpunkte per Definition in einer regelmäßigen Struktur angeordnet, und jeder Knoten ist mit einer festen Zahl von „geometrischen“ Nachbarn verbunden. Wenn periodische Netzwerke vergrößert werden, ändert sich ihre Topologie nicht, da lediglich diese Einheitszelle immer wieder hinzugefügt wird. Zufallsnetzwerke sind ganz anders aufgebaut: jeder einzelne Knoten ist mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit mit jedem beliebigen anderen Knoten im Netzwerk verknüpft. Abhängig von der Verbindungswahrscheinlichkeit treten in diesen Netzwerken im Grenzfall unendlicher Ausdehnung einige charakteristische Effekte auf. Im Fall einer ausreichend hohen Verbindungswahrscheinlichkeit sind fast alle Knoten als ein Teil eines riesigen Clusters zu betrachten; ist die Wahrscheinlichkeit für Verknüpfungen jedoch sehr gering, dann gibt es nur einige spärlich verteilte Gruppen von miteinander verknüpften Knoten.

In einem Quantennetzwerk wird eine Verknüpfung zwischen benachbarten Knoten (die „Kante“) durch genau ein Paar miteinander verschränkter Quanten-Bits (z.B. Atomen) hergestellt; anders ausgedrückt, ein Link in einem Quantennetzwerk repräsentiert die Verschränkung von zwei Quanten-Bits. Daher besitzt ein Knotenpunkt für jeden Nachbarn, zu dem er eine Verbindung aufbauen kann, genau ein Quanten-Bit; die verschiedenen Quanten-Bits können an dem Knotenpunkt manipuliert werden. Dies gilt generell für alle Arten von Quantennetzwerken. Allerdings gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Verschränkung zwischen den benachbarten Quanten-Bits zu definieren. Bislang wurden Quanten-Netzwerke zumeist als periodisch strukturierte Graphen modelliert. In der hier zitierten Arbeit jedoch haben die Wissenschaftler das Ausmaß der Verschränkung zwischen zwei Knoten so gesetzt, dass sie der Verbindungswahrscheinlichkeit klassischer Zufallsgraphen entspricht.

Im klassischen Fall treten, wenn man die Verbindungswahrscheinlichkeiten mit der Größe des Netzwerkes skalieren lässt, plötzlich charakteristische Untergraphen auf: bei sehr niedrigen Wahrscheinlichkeiten kommen nur einfache (triviale) Links vor. Bei hohen Verbindungswahrscheinlichkeiten entstehen Graphen immer höherer Komplexität, wie etwa Dreiecke, Vierecke oder Sterne. Quantennetzwerke weisen ein ganz anderes Verhaltensmuster auf. Selbst bei extrem geringer Verschränkung zwischen den Knoten, die auf den ersten Blick allenfalls für eine einfache Verbindung ausreichen würde, lassen sich Untergraphen beliebig hoher Komplexität erzeugen. Dies ist vor allem eine Konsequenz des quantenmechanischen Superpositionsprinzips und der Möglichkeit, die Quantenbits an den Knotenpunkten kohärent zu manipulieren.

„In unserer Arbeit möchten wir zum einen deutlich machen, dass wir auch im Kontext der Quantenkommunikation Netzwerke mit ungeordneten Strukturen und keine periodischen Gitter untersuchen müssen”, erläutert Sébastien Perseguers, der dieses Thema im Rahmen seiner Doktorarbeit behandelt hat. „Wir wissen, dass Kommunikationsnetzwerke in der realen Welt eine komplexe Topologie besitzen, und höchstwahrscheinlich trifft das auch auf Quantennetzwerke zu. Zum andern möchten wir betonen, dass wir nicht nur bezüglich der Verknüpfungen zwischen den Knoten, sondern auch mit Blick auf das globale Netzwerk „Quantendenken“ an den Tag legen sollten. Ganz wichtig ist dabei die Beantwortung der Frage, was passiert, wenn man Verschränkungen über mehr als zwei Knoten zulässt.“ In naher Zukunft wollen die Wissenschaftler ihr Modell auch auf komplexe Netzwerke mit vielfältigeren Strukturen ausdehnen, wie man sie für die Beschreibung von Systemen in der Natur oder der Gesellschaft verwendet. Sie erwarten, dort auf eine Reihe weiterer überraschender Phänomene zu stoßen. Olivia Meyer-Streng

Originalveröffentlichung:
S. Perseguers, M. Lewenstein, A. Acín and J.I. Cirac
Quantum random networks
Nature Physics, Advanced Online Publication, DOI:10.1038/NPHYS1665
Kontakt:
Prof. Dr. Ignacio Cirac
Honorarprofessor, Technische Universität München
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Straße 1
85748 Garching
Tel.: +49 – 89 / 32905 705 / 736
Fax: +49 – 89 / 32905 336
E-Mail: ignacio.cirac@mpq.mpg.de
Sébastien Perseguers
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Tel.:+49 – 89 / 32905 345
Fax: +49 – 89 / 32905 336
E-Mail: sebastien.perseguers@mpq.mpg.de

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Dr. Olivia Meyer-Streng Max-Planck-Institut

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