Physiker und Mathematiker erforschen räumlich komplexe Strukturen

Ein ‚Gyroid‘ ist ein dreidimensionales Labyrinth, das von periodischen Minimalflächen begrenzt ist. Die Physik von Flüssigkeiten in solchen Kanälen – visualisiert durch blaue Kügelchen – hängt von der Geometrie der Wände ab. Abbildung: Institut für Theoretische Physik<br>

Bevor die Ingenieurwissenschaftler ans Werk gehen, kann die Kombination von Mathematik und Physik solide Grundlagen für derart komplexe Strukturen schaffen. Eine Brücke zwischen den beiden Disziplinen schlägt die neue Forschergruppe „Geometry and Physics of Spatial Random Systems“ (GPSRS), welche die Deutsche Forschungsgemeinschaft am Institut für Theoretische Physik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und am Karlsruher Institut für Technologie einrichtet.

Über die drei Jahre der ersten Förderperiode sind für insgesamt sechs Projekte mehr als 1,5 Millionen Euro vorgesehen, die zwischen den zwei Institutionen geteilt werden: Eine Hälfte der Summe geht an Erlanger Physiker, die andere an Mathematiker in Karlsruhe und im dänischen Aarhus.

Drei der bewilligten Projekte sind am Lehrstuhl von Prof. Dr. Klaus Mecke angesiedelt, der gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dr. Gerd Schröder-Turk die Forschungsarbeiten leitet. Die Zusammenarbeit mit den Mathematikern vom Institut für Technologie in Karlsruhe (Sprecher: Prof. Dr. Günter Last) wird vom dänischen Exzellenzzentrum für Stochastische Geometrie und Bioimaging in Aarhus (Direktorin: Prof. Dr. Eva Vedel Jensen) unterstützt, das zusätzliche Mittel aus Dänemark beibringt. Nach der ersten Förderperiode besteht die Möglichkeit der Verlängerung um weitere drei Jahre.

Übersetzt bedeutet der Titel der Forschergruppe in etwa „Geometrie und Physik von räumlich komplexen Strukturen“. Damit sind Materialien wie Schäume, Granulate oder Flüssigkristalle gemeint. Um solche kompliziert aufgebauten Werkstoffe besser zu verstehen und ihre Eigenschaften bzw. die Reaktionen auf vorgegebene Bedingungen beschreiben zu können, ist die Weiterentwicklung von Methoden und Modellen der räumlichen Stochastik und der Integralgeometrie geplant. Die dafür erforderliche Verbindung von Physik und Geometrie hat in Erlangen eine lange Tradition und wird am Institut für Theoretische Physik als zentrale Aufgabe gesehen.

Die Aufgabe der Statistischen Physik in Erlangen ist es, grundlegende Beziehungen zwischen geometrischen und physikalischen Eigenschaften von kondensierter Materie herzuleiten. Helfen sollen dabei Methoden der Feldtheorie, der Dichtefunktionaltheorie und der Perkolationstheorie. Letztere beschreibt zum Beispiel das „Durchsickern“ von Wasser durch ein poröses Material und die Abhängigkeit der durchfließenden Wassermenge von der Form des kompliziert zusammenhängenden Porenraumes – ein Vorgang, wie er in vielen Küchen allgegenwärtig ist, nämlich beim Zubereiten von Filterkaffee. Erstaunlicherweise ist das thermodynamische Verhalten von Flüssigkeiten in Poren und Kanälen (siehe Bild) nur von wenigen geometrischen Größen der Wände abhängig und nicht von Details der komplizierten Porenform. Die Dichte und mikroskopische Struktur von Flüssigkeiten, aber auch von physikalisch ähnlichen Substanzen können mittels Dichtefunktionaltheorie berechnet werden. Was sich im Mikro-und Nano-Bereich abspielt, hängt entscheidend von der Form der Teilchen ab. Längliche Partikel können beispielsweise Flüssigkristallstrukturen ausbilden, die technisch bei Flachbildschirmen (LCD) verwendet werden. Die Verbindung von Geometrie und Physik ist zum Verständnis dieser Phänomene unverzichtbar.

Mit dieser wissenschaftlichen Ausrüstung könnten sich Antworten auf Fragen wie die folgenden finden lassen, die technologisch wichtig, aber ungelöst sind. Warum lassen sich ellipsenförmige Körner dichter packen als kugelförmige? Wie kann man den Transport durch poröse Materialien durch die Form und Ausrichtung der Poren kontrollieren? Auch die Klärung der Zellstruktur von Schäumen gehört in diesen Zusammenhang. So erleichtern die schwierigsten, vermeintlich alltagsfernen mathematisch-physikalischen Grundlagenforschungen den Umgang mit ganz praktischen Aufgaben.

Die Universität Erlangen-Nürnberg, gegründet 1743, ist mit 29.000 Studierenden, 590 Professorinnen und Professoren sowie 2000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen an den Schnittstellen von Naturwissenschaften, Technik und Medizin in engem Dialog mit Jura und Theologie sowie den Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Seit Mai 2008 trägt die Universität das Siegel „familiengerechte Hochschule“.

Weitere Informationen für die Medien:

Prof. Dr. Klaus Mecke
Tel.: 09131/85-28441
klaus.mecke@physik.uni-erlangen.d

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Dr. Pascale Anja Dannenberg idw

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