Nanoteilchen schubsen: Forscher untersuchen Reibungsprozesse auf kleinster Ebene

Wissenschaftler der Universität Münster wollen die grundlegenden Mechanismen der Reibung verstehen und untersuchen die Prozesse auf allerkleinster Ebene: im Nanobereich.

Privatdozent Dr. André Schirmeisen vom Zentrum für Nanotechnologie (CeNTech) der Universität Münster leitet das internationale Projekt „NANOPARMA“ („Nanoparticle Manipulation by Atomic Force Microscopy Techniques“), das im September 2008 startet. Hauptbeteiligte sind neben der Arbeitsgruppe um Schirmeisen Wissenschaftler von der Universität Bielefeld, der Technischen Universität Lissabon (Portugal), der Universität Tartu (Estland) und der Akademie der Wissenschaften in Bratislava (Slowakei), darüber hinaus sind Forscher aus Lettland, der Schweiz, Frankreich und den USA dabei. Das Projekt wird über drei Jahre von der European Science Foundation mit insgesamt 1,1 Millionen Euro gefördert; rund 214.000 Euro gehen an die münsterschen Forscher.

„Um Reibung zwischen Oberflächen zu verstehen, müssen wir die Berührungspunkte zwischen den Flächen im Nanobereich anschauen“, erklärt Schirmeisen. Die münsterschen Forscher führen dazu mechanische Messungen auf allerkleinster Ebene durch: Sie verschieben einzelne Nanopartikel, die maximal ein tausendstel Millimeter groß sind, und messen die Kraft, die für diese Verschiebung nötig ist.

Um die winzigen Partikel aus ihrer Position zu lösen, nutzen die Forscher ein Rasterkraftmikroskop. Solch ein Mikroskop tastet mit einer hauchdünnen Spitze eigentlich die Struktur von Oberflächen ab und erzeugt so ein Bild. Die Wissenschaftler haben diese Technik jedoch weiterentwickelt. Sie „schubsen“ einzelne Nanopartikel mit der Spitze – simulieren also, was bei Reibung geschieht – und messen die Kräfte, die nötig sind, um die winzigen Teilchen zu bewegen. „Das ist keine Standardmethode“, betont Schirmeisen. „Wir sind mit dieser Untersuchungstechnik am Limit dessen, was heute möglich ist“.

Die münsterschen Wissenschaftler sind darauf spezialisiert, solche Messungen im Ultrahochvakuum durchzuführen. Andere an dem Projekt beteiligte Forschergruppen führen ähnliche Untersuchungen an der Luft oder in Flüssigkeiten durch, wieder andere stellen die Nanopartikel her, die für die Messungen benötigt werden. Die Bielefelder Kollegen stellen mathematische Modelle auf, die beschreiben, was bei der Reibung auf Nano-Ebene passiert. „Die Kooperation zwischen Experiment und Theorie ist besonders wichtig – nur so können wir unsere Beobachtungen am Ende erklären“, so Schirmeisen.

Die Ergebnisse der Forscher sollen nicht nur zu einem besseren Verständnis des Phänomens Reibung führen, sondern haben auch Anwendungspotenzial. Nanoteilchen spielen im Alltag eine große Rolle. „Im Motor zum Beispiel werden permanent Nanopartikel abgerieben, was einen Einfluss auf dessen mechanischen Eigenschaften hat“, erklärt Schirmeisen. Auf Grundlage der Forschungsergebnisse können die mechanischen Eigenschaften von Motoren und Maschinen künftig vielleicht verbessert werden. Es gibt sogar Nanopartikel, die gar keine Reibung erzeugen. Warum das so ist, ist unbekannt. „Wir versuchen, das herauszufinden“, so Schirmeisen. „Dabei stellt sich auch die Frage: Wie könnte man diesen Effekt nutzen?“

„NANOPARMA“ startet am 8. September 2008 mit einer Auftaktveranstaltung in Basel. „Ich finde es besonders schön“, sagt Schirmeisen erfreut, „dass das Projekt von Münster aus koordiniert wird und dass wir uns mit unserem jungen Team im Wettkampf um die Vergabe der Fördermittel durchsetzen konnten.“

Media Contact

Dr. Christina Heimken idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Durchbruch bei CRISPR/Cas

Optimierte Genschere erlaubt den stabilen Einbau von großen Genen. Großer Fortschritt an der CRISPR-Front. Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) ist es erstmals gelungen, sehr effizient große Gen-Abschnitte stabil und…

Rittal TX Colo: Das neue Rack für Colocation Data Center

Rittal TX Colo: Flexibel, skalierbar und zukunftssicher Mit der zunehmenden Digitalisierung und künftig auch immer mehr KI-Anwendungen steigt der Bedarf an Rechenleistung signifikant – und damit boomt der Colocation-Markt. Unternehmen…

Partner & Förderer