Mysteriöse Kugelblitze: mehr Schein als Sein?

Die Natur der scheinbaren Feuerbälle gab Wissenschaftlern lange Zeit Rätsel auf. Physiker der Universität Innsbruck haben nun erstmals berechnet, dass das Magnetfeld langer Blitzentladungen im menschlichen Gehirn den Eindruck leuchtender Kugeln – sogenannte Phosphene – erzeugen könnte. Damit ließen sich viele der Beobachtungen von Kugelblitzen erklären.

Die Physiker Josef Peer und Alexander Kendl von der Universität Innsbruck haben die elektromagnetischen Felder verschiedener, bei Gewittern typischerweise auftretender Blitze untersucht. Ihre Berechnungen ergaben nun, dass die Magnetfelder bestimmter, lang anhaltender Blitze mit sich wiederholenden Entladungen genau die selben Eigenschaften haben, wie das in der klinischen und psychiatrischen Praxis gängige Verfahren der Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) zur Anregung von Nerven im menschlichen Gehirn.

Die zeitliche Änderung von ausreichend starken Magnetfeldern verursacht im Kopf elektrische Felder an den Nervenzellen der Sehrinde. Dadurch können Leuchteindrücke – sogenannte Phosphene – hervorgerufen werden. „Aus klinischen Studien mit TMS sind real und hell erscheinende optische Sinneswahrnehmungen in verschiedenen Formen und Farben im Sichtfeld von Patienten und Versuchspersonen bekannt und gut untersucht“, erklärt Alexander Kendl. Neu ist die Erkenntnis der Innsbrucker Physiker, dass auch der nahe Einschlag lang anhaltender Blitze solche Leuchteindrücke erzeugen kann – was wie ein Kugelblitz erscheinen würde. Ihre Ergebnisse werden in Kürze in der Fachzeitschrift Physics Letters A veröffentlicht.

Ist das Rätsel des Kugelblitzes damit gelöst?

Kugelblitze sind eher seltene Ereignisse. Die meisten Forscher sind sich einig, dass sehr wahrscheinlich mehrere verschiedene Phänomene unter dem Sammelbegriff „Kugelblitz“ erfasst sind. Im Laufe der Zeit wurden vielschichtige Theorien und Vermutungen zu deren Natur aufgestellt. In Labors haben Forscher mancherorts leuchtende Feuerbälle erzeugt, die den Erscheinungen nicht ganz unähnlich, aber meistens zu kurzlebig waren.

Wann aber kann ein Gewitterblitz die Vision eines kugelförmigen Phosphens erzeugen? „Blitze mit wiederholten Entladungen, die über mehrere Sekunden die stimulierenden Magnetfelder erzeugen, sind eher selten und treten nur in etwa einem von hundert Fällen auf“, rechnet der Physiker Kendl. „Einem Beobachter, der sich im Abstand von wenigen hundert Metern von einem langen Blitzeinschlag entfernt befindet, kann ein magnetisches Phosphen in Form eines hellen Lichtflecks für einige Sekunden erscheinen.“ Auch andere Sinneseindrücke wie Geräusche oder Gerüche könnten dabei auftreten. Da die Bezeichnung „Kugelblitz“ aus den Medien bekannt sei, würden Beteiligte wohl auch runde Blitz-Phosphene so bezeichnen.

Laut Alexander Kendl spricht für die Deutung, dass viele Beobachtungen von Kugelblitzen eigentlich solche Phosphene sind, auch deren Einfachheit: „Im Gegensatz zu anderen Theorien, die schwebende Feuerkugeln beschreiben, sind keine neuen und weiteren Annahmen nötig.“

Weitere Informationen:
http://arxiv.org/abs/1005.1153/ – Transcranial stimulability of phosphenes by long lightning electromagnetic pulses. J. Peer and A. Kendl. Physics Letters A, 2010. doi:10.1016/j.physleta.2010.05.023 (arXiv:1005.1153)

http://www.uibk.ac.at/public-relations/presse/archiv/2010/051701/ – Presseinformation der Universität Innsbruck

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Dr. Christian Flatz idw

Weitere Informationen:

http://www.uibk.ac.at

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