Mechanische Tarnkappen – ohne komplizierte Mathematik

Mechanische Tarnkappe: In einer regelmäßigen bienenwabenartigen Struktur wird ein Loch durch eine Verzerrung ausgeglichen. Kräfte von außen wirken dann so, als wäre das Loch nicht vorhanden (Bild: T. Bückmann/KIT)

Der Begriff „Koordinatentransformation“ mag zunächst nicht nach einem einfachen Konzept klingen – doch solche mathematischen Umformungen können auch ganz anschaulich sein: Ein Netzwerk von verbundenen Punkten wird auf eine Gummihaut gemalt.

Streckt und verzerrt man diese Gummifläche, hat man eine Koordinatentransformation nachgestellt. Wenn das gedachte Netzwerk auf eine Materialverteilung abgebildet werden kann, hat man einen recht universellen Design-Ansatz zur Hand, um etwa mechanische Kräfte, die auf das Material wirken, in gewünschte Bahnen zu lenken.

Für Licht ist die Grundlage solcher Umformungen die Mathematik der Transformationsoptik. Doch dieses Prinzip auf echte Materialien und Bauteile in der Mechanik zu übertragen, war bisher für reale Konstruktionen und Stoffe nicht möglich – die Mathematik lieferte gewissermaßen unmögliche Anforderungen an das Material.

Um die Schwierigkeiten zu umgehen, haben die Forscher am Institut für Angewandte Physik des KIT um Erstautor Tiemo Bückmann einen neuen, einfacheren Weg aufgetan. „Wir haben uns ein Netzwerk von elektrischen Widerständen vorgestellt“, erklärt Bückmann.

„Dort kann man die Drahtverbindungen zwischen den Widerständen unterschiedlich lang wählen, aber ihr Wert verändert sich nicht. So bleibt die elektrische Leitfähigkeit des Netzwerks auch dann unverändert, wenn man es verformt.“

Dieses Gedankenexperiment haben die Forscher nun auf die Praxis übertragen. „In der Mechanik findet man das Prinzip wieder, wenn man sich kleine Federn anstelle der Widerstände vorstellt“, so Tiemo Bückmann. „Wir können einzelne Federn länger oder kürzer machen, wenn wir dafür ihre Form so anpassen werden, dass die Kräfte zwischen ihnen gleich bleiben. Dieses einfache Prinzip spart viel Rechenaufwand, und erlaubt uns das direkte Transformieren echter Materialien.“

Die Forscher haben ihre Methode in einem Modellversuch mit einem Material aus gedrucktem Polymer getestet. In eine stabile sechseckige, bienenwabenartige Struktur wurde ein Loch eingebracht. Die verzerrenden Kräfte aufgrund der reduzierten Stabilität betrugen zunächst über 700 Prozent. Nach Anwendung der neu entwickelten Umformung betrug der Fehler nur noch 26 Prozent. Die Ergebnisse wurden gerade in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig, denn mit der neuen Methode können bekannte zusammengesetzte Materialien oder mechanische Stützkonstruktionen so berechnet werden, dass sie auch in besonderen Formen möglichst stabil auf äußere Kräfte reagieren – nämlich so, als ob die Stützkonstruktion unverformt wäre.

Weiterer Kontakt:
Michael Büker, PKM – Themenscout, Tel.: +49 721 608 48122, Fax: +49 721 608 43658, E-Mail: michael.bueker@kit.edu

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vereint als selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts die Aufgaben einer Universität des Landes Baden-Württemberg und eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft. Seine drei Kernaufgaben Forschung, Lehre und Innovation verbindet das KIT zu einer Mission. Mit rund 9 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie 24 500 Studierenden ist das KIT eine der großen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschungs- und Lehreinrichtungen Europas.

Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: http://www.kit.edu

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Monika Landgraf Karlsruher Institut für Technologie

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