HZDR-Physiker entdecken optimale Bedingungen für Laserplasma-Beschleunigung

In einer Targetkammer trifft der Lichtpuls eines Hochleistungslasers auf eine Gaswolke. Das beschleunigt Elektronen auf einer Strecke kürzer als eine Stiftbreite auf nahezu Lichtgeschwindigkeit. HZDR / F. Bierstedt

An sich scheint das Prinzip der Laser-Beschleunigung relativ einfach: Ein gebündelter, ultrastarker Laserstrahl trifft auf einen Hauch von Gas, wodurch sich sofort ein Plasma – ein ionisierter Materiezustand oder, anders ausgedrückt, ein brodelndes Gemisch geladener Teilchen – bildet.

Die Wucht des Lichtpulses entreißt den Atomen die Elektronen und kreiert eine Art Blase im Plasma, die ein starkes elektrisches Feld enthält. Dieses Feld, das der Laserpuls wie eine Heckwelle hinter sich herzieht, schließt die Elektronen ein und beschleunigt sie auf nahezu Lichtgeschwindigkeit.

„Mithilfe der rasanten Teilchen können wir Röntgenstrahlung erzeugen“, erläutert Dr. Arie Irman vom Institut für Strahlenphysik am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) den Zweck des Vorgangs. „Wenn wir diese Elektronenbündel zum Beispiel mit einem weiteren Laserstrahl zusammenprallen lassen, entstehen helle, kurze Röntgenblitze – ein überaus wertvolles Forschungswerkzeug, um extreme Materiezustände zu untersuchen.“

Rechte Zeit + Rechter Ort = Perfekte Beschleunigung

Die Stärke der sekundären Strahlung hängt dabei vor allem vom elektrischen Strom der Teilchen ab. Der Strom wiederum wird maßgeblich von der Anzahl der eingespeisten Elektronen bestimmt. Die Beschleunigung per Laserkraft hält deshalb ein großes Potential, da sie im Vergleich zur konventionellen Variante deutlich höhere Spitzenströme erreicht. Jedoch greift in diesem Fall der Beam-Loading-Effekt, wie Physiker Jurjen Pieter Couperus einschränkt:

„Diese höheren Ströme brauchen so viel elektrische Ladung, dass die Felder des Elektronenbündels die Welle überlagern, wodurch sich der Strahl verformt. Das Bündel wird in die Länge gezogen und dadurch nicht richtig beschleunigt. Die Elektronen haben deshalb unterschiedliche Energien und damit unterschiedliche Qualität.“

Um sie aber als Instrument für andere Experimente nutzen zu können, muss jeder Strahl die gleichen Parameter aufweisen. „Die Elektronen müssen zur rechten Zeit am rechten Ort sein“, fasst der Doktorand aus Irmans Team zusammen.

Erstmals konnten die beiden Forscher zusammen mit weiteren HZDR-Kollegen zeigen, wie sich der Beam-Loading-Effekt für die Verbesserung der Strahlqualität ausnutzen lässt. Das Helium, das üblicherweise mit dem Laserpuls beschossen wird, versetzten sie dafür mit einem kleinen Teil an Stickstoff. „Wir können die Anzahl der eingespeisten Elektronen kontrollieren, indem wir die Konzentration des Stickstoffs variieren“, erklärt Irman.

„In den Experimenten stellten wir fest, dass bei einer Ladung von etwa 300 Picocoulomb optimale Bedingungen herrschen. Abweichungen davon – indem wir mehr oder weniger Elektronen in die Welle laden – führen zu einer breiteren Energieverteilung, wodurch die Qualität des Strahls leidet.“

Wie die Berechnungen der Physiker gezeigt haben, führten die optimalen Bedingungen bei ihren Versuchen zu einem Spitzenstrom von rund 50 Kiloampere. „Für einen ICE fließen durch eine Standardoberleitung der Deutschen Bahn, zum Vergleich, nur etwa 0,6 Kiloampere“, erklärt Jurjen Pieter Couperus, der sich aber sicher ist, dass sich der Rekord noch ausbauen lässt.

„Mit einem Laserpuls im Petawatt-Bereich, den unser Hochintensitätslaser DRACO erreichen kann, sollte sich mit unseren Parametern ein hochwertiger Elektronenstrahl mit einem Spitzenstrom von 150 Kiloampere erzeugen lassen. Das übertrifft moderne Großforschungs-Beschleunigeranlagen um circa zwei Größenordnungen.“ Nach Ansicht der Dresdner Forscher würde das die Tür zur nächsten Generation kompakter Strahlungsquellen weit aufstoßen.

Publikation:
J. P. Couperus, R. Pausch, A. Köhler, O. Zarini, J. M. Krämer, M. Garten, A. Huebl, R. Gebhardt, U. Helbig, S. Bock, K. Zeil, A. Debus, M. Bussmann, U. Schramm, A. Irman: Demonstration of a beam loaded nanocoulomb-class laser wakefield accelerator, in Nature Communications, 2017 (DOI: 10.1038/s41467-017-00592-7)

Weitere Informationen:
Dr. Arie Irman | Jurjen Pieter Couperus
Institut für Strahlenphysik am HZDR
Tel. +49 351 260-3043 | 3005
E-Mail: a.irman@hzdr.de | j.couperus@hzdr.de

Medienkontakt:
Simon Schmitt | Wissenschaftsredakteur
Tel. +49 351 260-3400 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen betreibt das HZDR große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen. Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Hamburg, Leipzig) und beschäftigt rund 1.100 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 150 Doktoranden.

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