Glücksfall zeigt, aus welchen Elementen «Chury» besteht

«Mission selfie» von Rosetta mit dem Kometen «Chury». Man erkennt die Seite von Rosetta, eines ihrer Solarpanels und «Chury» im Hintergrund, der Wasser und Staub ausgast. ESA/Rosetta/Philae/CIVA

Es war einer jener seltenen Glücksmomente in der Forschung: Eigentlich erfassen die beiden Massenspektrometer des Instruments ROSINA auf der Rosetta-Sonde ausschliesslich flüchtige Elemente aus der Gashülle des Kometen «Chury». Unerwartet tauchten bei den Ergebnissen aber auch feste Elemente wie Natrium auf, die nicht aus der Hülle stammten konnten.

Das ROSINA-Team um Peter Wurz vom Physikalischen Institut und Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern vermutete, dass diese von der Kometenoberfläche stammten. Es wurde angenommen, dass sie vom Sonnenwind, einem Strom von geladenen Teilchen der Sonne, herausgeschlagen wurden und ROSINA so «ins Netz» gingen.

Um dies herauszufinden, gingen die Forschenden auf die Suche nach weiteren festen Elementen, als sich die Rosetta-Sonde in einer Entfernung von nur 10 Kilometern zu «Chury» befand – und wurden fündig. Damit konnte erstmals belegt werden, dass der Sonnenwind die Oberfläche des Kometen erreicht und dort Atome herauslöst.

Im Gegensatz dazu kann die Erdoberfläche vom Sonnenwind nicht beschossen werden: Die Erdatmosphäre und das Magnetfeld der Erde schirmen sie vor den geladenen Teilchen ab. Diese werden höchstens am Himmel sichtbar, etwa als Polarlicht.

Auch auf die Kometenoberfläche wirkt der Sonnenwind nur noch kurz ein: Je näher «Chury» zur Sonne kommt, desto mehr verdampft von seinem Eis, und umso stärker wird seine Ausgasung. Diese wird den Sonnenwind abbremsen und ablenken, so dass er nicht mehr auf die Oberfläche gelangt. Die von ROSINA vorgenommenen Messungen von Elementen aus der Oberfläche wären zu einem späteren Zeitpunkt also nicht mehr möglich gewesen.

Die internationale Forschergruppe konnte nun dieses Zeitfenster mit Einwirkung des Sonnenwinds nutzen und erstmals Elemente aus der gesamten Kometenoberfläche bestimmen. Die Forschenden sprechen von einem grossen Glücksfall: «Wir müssen immer mit solch unerwarteten Ergebnissen rechnen, deshalb bleiben unsere Instrumente die ganze Zeit über eingeschaltet», sagt Kathrin Altwegg, Ko-Autorin der in «Astronomy&Astrophysics» erschienenen Studie und Projektverantwortliche von ROSINA.

Verwandt mit Chondriten

Aufgefangen wurden die Oberflächen-Atome aus einer Entfernung von rund 10 Kilometern. Dabei zeigte sich, dass auf der «Sommerseite» des Kometen, die zur Zeit der Beobachtungen meistens von der Sonne beschienen wurde, die Ausgasung von Wasser viel stärker ist als auf der «Winterseite», die grösstenteils im Schatten lag. Auf der Winterseite konnte somit der Sonnenwind ungehindert auftreffen, weshalb von dieser Seite viel mehr dieser losgelösten Oberflächen-Atome aufgefangen werden konnten.

Aus allen empfangenen Atomen konnten die Forschenden das durchschnittliche Auftreten von Elementen auf der gesamten Kometenoberfläche bestimmen. So findet sich dort Natrium, Silizium, Kalium, Kalzium und Magnesium – Elemente, die aus der Meteoritenforschung gut bekannt sind. Die Häufigkeit dieser Atome vom Kometen entsprechen dabei in etwa den Häufigkeiten in Chondriten, der ältesten Klasse von Meteoriten. «Eine Verwandtschaft zwischen Chury und solchen Meteoriten ist deshalb naheliegend», sagt Peter Wurz.

Angaben zur Publikation:
Peter Wurz, Martin Rubin, Kathrin Altwegg, Hans Balsiger, Jean-Jacques Berthelier, André Bieler, Ursina Calmonte, Johan De Keyser, Björn Fiethe, Stephen A. Fuselier, André Galli, Sébastien Gasc, Tamas I. Gombosi, Annette Jäckel, Léna Le Roy, Urs A. Mall, Henri Rème, Valeriy Tenishev, and Chia-Yu Tzou: Solar wind sputtering of dust on the surface of 67P/Churyumov-Gerasimenko, Astronomy & Astrophysics, 29.07.2015, in press.

http://tinyurl.com/sonnenwind

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Nathalie Matter Universität Bern

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