Gesichter erkennen wie ein Automat

Die Marburger Neurophysiker präsentierten ihren Testpersonen unter anderem verschiedene Objekte (links), die von einer Gesichtserkennungs-Software fälschlicherweise als menschliche Antlitze identifiziert worden waren; eine Überlagerung derartiger Muster (rechts) lässt wesentliche Merkmale eines solchen eingebildeten Durchschnitts-Gesichts zutage treten.<br>(Abbildung: AG Einhäuser)<br>

„In einer sozialen Umgebung ist es wichtig, Gesichtseindrücke zu verarbeiten, zum Beispiel, weil das Verhalten gegenüber anderen von deren Gefühlsäußerungen beeinflusst wird“, schreiben die Autoren um Bernard Marius 't Hart und Professor Dr. Wolfgang Einhäuser. Dazu passt, dass Gesichter schneller als solche erkannt werden als andere Objekte. Um menschliche Züge zu identifizieren, reichen offenbar relativ einfache Wahrnehmungsfilter aus, wie sie von den Zellen in der primären Sehrinde des Hirns zur Verfügung gestellt werden.

Die Marburger Wissenschaftler verglichen den Vorgang der Gesichtserkennung menschlicher Probanden mit Leistungen, die eine Gesichtserkennungssoftware erbringt. Solche Systeme sind mittlerweile dermaßen erfolgreich, dass sie sogar kommerziell verwertet werden. Trotzdem kommen Fehler vor. Täuschen Muster, die dabei fälschlicherweise als Gesichter identifiziert werden, auch menschliche Betrachter?

Um diese Frage zu beantworten, konfrontierten die Forscher ihre Testpersonen wenige Millisekunden lang mit Bildpaaren, die jeweils ein Gesicht und ein anderes Objekt zeigten: Letzteres bestand entweder aus einem beliebigen Gegenstand, bei dem die Software korrekt erkannt hatte, dass es sich nicht um ein Gesicht handelt; oder aus einem „falsch-positiven“ Muster, das maschinell fälschlicherweise als menschliches Antlitz identifiziert worden war. Die Probanden wurden in einem ersten Experiment gebeten, den Blick auf das Gesicht zu richten, wobei die Augenbewegung aufgezeichnet wurde. Dabei zeigte sich, dass die falsch-positiven Bilder häufiger mit Gesichtern verwechselt wurden als andere Muster – genau so, wie bei der maschinellen Gesichtserkennung.

Anders sah es in einem zweiten Experiment aus, bei dem die Testpersonen eine Taste drückten, wenn sie ein Gesicht zu erkennen glaubten. Hier waren Missgriffe nicht abhängig von der Zusammensetzung der Bildpaare; die falschen Zuschreibungen glichen in diesem Fall also nicht denen der Software.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass den Augenbewegungen eine schnelle, unbewusste Gesichtsdetektion zu Grunde liegt; beim Drücken der richtigen Taste greift dagegen wohl bereits ein anderer Prozess“, folgert Versuchsleiter Wolfgang Einhäuser. Bei der ersten, schnellen Verarbeitung kommen offenbar die gleichen Prinzipien zu Tragen wie bei einer Maschine.

Originalveröffentlichung: Bernard Marius 't Hart & al.: Faces in places, PLoS One (2011), DOI: 10.1038/nphys2091;

URL: http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0025373

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Wolfgang Einhäuser,
Arbeitsgruppe Neurophysik
Tel.: 06421 28-24164
E-Mail: wet@physik.uni-marburg.de
Bernard Marius 't Hart
Tel.: 06421 28-24176
E-Mail: thart@staff.uni-marburg.de

Media Contact

Johannes Scholten idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-marburg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer