Gas-Variationen weisen auf Jahreszeiten auf Komet Chury hin

Farbkomposit eines Teils von 67P. Am Boden unterhalb der Felswand ist Material sichtbar, das heller und blauer ist als die Umgebung. Dabei könnte es sich um Blöcke (blauen) Wassereises handeln. ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

In der aktuellen Ausgabe des Magazins «Science» ist ein Teil den neuen Resultaten der europäischen Rosetta-Mission zum Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko gewidmet. Drei der acht Artikel zum Thema werden von Berner Forscherinnen und Forschern angeführt, bei zwei weiteren sind Berner Co-Autoren beteiligt. «Das zeigt, welche grosse Rolle die Universität Bern bei dieser Mission und in der Kometenforschung spielt», sagt Kathrin Altwegg vom Berner Center for Space and Habitability und eine der Hauptbeteiligten der ESA-Mission.

Unterschiedliche «Sommer- und Winter-Atmosphäre»

In einer der Studien untersucht Myrtha Hässig, eine ehemalige Doktorandin Altweggs und zur Zeit PostDoc am Southwest Research Institute (SwRI) in San Antonio, USA, die Variation der Koma, also quasi der Kometenatmosphäre. «Hätten wir einfach eine ständige Zunahme der Ausgasrate beim Kometen festgestellt, gäbe es keine Fragen bezüglich dessen Heterogenität», sagt sie.

«Stattdessen sahen wir Spitzen bei der Messung der Wasserdichte und ein paar Stunden später beim Kohlendioxyd.» Diese Variation könnte laut Hässig auf einen Tag-Nacht- oder auf einen saisonalen «Sommer-Winter»-Effekt hindeuten. Möglicherweise sei der Kometenkern selbst inhomogen. In diesem Fall würde das Material aus verschiedenen Regionen des frühen Sonnensystems bestehen und sich vermischt haben.

«Mit einem Teleskop betrachtet, sehen Kometenkomata von weitem sehr uniform aus, und sie ändern sich auch nicht kurzfristig», sagt Co-Autor Stephen Fuselier vom SwRI. «Wir waren wirklich überrascht, als wir aus 200 Kilometern Entfernung diese Variationen sahen. Noch überraschender war, dass sich die Zusammensetzung der Koma so stark ändert.» Es gibt demnach einen klaren Unterschied zwischen der Zusammensetzung der «Sommer-» und der «Winteratmosphäre»: Erstere wird von Wasser; letztere von Kohlendioxyd dominiert.

Da der Kometenkern mit einem Durchmesser von 4 Kilometern sehr klein ist, ist die Sommerzone nur rund einen Kilometer von der Winterzone entfernt. Kathrin Altwegg: «Derart grosse Differenzen in der Atmosphäre auf solch kleine Entfernungen zu sehen, ist aussergewöhnlich. Wir müssen nun beobachten, wie sich der Komet entwickelt, wenn er sich der Sonne nähert, um festzustellen, ob die Änderungen der Koma nur durch Temperaturdifferenzen zu Stande kommen oder ob der Kern selbst inhomogen ist.»

Gestochen scharfe Oberflächenbilder dank OSIRIS

Unter der Federführung von Nicolas Thomas vom Physikalischen Institut der Universität Bern beschäftigt sich ein weiteres Paper mit den Bildern, die Rosettas Hauptkamerasystem OSIRIS vom Kometenkern geschossen hat. Die Struktur des Kometen sei sehr divers, so der Berner Weltraumforscher. «Teile der Oberfläche erscheinen hart und weisen Bruchflächen auf, andere scheinen zu zerbröckeln. Weitere Teile sind von Staub bedeckt, dessen Verteilung vom ausströmenden Gas verändert wird. Es ist ein erstaunlicher Ort.»

Das Berner Fernerkundungsteam kann auch auf Ressourcen zurück greifen, die kürzlich durch das National Center for Competence in Research (NCCR PlanetS) bereitgestellt wurden, um die Interpretation der Daten zu ermöglichen. «Die Schweizer Unterstützung der Planetenwissenschaften ist enorm», sagt Thomas, «und sie hat dazu geführt, dass die Universität Bern bei der Planetenforschung mit in der ersten Reihe steht.»

Wechselwirkung von Sonnenwind und Koma untersucht

Last but not least beteiligt sich auch Martin Rubin vom Physikalischen Institut als Co-Autor an einer Studie von Hans Nilsson vom Schwedischen Institut für Weltraumforschung über die Magnetosphäre von «Chury». Die Universität Bern hat dazu Daten des Gasdrucksensors ROSINA COPS beigesteuert. Erstmals konnten damit auf dieser grossen Entfernung von der Sonne die Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenkoma untersucht werden.

Das vom Kometen ausströmende Gas wird im Sonnenlicht elektrisch geladen und dann vom Sonnenwind weggetragen. Wegen der grossen Entfernung zur Sonne ist dieser Effekt bei Chury laut Rubin weit weniger ausgeprägt als bei Kometen, welche man bisher mit Sonden besucht hat. «Für einen Plasma-Forscher wie mich ist es äusserst interessant, diese Wechselwirkung während ihrer Entstehung zu beobachten. Viele Fragestellungen in der Kometenforschung benötigen zur Erklärung die Zusammenarbeit verschiedener Teams sowie gemeinsame Messungen von verschiedenen Instrumenten.»

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Nathalie Matter Universität Bern

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