Galaktischer Serienmörder

Die kontrastierenden Galaxien NGC 1316 und 1317

Die beiden stehen räumlich recht nah zusammen, haben aber sehr unterschiedliche Lebensgeschichten: Die kleine Spiralgalaxie NGC 1317 hat ein ruhiges Leben geführt, wohingegen NGC 1316 in ihrer stürmischen Vergangenheit mehrere andere Galaxien verschlungen hat und dementsprechend Narben aus diesen Schlachten aufweist.

In der Struktur von NGC 1316 weisen mehrere Indizien auf eine turbulente Vergangenheit hin. Zum Beispiel hat sie eine Population von ungewöhnlich kleinen Kugelsternhaufen und beinhaltet einige ungewöhnliche Staubbänder [1], die in einer viel größeren Hülle aus Sternen eingebettet sind. Dies weist darauf hin, dass sie schon eine staubreiche Spiralgalaxie vor etwa drei Milliarden Jahren verschluckt haben könnte.

Außerdem sind um die Galaxie sehr lichtschwache Gezeitenschweife sichtbar: lange Ausläufer in Streifenform oder kugelförmige Schalen aus Sternen, die aus ihrer ursprünglichen Umgebung herausgerissen und in den intergalaktischen Raum geschleudert wurden. Diese Merkmale entstehen durch komplexe Gravitationseffekte auf die Umlaufbahnen der Sterne, wenn eine andere Galaxie ihrer eigenen zu nahe kommt. All diese Zeichen lassen auf eine gewalttätige Vergangenheit schließen, in der NGC 1316 andere Galaxien annektiert hat, und deuten darauf hin, dass sich dieses zerstörerische Verhalten fortsetzen wird.

NGC 1316 befindet sich etwa 60 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Fornax (der chemische Ofen). Sie trägt auch den Namen Fornax A, was verdeutlicht, dass sie die hellste Radioquelle in diesem Sternbild – und in der Tat die vierthellste Radioquelle am gesamten Himmel ist [2]. Die Radiostrahlung wird von dem Material erzeugt, das in das supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie hineinfällt, und wird vermutlich zusätzlich durch Wechselwirkungen mit anderen Galaxien angefeuert.

Dieses sehr detailreiche Bild vom MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der ESO in Chile wurde aus vielen einzelnen Aufnahmen aus dem ESO-Archiv kombiniert. Das Ziel der ursprünglichen Beobachtungen war es, die lichtschwächsten Merkmale sichtbar zu machen und die Störungen dieses interessanten Systems zu untersuchen.

Zusätzlich bietet dieses Bild einen Einblick in das weit entfernte Universum deutlich über die zwei hellen Galaxien im Vordergrund hinaus. Die meisten verschmierten Flecken im Bild sind nochmal viel weiter entfernte Galaxien – eine besonders dichte Konzentration ist links von NGC 1316 zu sehen.

[1] Diese Staubbänder wurden im Detail vom NASA/ESA Hubble Space Telescope aufgenommen.

[2] Dies gilt für Radiofrequenzen von 1400 MHz. Bei anderen Frequenzen wird die Größenordnung anders sein.

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 15 Mitgliedsländer: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner bei den neuartigen Teleskopverbund ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop mit 39 Metern Durchmesser für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird: das European Extremely Large Telescope (E-ELT).

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

Carolin Liefke
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Dies ist eine Übersetzung der ESO-Pressemitteilung eso1411.

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