Erster Planet um einen Sonnenzwilling in Sternhaufen gefunden

Künstlerische Darstellung eines Exoplaneten um einen Stern im Sternhaufen Messier 67 <br>

Astronomen haben mit dem HAPRS-Planetenjäger der ESO in Chile und weiteren Teleskopen auf der ganzen Welt drei Planeten um Sterne im Sternhaufen Messier 67 entdeckt.

Obwohl die Existenz von mehr als tausend Planeten außerhalb unseres Sonnensystems bestätigt ist, wurde bislang nur eine Handvoll in Sternhaufen gefunden. Bemerkenswert ist auch, dass einer dieser neuen Exoplaneten um einen Stern kreist, der zu den seltenen Sonnenzwillingen zählt – Sternen, die in all ihren Eigenschaften fast identisch mit der Sonne sind.

Mittlerweile weiß man, dass Planeten um Sterne außerhalb unseres Sonnensystems sehr häufig sind. Diese Exoplaneten wurden um Sterne verschiedenen Alters und unterschiedlichster chemischer Zusammensetzung gefunden und sind über den gesamten Himmel verstreut. Jedoch wurden bisher nur sehr wenige Planeten innerhalb von Sternhaufen gefunden [1]. Das ist unerwartet, da die meisten Sterne in solchen Sternhaufen geboren werden. Um diesen seltsamen Mangel zu erklären, haben sich Astronomen daher die Frage gestellt, ob die Planetenentstehung in Sternhaufen irgendwie anders verläuft.

Anna Brucalassi vom Max-Planck-Institut für Extraterresitsche Physik in Garching, Erstautorin der neuen Studie, in der die neuen Entdeckungen beschrieben werden, und ihr Team wollten mehr herausfinden: „Im Sternhaufen Messier 67 haben alle Sterne etwa das gleiche Alter und die gleiche chemische Zusammensetzung wie die Sonne. Dies macht sie zu einem perfekten Fallbeispiel, um zu untersuchen wie viele Planeten in so einer bedrängten Umgebung entstehen und ob sie eher um massereichere oder masseärmere Sterne zu finden sind.“

Die Gruppe hat dafür das HARPS-Instrument zur Planetensuche am 3,6-Meter Teleskop der ESO am La-Silla-Observatorium verwendet. Dessen Ergebnisse wurden durch Beobachtungen von einigen anderen Observatorien rund um die Welt ergänzt [2]. Sie haben sorgfältig 88 ausgesuchte Sterne in Messier 67 [3] über einen Zeitraum von sechs Jahren beobachtet und nach den winzigen verräterischen Bewegungen der Sterne zur Erde hin und von ihr weg gesucht, die auf die Präsenz von Planeten in der Umlaufbahn hindeuten.

Der Sternhaufen Messier 67 befindet sich etwa 2500 Lichtjahre entfernt im Sternbild Cancer (der Krebs) und enthält etwa 500 Sterne. Viele der Sterne im Sternhaufen sind leuchtschwächer als die normalerweise zur Exoplanetensuche anvisierten Sterne. Der Versuch hier das schwache Signal von möglichen Planeten zu detektieren, hat HARPS an seine Grenzen gebracht.

Drei Planeten wurden gefunden, zwei um einen sonnenähnlichen Stern und einer um einen massereichen, weit entwickelten Roten Riesenstern. Die ersten beiden Planeten haben jeweils etwa ein Drittel der Jupitermasse und umkreisen ihren Mutterstern in sieben bzw. fünf Tagen. Der dritte Planet benötigt 122 Tage für einen Umlauf um seinen Mutterstern und ist massereicher der Jupiter [4].

Es stellte sich heraus, dass der erste dieser Planeten einen bemerkenswerten Stern umkreist – es handelt sich dabei um einen nahezu perfekten Sonnenzwilling, einen der sonnenähnlichsten Sterne überhaupt (eso1337) [5]. Der Stern ist der erste Zwillingsstern der Sonne in einem Sternhaufen, bei dem überhaupt ein Planet gefunden wurde.

Zwei der drei Planeten sind sogenannte Heiße Jupiter – Planeten, die bezüglich ihrer Größe mit dem Jupiter vergleichbar sind, sich aber viel näher an ihrem Mutterstern aufhalten und daher viel heißer sind. Alle drei Planeten befinden sich zu nahe an ihren Muttersternen um in der habitablen Zone zu liegen, in der flüssiges Wasser existieren könnte.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Planeten in offenen Sternhaufen in etwa so häufig vorkommen wie bei isolierten Sternen – sie sind aber nicht einfach zu finden“, fügt Luca Pasquini von der ESO in Garching hinzu, Koautor des neuen Fachartikels [6]. „Die neuen Ergebnisse stehen im Kontrast zu früheren Arbeiten, die daran gescheitert sind Planeten in Sternhaufen zu finden. Sie stimmt jedoch mit einigen anderen neueren Beobachtungen überein. Wir werden diesen Sternhaufen weiter beobachten, um herauszufinden, wie sich Sterne mit und ohne Planeten in ihrer Masse und chemischen Zusammensetzung unterscheiden.“

Endnoten

[1] Sternhaufen kommen in zwei Haupttypen vor: Offene Sternhaufen sind Sterngruppen, die aus einer einzigen Gas- und Staubwolke in jüngster Vergangenheit entstanden sind. Sie sind meist in den Spiralarmen einer Galaxie wie unserer Milchstraße zu finden. Kugelsternhaufen andererseits sind viel größere, sphärische Ansammlungen viel älterer Sterne, die um das Zentrum einer Galaxie kreisen. Trotz sorgfältiger Untersuchungen wurden bislang keine Planeten in Kugelsternhaufen und weniger als sechs Planeten in offenen Sternhaufen gefunden. Die Exoplaneten in den Sternhaufen NGC 6811 und Messier 44 wurden erst in den letzten beiden Jahren entdeckt. Kürzlich wurde auch ein Exoplanet in den hellen, nahegelegenen Hyaden entdeckt.

[2] In dieser Arbeit wurden auch Beobachtungen vom SOPHIE-Instrument am Observatoire de Haute-Provence in Frankreich, dem 1,2-Meter Leonhard-Euler-Teleskop der ESO am La-Silla-Observatorium in Chile und dem Hobby Eberly Telescope in Texas in den USA verwendet.

[3] Die meisten offenen Sternhaufen zerstreuen sich nach einigen zehn Millionen Jahren. Allerdings können Sternhaufen, die bei der Entstehung eine höhere Sterndichte besitzen, länger zusammen bleiben. Messier 67 ist ein Beispiel für solch einen langlebigen älteren Sternhaufen und ist einer der ältesten und am besten untersuchten Sternhaufen dieser Art nahe der Erde.

[4] Massenabschätzungen für Planeten, die mittels der Radialgeschwindigkeitsmethode beobachtet wurden, sind untere Massegrenzen: Wenn die Planetenumlaufbahn stark geneigt ist, könnte der Planet eine höhere Masse besitzen und trotzdem dieselben beobachteteten Effekte verursachen.

[5] Die Bezeichnungen Sonnenzwillinge, Analoga zur Sonne und sonnenähnliche Sterne bezeichnen verschiedene Abstufungen der Ähnlichkeit zur Sonne bei Sternen. Sonnenzwillinge sind unserer Sonne am ähnlichsten, da sie sehr ähnliche Massen, Temperaturen und chemische Zusammensetzungen haben. Solche Sonnenzwillinge sind sehr selten. Die anderen Klassen, bei denen die Ähnlichkeit zur Sonne geringer ist, kommen jedoch viel häufiger vor.

[6] Die Detektionsrate von 3 Planeten in einer Stichprobe von 88 Sternen in Messier 67 liegt nahe der durchschnittlichen Häufigkeit von Planeten um Sterne, die nicht Teil eines Sternhaufens sind.

Weitere Informationen
Die hier vorgestellten Ergebnisse erscheinen demnächst unter dem Titel “Three planetary companions around M67 stars“ von A. Brucalassi et al. in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.

Die beteiligten Wissenschaftler sind A. Brucalassi (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching [MPE]; Universitätssternwarte München), L. Pasquini (ESO, Garching), R. Saglia (MPE; Universitätssternwarte), M.T. Ruiz (Universidad de Chile, Santiago, Chile), P. Bonifacio (GEPI, Observatoire de Paris, CNRS, Univ. Paris Diderot, Frankreich), L. R. Bedin (INAF – Osservatorio Astronomico di Padova, Padova, Italien), K. Biazzo (INAF – Osservatorio Astronomico di Catania, Catania, Italien), C. Melo (ESO, Santiago, Chile), C. Lovis (Observatoire de Geneve, Schweiz) und S. Randich (INAF – Osservatorio Astrofisico di Arcetri, Florenz, Italien).

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 15 Mitgliedsländer: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt.

Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner bei dem neuartigen Teleskopverbund ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop mit 39 Metern Durchmesser für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird: das European Extremely Large Telescope (E-ELT).

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

Kontaktinformationen

Carolin Liefke
ESO Science Outreach Network – Haus der Astronomie
Heidelberg, Deutschland
Tel: 06221 528 226
E-Mail: eson-germany@eso.org
Anna Brucalassi
Max Planck Institut for Extraterrestrial Physics
Garching, Germany
Tel: +49 89 30000 3022
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Luca Pasquini
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Garching, Germany
Tel: +49 89 3200 6792
E-Mail: lpasquin@eso.org
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Dies ist eine Übersetzung der ESO-Pressemitteilung eso1402.

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