Erfolgreiche erste Beobachtungen des Galaktischen Zentrums mit GRAVITY

Diese künstlerische Darstellung zeigt die Umlaufbahn von Sternen um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße. Im Jahr 2018 wird einer dieser Sterne, S2, sehr nah am Schwarzen Loch vorbeiziehen. Dieses Ereignis stellt die beste Möglichkeit dar, die Effekte sehr starker Gravitation zu untersuchen und in naher Zukunft die Vorhersagen der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie zu testen. Das GRAVITY-Instrument am Interferometer des Very Large Telescope der ESO ist das leistungsstärkste existierende Instrument für die Positionsmessung dieser Sterne. Erfolgreich getestet wurde es am S2-Stern im Sommer 2016. Die Umlaufbahn von S2 ist in Rot hervorgehoben und die Position des zentralen Schwarzen Lochs mit einem roten Kreuz gekennzeichnet. Herkunftsnachweis: ESO/L. Calçada

Ein Team europäischer Astronomen hat mit dem neuen GRAVITY-Instrument am Very Large Telescope der ESO erstaunliche Beobachtungen des Zentrums der Milchstraße machen können, indem es zum ersten Mal das Licht aller vier 8,2-Meter-Hauppteleskope vereint hat.

Diese Ergebnisse liefern einen ersten Eindruck davon, welche bahnbrechende Forschung in Zukunft mit GRAVITY möglich sein wird, wenn es das extrem starke Gravitationsfeld nahe des zentralen supermassereichen Schwarzen Lochs untersuchen und die Einsteinsche Allgemeine Relativitätstheorie testen wird.

Das GRAVITY-Instrument arbeitet nun mit den vier 8,2-Meter Unit Telescopes des Very Large Telescope (VLT) der ESO zusammen. Erste Testergebnisse lassensich bereits erahnen, dass das Instrument in Zukunft auf Weltklasse-Niveau arbeiten wird.

GRAVITY ist Teil des VLT-Interferometers. Indem es das Licht der vier Teleskopen vereint, kann es dieselbe räumliche Auflösung und Präzision in der Positionsmessung erreichen wie ein Teleskop mit einem Durchmesser von bis zu 130 Metern. Die Zunahme des Auflösungsvermögen und der Positionsgenauigkeit – die dem Faktor 15 gegenüber der einzelnen 8,2-Meter VLT Unit Telescopes entspricht – machen es GRAVITY möglich, erstaunlich genaue Messungen von astronomischen Objekten zu machen.

Eines der Hauptziele von GRAVITY besteht darin, detaillierte Beobachtungen der Umgebung des 4 Millionen Sonnenmassen schweren Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße durchzuführen [1]. Zwar sind Position und Masse des Schwarzen Lochs seit 2002 bekannt, nachdem man präzise Messungen der Bewegungen der das Schwarze Loch umgebenden Sterne durchgeführt hatte, jedoch wird GRAVITIY es Astronomen in Zukunft ermöglichen, das Gravitationsfeld um das Schwarze Loch in bisher ungekanntem Detail zu untersuchen, wodurch es einen einzigartigen Test der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie ermöglicht.

In dieser Hinsicht sind bereits die ersten Messungen mit GRAVITY sehr spannend. Das GRAVITY-Team [2] hat mit dem Instrument den Stern S2 beeobachtet, der das Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis in nur 16 Jahren umrundet. Diese Tests haben eindrücklich die Empfindlichkeit von GRAVITY gezeigt, da das Instrument in der Lage war, diesen lichtschwachen Stern mit einer Beobachtungszeit von nur wenigen Minuten zu erkennen.

Das Team wird bald imstande sein, sehr präzise Positionen des umkreisenden Sterns zu erreichen, was vergleichbar ist mit der Positionsmessung eines Gegenstands auf dem Mond mit einer Präzision im Zentimeter-Bereich. Das wird dem Team die Klärung der Frage ermöglichen, ob die Bewegung um das Schwarze Loch den Vorhersagen der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie folgt – oder auch nicht. Die neuen Beobachtungen zeigen, dass das Galaktische Zentrum hierfür geeignet ist, wie kein anderer Ort.

Frank Eisenhauer vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, der leitende Wissenschaftler für GRAVITY, ist begeistert: „Es war ein großartiger Moment für das ganze Team, als sich das Licht des Sterns zum ersten Mal überlagerte – nach acht Jahren harter Arbeit. Zuerst stabilisierten wir aktiv die Interferenz an einem hellen nahegelegenen Stern, und nur wenige Minuten später konnten wir tatsächlich die Interferenz des schwachen Sterns sehen – wir haben es geschafft!“ Auf den ersten Blick haben weder der Referenzstern noch der umkreisende Stern massereiche Begleiter, die Beobachtungen und Auswertung erschweren würden. „Sie sind ideale Probekörper“, erklärt Eisenhauer.

Dieses erste Indiz auf Erfolg kommt genau richtig: Im Jahr 2018 wird der Stern S2 dem Schwarzen Loch am nächsten sein, in einer Entfernung von nur 17 Lichtstunden und mit einer Geschwindigkeit von fast 30 Millionen Stundenkilometern, oder 2,5 % der Lichtgeschwindigkeit. In dieser Entfernung werden die Effekte aufgrund der Allgemeinen Relativität am ausgeprägtesten sein, wodurch die Beobachtungen von GRAVITY dann das wichtigste Ergebnis liefern werden [3]. Diese Möglichkeit wird sich innerhalb der darauffolgenden 16 Jahre nicht mehr wiederholen.

[1] Das Zentrum der Milchstraße, unserer Heimatgalaxie, befindet sich am Himmel im Sternbild Schütze (lat. Sagittarius) und ist ungefähr 25-000 Lichtjahre von der Erde entfernt.

[2] Das GRAVITY-Konsortium besteht aus dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE), dem Max-Planck-Institut fürAstronomie (MPIA), LESIA des Pariser Observatoriums und IPAG der Université Grenoble Alpes/CNRS, der Universität Köln, dem Centro Multidisciplinar de Astrofísica Lissabon und Porto (SIM) und der ESO.

[3] Das Team wird, zum ersten Mal, in der Lage sein, zwei relativistische Effekte auf einen Stern zu messen, der ein massereiches Schwarzen Loch umkreist – der Gravitations-Rotverschiebung und der Präzession des Perizentrums. Die Rotverschiebung tritt auf, da Licht vom Stern sich entgegen des starken Gravitationsfeldes des massereichen Schwarzen Lochs ausbreiten muss, um in das Universum entkommen zu können. Währenddessen verliert es Energie, was sich in einer Rotverschiebung des Lichtes äußert. Der zweite Effekt betrifft die Umlaufbahn des Sterns und führt zu einer Abweichung von einer perfekten Ellipse. Die Richtung der Ellipse rotiert um etwa ein halbes Grad in der Umlaufebene, wenn der Stern nah am Schwarzen Loch vorbeikommt. Derselbe Effekt ist für die Umlaufbahn des Merkurs um die Sonne beobachtet worden, bei der er pro Umlauf etwa 6500-mal schwächer ist als in der extremen Umgebung eines Schwarzen Lochs. Jedoch ist dieser Effekt aufgrund der größeren Entfernung im Galaktischen Zentrum schwieriger zu beobachten als im Sonnensystem.

Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch 16 Länder: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist einer der Hauptpartner bei ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

Carolin Liefke
ESO Science Outreach Network – Haus der Astronomie
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Frank Eisenhauer
GRAVITY Principal Investigator, Max Planck Institute for Extraterrestrial Physics
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Dies ist eine Übersetzung der ESO-Pressemitteilung eso1622.

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