Elektronen – kalt beschleunigt

Ein Laserpuls (rot) trifft auf Heliumatome (blau), die aus einer Düse mit Überschallgeschwindigkeit entlassen werden. Ein sehr kompakter und kontrollierter Dichteunterschied (dunkelblauer Strahl) entsteht durch eine teilweise Abdeckung der Düse durch eine Rasierklinge. Exakt an diesem Dichteunterschied trifft der Laserpuls auf die Heliumatome, löst dort Elektronen heraus und beschleunigt sie fast bis aus Lichtgeschwindigkeit. Da die Elektronen alle am selben Ort und zudem zeitgleich von den Atomen gelöst werden, haben sie nahezu dieselbe Energie.<br>

Elektronen nahe der Lichtgeschwindigkeit sind schwer zu bändigende Genossen. Will man sie für physikalische Anwendungen an den Grenzen der Ultrakurzzeitphysik nutzbar machen, sollte eine große Anzahl von ihnen in extrem kurze Pulse mit einstellbarer Energie gepackt werden.

Einem Team um Dr. Laszlo Veisz und Prof. Stefan Karsch, beide Forschungsgruppenleiter im Labor für Attosekundenphysik (LAP) am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ), ist dies nun mittels eines lasergetriebenen Beschleunigers erstmals gelungen. Sie erzeugten Elektronenpulse von wenigen Femtosekunden Dauer, deren enorme Anzahl von Teilchen alle über fast dieselbe, über einen weiten Bereich einstellbare, Energie verfügen.

Diese monoenergetischen Elektronenpakete können dazu dienen, ultrakurze Lichtblitze im extremen ultraviolett- oder sogar Röntgenbereich zu erzeugen, die wiederum vielseitige Werkzeuge zur Erforschung schneller Prozesse im Mikrokosmos sind. (Physical Review Letters, 02. Mai 2013).

Pulse aus Elektronen, die fast mit Lichtgeschwindigkeit fliegen und dabei auch noch vom Menschen kontrolliert werden, besitzen ein großes Potential für Anwendungen in der Medizin und der Erforschung des Mikrokosmos. Zu ihrer Erzeugung werden heute jedoch zumeist Hochfrequenz-Beschleunigeranlagen verwendet, die einerseits sehr groß und kostspielig sind, andererseits kurze Teilchenpulse nur mit sehr aufwendigen Tricks und unter großen Teilchenverlusten erzeugen können.

Teilchenschwärme mit einem Laser auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, ist eine Methode, die diese Probleme teilweise vermeidet. Das Hauptproblem hierbei ist es allerdings, allen Teilchen in einem Puls eine einheitliche Energie mit auf die Reise zu geben und somit „kalte“ Pulse zu erzeugen. Damit könnte man die physikalischen Parameter noch besser kontrollieren und für Anwendungen nutzbar machen.

Ein konventioneller Hochfrequenz-Beschleuniger enthält immer eine Teilchenquelle, die die Teilchenzahl, Pulsdauer und Energieschärfe der Pakete bestimmt. Dazu verfügt er über eine feste Beschleunigungsstrecke, die die Energie der Teilchen vorgibt. In einem Laserbeschleuniger jedoch fehlt die Teilchenquelle. Die beschleunigten Teilchen werden zufällig über die gesamte Länge des Beschleunigers eingefangen. Dadurch wird ihre Energieverteilung relativ breit. Einem Team um Laszlo Veisz und Stefan Karsch vom Labor für Attosekundenphysik am MPQ, ist es nun gelungen, eine kontrollierbare Teilchenquelle in einen Laserbeschleuniger zu integrieren und damit Pulse aus Elektronen zu erzeugen, deren einzelne Teilchen nahezu dieselbe Energie besitzen.

Aus einer kleinen Düse entließen die Physiker Heliumatome mit Überschallgeschwindigkeit. Kurz über der Öffnung der Düse positionierten sie eine Rasierklinge so, dass sie einen Teil der Öffnung abschirmte. Wurden nun die Heliumatome aus der Düse entlassen, formten sie ausgehend von der Rasierklingenkante eine Schockwelle und damit ein Dichtesprung im Gasfluss. Exakt an diese Stelle fokussierten die Wissenschaftler einen extrem starken Laserpuls von rund 28 Femtosekunden Dauer (eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde).

Dieser Laserpuls erzeugte ein Plasmakanal, er trennte also Elektronen von ihren Kernen ab, beschleunigte dann die Elektronen innerhalb weniger 100 Mikrometer bis auf Lichtgeschwindigkeit und gab ihnen allen fast dieselbe Energie mit auf den Weg.

Entscheidend für die Ausformung eines monochromatischen Elektronenpulses ist die Tatsache, dass alle Elektronen ihre Reise genau an dieser Schockfront gestartet und damit bis zum Ende des Gasstahls die gleiche Beschleunigungsstrecke zurückgelegt haben, wodurch sie alle dieselbe Energie erhielten. Ohne die Schockfront würden unterschiedliche Elektronen an beliebiger Stelle im Beschleuniger starten und damit unterschiedliche Energien mitnehmen. „Durch die Position der Rasierklinge über der Düse können wir genau bestimmen wo sich der Dichteunterschied der Heliumatome ausbildet und damit beeinflussen, wie lang die Beschleunigungstrecke ist und welche Energie wir den herausgelösten Elektronen mitgeben“, erklärt Laszlo Veisz.

Perfekt kontrollierte, ultrakurze Elektronenpulse könnten genutzt werden um wiederum Lichtblitze mit wenigen Femtosekunden Dauer bis in den Röntgenbereich zu erzeugen. Mit ihnen ist man dann z.B. in der Lage, schnelle Prozesse im Mikrokosmos zu „fotografieren“. Ebenso bieten sich medizinische Anwendungen an: Kompakte und preiswerte, gut kontrollierbare Laser-Teilchenbeschleuniger mit hoher Strahlqualität könnten in Zukunft dafür sorgen, dass neue Röntgentechniken mit erheblich verminderter Strahlenbelastung für viele Patienten zur Diagnose von Krankheiten zur Verfügung stehen. [Thorsten Naeser]

Originalpublikation:
A. Buck, J. Wenz, J. Xu, K. Khrennikov, K. Schmid, M. Heigoldt, J. M. Mikhailova, M. Geissler, B. Shen, F. Krausz, S. Karsch, and L. Veisz

Shock-Front Injector for High-Quality Laser-Plasma Acceleration
Physical Review Letters, 2. Mai 2013
Doi: 10.1103/PhysRevLett.110.185006

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Prof. Dr. Stefan Karsch
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Str. 1, 85748 Garching
Tel.: +49 (0)89 / 32 905-323
E-Mail: stefan.karsch@mpq.mpg.de

Dr. Laszlo Veisz
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
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E-Mail: laszlo.veisz@mpq.mpg.de

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